OGH 4Ob1/20f

OGH4Ob1/20f28.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang C. M. Burger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 35.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den im Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. September 2019, GZ 1 R 90/19s‑18, enthaltenen Beschluss, mit dem Spruchpunkt 2.b (zweites Eventualbegehren) im Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. März 2019, GZ 31 Cg 2/18f‑14, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00001.20F.0128.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die beklagte Bank gewährte der (später am 26. 9. 2014 verstorbenen) Ehegattin des Klägers in deren Eigenschaft als Unternehmerin in den Jahren 2005 bzw 2011 drei Kredite, darunter (am 29. 8. 2005) einen in Schweizer Franken geführten Fremdwährungskredit über 520.130 EUR mit einer Endfälligkeit zum 31. 8. 2020 (Kredit 1). Als Sicherheiten verfügte die Kreditnehmerin unter anderem über zwei Lebensversicherungen und über zwei Wertpapierdepots bei der Beklagten.

Da die Schweizerische Nationalbank am 15. 1. 2015 die seit 6. 9. 2011 bestehende Kursstützung zur Anbindung des Schweizer Franken an den Euro (zum Kurs 1 EUR = 1,2 CHF) aufhob, konvertierte die Beklagte am 23. 1. 2015 (zu einem Wechselkurs von 1 EUR = 0,9747 CHF) den Kredit 1 teilweise und überwies den Guthabensbetrag aus den Kreditkonten 2 und 3 in Höhe von 439.629,31 EUR auf das Kreditkonto 1. Dieser Guthabensbetrag ergab sich dadurch, dass die Beklagte die zuvor angeführten Sicherheiten (die Lebensversicherung 1 am 29. 12. 2014) auflöste und den sich daraus ergebenden Erlös auf die Kreditkonten 2 und 3 verbuchte. Der restliche Fremdwährungskredit 1 besteht nach wie vor.

Mit Schreiben vom 26. 1. 2015 teilte die Beklagte diese Umstände dem Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren nach der Ehegattin des Klägers mit.

Mit Schadenersatzklage vom 27. 12. 2017 stellte der Kläger ein Hauptfeststellungsbegehren und ein Eventualbegehren; diese Begehren wurden (vom Berufungsgericht) rechtskräftig abgewiesen und sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Zudem erhob der Kläger in der Tagsatzung vom 16. 4. 2018 ein weiteres Eventualbegehren, mit dem festgestellt werden soll, dass die Beklagte für alle Schäden haftet, die zukünftig daraus entstehen, dass sie entgegen der mit der Ehegattin des Klägers getroffenen Tilgungsvereinbarung den aus der Lebensversicherung 1 erlangten Betrag nicht vorrangig zur Tilgung des Fremdwährungskredits 1 verwendet hat. Die Beklagte hätte bei Auflösung der Lebensversicherung 1 den sich daraus ergebenden Erlös umgehend zur Rückführung des Fremdwährungskredits 1 verwenden müssen, der mit hohen Zinsen sowie mit dem Wechselkursrisiko behaftet gewesen sei. Verjährung sei nicht eingetreten, weil sich der Umstand, dass die Lebensversicherung 1 zugunsten des Kreditkontos 1 verpfändet gewesen sei, erst im vorliegenden Verfahren ergeben habe.

Die Beklagte entgegnete, dass nach den Vertragsgrundlagen sämtliche der in Rede stehenden Vermögenswerte zur Besicherung aller Kredite der Ehegattin des Klägers gedient hätten. Die beiden Lebensversicherungen seien nach dem Ableben der Kreditnehmerin entsprechend der getroffenen Vereinbarungen aufgelöst worden. Da die Beklagte die Bezugsberechtigte gewesen sei, habe sie den Erlös aus den Lebensversicherungen zur Kreditrückzahlung verwendet, wobei ihr in dieser Hinsicht ein Wahlrecht zugekommen sei. Durch die (spätere) teilweise Rückführung des Fremdwährungskredits 1 sei das Wechselkursrisiko minimiert worden; zudem habe sich der Kläger Kreditzinsen erspart. Schließlich seien allfällige Ansprüche verjährt, weil der Kläger Vertreter der Verlassenschaft und in der Folge Gesamtrechtsnachfolger seiner Ehegattin gewesen sei, weshalb eine Wissenszurechnung stattzufinden habe. Das zweite Eventualbegehren sei erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren samt den Eventualbegehren ab. Die Polizzen zu den beiden Lebensversicherungen regelten explizit, dass die Versicherungen bei Ableben der Kreditnehmerin endeten und die Beklagte bezugsberechtigt sei. Zwischen der Beklagten und der Kreditnehmerin sei vereinbart gewesen, dass alle Forderungen der Beklagten durch die beiden Lebensversicherungen und die beiden Wertpapierdepots besichert seien. Die Vorgangsweise der Beklagten (Realisierung der Sicherheiten und Verbuchung des Erlöses auf die Kreditkonten 2 und 3 sowie spätere Überweisung des Restguthabens aus den Kreditkonten 2 und 3 auf das Kreditkonto 1 und entsprechende Teilkonvertierung) sei damit korrekt gewesen. Diese Umstände seien mit Schreiben vom 26. 1. 2015 dem Gerichtskommissär mitgeteilt worden.

