European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00123.19Z.0227.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Die auf Zahlung von 35.077,01 EUR sA und Feststellung gerichtete Klage wurde zunächst beim Bezirksgericht Eferding eingebracht und mit Beschluss vom 8. 11. 2018 zurückgewiesen. Auf Antrag der Kläger wurde die Zurückweisung aufgehoben und die Rechtssache an das Landesgericht Wels überwiesen.
Die beiden Beschlüsse wurden zusammen mit der Klage und dem Auftrag zur Erstattung einer Klagebeantwortung im Rechtshilfeweg durch das Amtsgericht Laufen am 18. 12. 2018 an die Beklagte durch „Einlegung der zuzustellenden Schriftstücke in den zu dem Geschäft der Beklagten gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung“ zugestellt.
Nachdem keine Klagebeantwortung erstattet wurde, erließ das Erstgericht am 14. 2. 2019 auf Antrag der Kläger ein Versäumungsurteil und ordnete dessen Zustellung mit internationalem Rückschein an. Die Sendung wurde am 21. 3. 2019 an das Erstgericht zusammen mit dem Rückschein mit dem Vermerk „nicht abgeholt“ retourniert. Auf der Vorderseite der Sendung ist, allerdings durchgestrichen, das Wort „Benachrichtigung“ sowie das Datum 20. 2. 2019 erkennbar, mit einem weiteren nicht lesbaren handschriftlichen Zusatz.
In der Folge wurde vom Erstgericht die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils bestätigt und auf Antrag der Kläger die Bescheinigung, dass die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist, ausgestellt.
Mit Schriftsatz vom 22. 5. 2019 beantragte die Beklagte die neuerliche Zustellung des Auftrags zur Klagebeantwortung, hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zu Erstattung der Klagebeantwortung bzw der Frist zur Erhebung eines Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil, erstattete zugleich Klagebeantwortung und Widerspruch und beantragte weiters die Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung. Sie brachte vor, dass sie erstmals am 8. 5. 2019 Kenntnis vom Versäumungsurteil erlangt habe. Im Vorfeld sei nur der Beschluss des Bezirksgerichts Eferding, mit dem die Klage a limine zurückgewiesen worden sei, zugestellt worden. Ihr sei weder der Auftrag zur Klagebeantwortung noch das Versäumungsurteil wirksam zugestellt worden. Damit sei die Frist für die Erstattung der Klagebeantwortung noch offen. Jedenfalls liege ein Wiedereinsetzungsgrund vor. Auch die Rechtskraft‑ und Vollstreckbarkeitsbestätigung sei daher zu Unrecht erteilt worden.
Die Kläger sprachen sich gegen diese Anträge aus. Es sei auszuschließen, dass die Beklagte erst mit der Zustellung im Mai 2019 vom Verfahren Kenntnis erlangt habe.
Das Erstgericht wies den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab, den Widerspruch zurück und den Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft‑ und Vollstreckbarkeitsbestätigung ohne Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens ab. Es bestünden keine Zweifel an der korrekten Zustellung. Der Beklagten sei es nicht gelungen, ein unabwendbares Ereignis nachzuweisen, weshalb auch der Wiedereinsetzungsantrag unberechtigt sei. Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs sei abgelaufen. Das Urteil sei daher rechtskräftig.
Dem Rekurs der Beklagten gegen diese Entscheidung gab das Rekursgericht teilweise Folge. Es bestätigte den Beschluss hinsichtlich der Abweisung des Antrags auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Klagebeantwortung. Im Umfang der Zurückweisung des Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil wurde der Beschluss ersatzlos aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über den Widerspruch aufgetragen. Im Übrigen wurde die erstinstanzliche Entscheidung dahingehend abgeändert, dass die Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung sowie die Bescheinigung als europäischer Vollstreckungstitel aufgehoben wurde. Die Beklagte sei selbst davon ausgegangen, dass ihr der Zurückweisungsbeschluss des Bezirksgerichts zugestellt worden sei, diese Zustellung sei aber gleichzeitig mit der Zustellung der Klage und dem Auftrag zur Klagebeantwortung erfolgt und durch das Zustellungszeugnis des Amtsgerichts Laufen bestätigt. Es liege somit eine korrekte Zustellung vor. Gründe für eine Wiedereinsetzung habe die Beklagte nicht behauptet.
Das Versäumungsurteil sei unbehoben an das Gericht rückgemittelt worden. Eine Zustellung mit internationalem Rückschein sei nur im Fall der tatsächlichen Aushändigung des Zustellstücks an den Empfänger oder an einen zulässigen Ersatzempfänger geeignet, zu einer rechtswirksamen Zustellung zu führen. Bei Nichtabholung einer mit internationalem Rückschein zugestellten Sendung sei von einer Nichtzustellung auszugehen. Damit sei aber der Widerspruch rechtzeitig erhoben worden. Dem Erstgericht sei daher die Fortsetzung des Verfahrens in diesem Umfang aufzutragen. Da die Zustellung des Versäumungsurteils unwirksam sei, sei auch die Bestätigung der Rechtskraft‑ und Vollstreckbarkeit sowie die Bescheinigung als europäischer Vollstreckungstitel zu Unrecht erfolgt. Der Beschluss des Erstgerichts sei daher dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Aufhebung dieser Bestätigungen statt gegeben werde.
