European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00096.19K.0227.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger begehrt 473.733,62 EUR sA mit dem Vorbringen, er habe von einer inländischen Depotbank Staatsanleihen der Beklagten mit einem Gesamtnominale von 815.000 EUR erworben. Die Beklagte habe vorsätzlich und rechtswidrig eine Zwangskonvertierung durchgeführt und die vom Kläger erworbenen Anleihen gegen schlechtere getauscht. Sie habe sich dabei auf das griechische Umschuldungsgesetz 4050/2012 berufen, das jedoch nicht zur Anwendung gelange, weil sich dieses ausschließlich auf die Umschuldung von Anleihen beziehe, die dem griechischen materiellen Recht unterlägen. Die hier betroffenen Anleihen habe die Beklagte jedoch nach englischem Recht emittiert. Die Beklagte behaupte tatsachenwidrig, dass die Anleihen dem griechischem Recht unterlägen. Der Kläger sei durch die Konvertierung der Anleihen rechtswidrig und rechtsgrundlos geschädigt worden. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, bei Fälligkeit das Nominale zu zahlen. Abzüglich der lukrierten Zinserträge und dem aus den Verkäufen der Anleihen lukrierten Erlös errechne sich der geltend gemachte Gesamtschaden von 473.733,62 EUR sA. Die internationale Zuständigkeit gründe auf Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012, in eventu auf Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012.
Das Erstgericht wies die Klage über entsprechende Prozesseinreden der Beklagten aufgrund fehlender inländischer Gerichtsbarkeit und mangels internationaler Zuständigkeit zurück. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers, in dem er bemängelt, dass das Rekursgericht die Anwendbarkeit englischen bzw – als Wertpapiersachstatut – belgischen Rechts nicht geprüft, sondern die Anleihen dem griechischen Gesetz 4050/2012 unterstellt habe.
Rechtliche Beurteilung
Damit spricht er keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO an:
1. Die inländische Gerichtsbarkeit ist für Schadenersatzansprüche gegen einen ausländischen Staat nicht gegeben, wenn sich der geltend gemachte Anspruch auf einen hoheitlichen Akt dieses Staats bezieht (RS0032107).
2. Dazu vertrat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 15. 11. 2018, C‑308/17, Hellenische Republik/Kuhn, die Auffassung, dass der Rechtsstreit im Ausgangsverfahren (der dortige Kläger des Anlassverfahrens hatte ebenfalls Staatsanleihen der beklagten Republik am Sekundärmarkt erworben, die dann in Vollziehung des Gesetzes 4050/2012 konvertiert worden waren) aus Handlungen des griechischen Staats in Ausübung hoheitlicher Rechte resultiere. Er begründete dies mit den außergewöhnlichen Umständen (schwere Finanzkrise), unter denen die gesetzliche „Zwangskonvertierung“ erfolgt sei, sowie dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel, den Zahlungsausfall Griechenlands zu verhindern und die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets sicherzustellen.
3. Aufgrund dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof in vergleichbaren Fällen bereits wiederholt – teils auch nur obiter – ausgesprochen, dass die inländische Gerichtsbarkeit nicht vorliegt (1 Ob 139/19a; 10 Ob 103/18x; 10 Ob 104/18v).
4. Der Kläger vertritt den Standpunkt, dass die hier in Rede stehenden Anleihen (und nicht bloß die den Emissionen zugrunde liegenden Übernahmeverträge, abgeschlossen zwischen der Beklagten und den Mitgliedern des Emissionskonsortiums) dem englischen Recht unterliegen und das griechische Gesetz 4050/2012 auf diese nicht zur Anwendung gelangte. Damit ignoriert er aber sein eigenes Klagevorbringen, nach dem er seine Ansprüche gerade aus der unter Berufung auf dieses Gesetz vorgenommenen Konvertierung ableitet und die Differenz zwischen der ursprünglichen Gesamtnominale und den Erlösen aus Zinsen und aus der Veräußerung der nach dem Gesetz 4050/2012 (zwangsweise) konvertierten Anleihe geltend macht. Er leitet somit seinen Anspruch aus der gesetzlich aufgezwungenen Konvertierung und damit aus einem Akt „iure imperii“ ab (5 Ob 220/19t; vgl auch 1 Ob 139/19a). Selbst eine allenfalls unrichtige Anwendung dieses Gesetzes änderte nichts daran, dass der geltend gemachte Anspruch aus dessen Vollziehung und damit – entsprechend dem vom EuGH angelegten Beurteilungsmaßstab – aus einem hoheitlichen Akt abgeleitet wird (5 Ob 220/19t; vgl ferner 6 Ob 174/19k).
5. Weshalb sich für den vom Kläger geltend gemachten Ersatzanspruch aus dem – den Inhalt und Erwerb dinglicher Rechte am (und nicht Ansprüche aus dem) Papier regelnden – Wertpapiersachstatut eine andere Beurteilung ergeben sollte, ist nicht ersichtlich und wird auch im Revisionsrekurs nicht nachvollziehbar ausgeführt.
6. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Klage mangle es an der inländischen Gerichtsbarkeit (wegen der Immunität des beklagten Staats) steht somit mit der durch das Urteil des EuGH C‑308/17 und den nachfolgenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs klargestellten Rechtslage im Einklang und wirft keine Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf.
7. Das gilt ebenso für die Beurteilung der weiteren Prozessvoraussetzung der internationalen Zuständigkeit. Der EuGH hat in dem erwähnten Urteil ausgesprochen, dass der (dort) zu beurteilende Rechtsstreit nicht unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ iSd Art 1 Abs 1 EuGVVO 2012 fällt. In Anknüpfung daran verneinte der Oberste Gerichtshof in mittlerweile zahlreichen gleichgelagerten Fällen auch die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte (10 Ob 103/18x; 10 Ob 104/18v; 8 Ob 161/18m; 5 Ob 220/19t; 6 Ob 174/19k).
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