Weiters sprach das Rekursgericht aus, dass der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung unzulässig sei. Im Übrigen sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig, weil das Rekursgericht der Ansicht des Obersten Gerichtshofs zur Wirksamkeit einer Zustellung mit internationalem Rückschein durch Hinterlegung nicht gefolgt sei.
Gegen den abändernden Teil der Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger mit dem Antrag, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.
Die Beklagte beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.
Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Voranzuschicken ist, dass der Rechtsmittelausschluss des § 397a Abs 3 letzter Satz ZPO sich nur auf die Bekämpfung des Beschlusses bezieht, mit dem das Versäumungsurteil aufgehoben wird (RIS‑Justiz RS0040948). Der Revisionsrekurs, mit dem die Kläger die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Zurückweisung des Widerspruchs begehren, ist somit nicht jedenfalls unzulässig.
2. Da die Beklagte ihren Wohnsitz im EU‑Ausland hat, hat die Zustellung nach den Regeln der Verordnung (EG) Nr 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 11. 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EuZVO) zu erfolgen (Art 1 EuZVO).
Art 14 EuZVO sieht vor, dass es jedem Mitgliedstaat frei steht, Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Postdienste per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg zustellen zu lassen.
In der Entscheidung C‑354/15, Henderson gegen Novo Banco Sa hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) darauf hingewiesen, dass die EuZVO verschiedene – in ihr geregelte – Arten der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke abschließend vorsieht, ohne jedoch eine Rangordnung zwischen ihnen aufzustellen. Zu diesen Übermittlungsarten gehöre diejenige durch Postdienste (Rn 71). Die Verordnung sehe in Art 14 vor, dass die durch Postdienste erfolgende Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks an eine Person mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich per Einschreiben mit Rückschein bewirkt werde (Rn 74).
In dieser Entscheidung verwies der EuGH zusammengefasst darauf, dass der Unionsgesetzgeber in Förmlichkeiten (wie dem Rückschein) gleichzeitig eine Garantie für den Empfänger sehe, dass er die eingeschriebene Sendung mit dem zuzustellenden Schriftstück tatsächlich erhält, und einen verlässlichen Beweis für den Absender, dass das Verfahren ordnungsgemäß abgelaufen ist (Rn 75). Der Rückschein, der ausgefüllt werde, wenn der Empfänger oder gegebenenfalls sein Vertreter das Schreiben erhalte, trage die Angaben zur Übergabezeit, zum Übergabeort und zu den Personalien der das Schreiben in Empfang nehmenden Person sowie deren Unterschrift. Er werde sodann an den Absender zurückgesandt, womit dieser Kenntnis von diesen Einzelheiten erhalte und sie im Bestreitungsfall beweisen könne (Rn 76).
Wenn die Verordnung in Art 14 auch die Möglichkeit des Nachweises mit „gleichwertigen Beleg“ vorsehe, müsse die alternative Art der Übermittlung des Schriftstücks hinsichtlich sowohl des Erhalts des Schriftstücks durch seinen Empfänger als auch der Umstände des Erhalts das gleiche Maß an Gewissheit und Verlässlichkeit aufweisen wie ein Einschreiben mit Rückschein (Rn 81).
3. In der Entscheidung 10 Ob 65/15d wies der Oberste Gerichtshof darauf hin, dass nach der Judikatur des EuGH von einer Gleichrangigkeit für das Verhältnis zwischen Zustellung im direkten Behördenverkehr und der Postzustellung auszugehen sei. Das „wie“ der Auslandszustellung und die Frage nach ihrer Rechtswirksamkeit seien dabei grundsätzlich nach dem Zustellrecht des Empfangsstaats zu beurteilen. Danach richte sich, auf welche Weise (Ersatzzustellung, Zustellung durch Hinterlegung), an welchem Ort (Abgabestelle) und durch wen (Zustellorgan) das Schriftstück zuzustellen sei. Das Zustellrecht des Gerichtsstaats könne nur insoweit maßgeblich sein, als die Zustellung des Schriftstücks in einer besonderen Form (zum Beispiel Eigenhandzustellung) gewünscht werde (Art 7 Abs 1 EuZVO).
In dieser Entscheidung kam der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass nach polnischem Recht bei einer postalischen Zustellung, wenn eine persönliche Zustellung an den Adressaten oder einen zulässigen Ersatzempfänger nicht möglich sei, die Möglichkeit der Hinterlegung beim Postamt oder auf der Gemeinde unter Hinterlassung einer Benachrichtigung an der Tür der Wohnung des Empfängers oder im Briefkasten zulässig sei. Angesichts der von der polnischen Post auf dem Zustellstück, das an das Gericht zurückgesandt wurde, angebrachten Informationen gebe es keinen Hinweis darauf, dass die Zustellung durch Hinterlegung nicht wirksam geworden wäre.
4. Sengstschmid (in Mayr [ Hrsg ], Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts [2017] Rz 14.140 mwN) verweist dagegen darauf, dass nach herrschender Meinung mangels gesetzlicher Grundlage – §§ 17 und 20 ZustellG würden für die Zustellung im Ausland nicht geltend – bei der Zustellung per Post mit internationalem Rückschein weder eine Annahmeverweigerung durch den Empfänger noch eine Hinterlegung als Zustellung gewertet werden könne.
Diese Auffassung entspricht im Wesentlichen der des Rekursgerichts.
Der Revisionsrekurs verweist im Gegensatz dazu darauf, dass die Wirksamkeit der Zustellung nach deutschem Recht zu beurteilen sei und nach dem deutschen Zivilprozessrecht eine Hinterlegung zulässig sei.
5. Die grundsätzliche Frage, ob eine Zustellung im Ausland mit internationalem Rückschein auch im Fall einer Hinterlegung wirksam ist, kann jedoch im konkreten Fall dahingestellt bleiben, da selbst bei Bejahung der Möglichkeit einer Zustellung durch Hinterlegung diese nicht nachgewiesen wurde.
Das deutsche Recht, auf dass sich die Kläger berufen, verlangt in § 181 dZPO, dass über die Niederlegung (unter anderem bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle) eine schriftliche Mitteilung auf dem vorgesehenen Formular unter der Anschrift der Person, der zugestellt werden soll, in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben oder, wenn es nicht möglich ist, an der Tür der Wohnung, des Geschäftsraums oder der Gemeinschaftseinrichtung anzuheften ist. Nach § 182 dZPO ist zum Nachweis der Zustellung eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Diese Zustellurkunde muss unter anderem im Fall der Niederlegung die Bemerkung enthalten, wie die schriftliche Mitteilung abgegeben wurde; die Bemerkung, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag, dass das zuzustellende Schriftstück enthält, vermerkt ist; den Ort, das Datum und auf Anordnung der Geschäftsstelle auch die Uhrzeit der Zustellung; Name, Vorname und Unterschrift des Zustellers sowie die Angaben des beauftragten Unternehmens oder der ersuchten Behörde. Diese Zustellurkunde ist der Geschäftsstelle in Urschrift oder als elektronisches Dokument unverzüglich zurückzuleiten.
Neben dem deutschen Recht verlangt auch das europäische Recht, dass dem Absender ein Rückschein oder ein gleichwertiger Beleg über die Zustellung zukommt. Der Zweck dieses Dokuments ist, wie ausgeführt, einerseit eine Garantie für den Empfänger, dass er die Sendung tatsächlich erhält, und andererseits ein Beweis für den Absender, dass das Verfahren ordnungsgemäß abgelaufen ist. Bereits zur Vorgängerregelung der EuZVO, VO Nr 1348/2000, hat der EuGH ausgeführt hat, dass Ziel und Zweck der Verordnung ist, dass diese den tatsächlichen Erfolg der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke unter Wahrung der berechtigten Interessen des Empfängers gewährleisten soll (EuGH, C‑473/04, Plumex gegen Young Sports NV , Rn 21).
Das könnte aber nur dann angenommen werden, wenn die Hinterlegung auch hinreichend dokumentiert ist. Nur in einem solchen Fall wäre sichergestellt, dass der Empfänger die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Zustellung hat und der Absender die Korrektheit des Zustellvorgangs belegen kann sowie dass beide Parteien über die Informationen verfügen, die ihnen eine Überprüfung der Wirksamkeit des Zustellvorgangs erlauben.
6. Im vorliegenden Fall finden sich am Rückschein selbst keine Informationen zum Zustellvorgang oder dem Zustellorgan. Am rückgemittelten Kuvert ist ein vorgedruckter Vermerk aufgeklebt, auf dem nur „nicht behoben“ angekreuzt ist. Weiters ist handschriftlich das Wort „Benachrichtigung“ und das Datum 20. 2. 2019 mit einem unleserlichen Zusatz vermerkt, allerdings durchgestrichen.
All dem lässt nicht entnehmen, wie und ob hinterlegt und der Empfänger über eine Hinterlegung, den Ort der Hinterlegung sowie die Möglichkeit der Abholung und die Dauer der Hinterlegungsfrist informiert wurde. Es liegt daher kein ordnungsgemäßer Nachweis vor, aus dem auf eine wirksame „Niederlegung“ geschlossen werden kann.
7. Da die wirksame Zustellung des Versäumungsurteils nicht feststeht, ist der Widerspruch als rechtzeitig anzusehen und war die zu Unrecht erteilte Rechtskraft‑ und Vollstreckbarkeitsbestätigung sowie die Bescheinigung als europäischer Vollstreckungstitel aufzuheben.
Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.
8. Die Kläger haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen. Die Beklagte hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
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