Das Berufungsgericht bestätigte (rechtskräftig) die Abweisung des Hauptbegehrens und des ersten Eventualbegehrens. Die abweisende Entscheidung über das zweite Eventualbegehren (Spruchpunkt 2.b im Urteil des Erstgerichts) hob es hingegen auf. Zur Begründung des Aufhebungsbeschlusses führte es unter Bezugnahme auf den unstrittigen Inhalt der Kredit- und Pfandverträge aus, dass im Kreditvertrag 1 eine besondere Tilgungsregel vereinbart worden sei, derzufolge die Ablebensleistung aus der Lebensversicherung 1 von der Beklagten als Bezugsberechtigte zur Rückführung des Fremdwährungskredits 1 verwendet werden müsse. Aufgrund dieser vorrangigen Rückführungsvereinbarung im Kreditvertrag 1, die jeder allgemeinen Verpfändung sowie dem Wahlrecht der Beklagten nach Z 75 der zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgehe, hätte die Beklagte die Ablebensleistung aus der Lebensversicherung 1 somit unverzüglich zur Tilgung des Fremdwährungskredits 1 heranziehen müssen, was aber nicht geschehen sei. Der Kläger habe daher Anspruch darauf, dass das Fremdwährungskreditkonto 1 mit dem Saldo geführt werde, wie er sich bei einer Konvertierung und sofortigen Tilgung nach Einlangen der Ablebensleistung aus der Lebensversicherung 1 ergeben hätte, während er umgekehrt um die rechtsgrundlose Gutschrift aus der Lebensversicherung 1 auf den Kreditkonten 2 und 3 um allfällige Vorteile daraus bereichert sei. Verjährung zu diesem Begehren sei nicht eingetreten, weil nicht ersichtlich sei, woraus der Kläger die vorrangige Tilgungsvereinbarung im Kreditvertrag 1 hätte erkennen können. Zur Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens habe der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 241/17k ausgesprochen, dass bei einem weiterbestehenden Fremdwährungskredit ein Naturalrestitutionsbegehren auf Rückkonvertierung zulässig sei. Auch in einem solchen Fall müsse der Kläger bei Erhebung eines Feststellungsbegehrens darlegen, warum eine Naturalrestitution im Sinn einer rückwirkenden Führung des Kreditkontos mit dem richtigen Saldo unmöglich bzw untunlich sei. Da diese Problematik im erstinstanzlichen Verfahren nicht thematisiert worden sei, müsse die Fassung des noch offenen Begehrens mit den Parteien im fortgesetzten Verfahren erörtert werden. Dies gelte auch für den Einwand der Beklagten, dass die im Fall einer Naturalrestitution erforderliche Vorteilsanrechnung im Hinblick auf die Schließung der Kreditkonten 2 und 3 unmöglich oder zumindest untunlich sei. Die Entscheidung des Erstgerichts sei insoweit aufzuheben. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zu den Fragen, wie weit eine Wissenszurechnung im Sinn des § 1489 ABGB bei einer Gesamtrechtsnachfolge gehe und ob ein Naturalrestitutionsbegehren auch bei einer vertragswidrigen Tilgung mehrerer Kredite mit verschiedenen Sicherheiten in Frage komme, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Beklagten, der auf eine Abweisung auch des zweiten Eventualbegehrens abzielt.

Mit seiner Rekursbeantwortung beantragt der Kläger, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Trotz Zulässigerklärung des Rekurses durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen. Dies ist hier der Fall:

Rechtliche Beurteilung

1. Vertragsverletzung:

Gegenstand des Rekursverfahrens ist nur mehr das zweite Eventualbegehren (Spruchpunkt 2.b im Urteil des Erstgerichts), mit dem festgestellt werden soll, dass die Beklagte für alle Schäden haftet, die zukünftig daraus entstehen, dass sie entgegen der mit der Ehegattin des Klägers getroffenen Tilgungsvereinbarung den aus der Lebensversicherung 1 erlangten Betrag nicht vorrangig zur Tilgung des Fremdwährungskredits 1 verwendet hat.

Die der Beklagten vorgeworfene Vertragsverletzung besteht demnach darin, dass sie eine vereinbarungswidrige Tilgung vorgenommen habe, weil der Erlös aus der Lebensversicherung 1 nicht zur sofortigen Abdeckung des Kredits 1 verwendet worden sei.

2. Vorrang der Rückführungsvereinbarung:

2.1  Das Berufungsgericht geht dabei davon aus, dass die besondere Rückführungsvereinbarung im Kreditvertrag 1 den zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgeht und die Beklagte daher verpflichtet war, die Lebensversicherung 1 unverzüglich nach deren Auflösung zur Abdeckung des Fremdwährungskredits 1 zu verwenden.

2.2  Das im Rekurs dazu ins Treffen geführte Argument, dass Z 75 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 3 Ob 278/08s ein Wahlrecht zwischen sofortiger Konvertierung und Tilgung des besicherten Kredits oder Stehenlassen des Erlöses aus der Kreditsicherheit einräume, trägt nicht. Die Beklagte hat nicht den Erlös aus der in Rede stehenden Kreditsicherheit (Lebensversicherung 1) stehen gelassen, sondern damit sogleich eine Tilgung der Kredite 2 und 3 vorgenommen. Als Vertragsverletzung wird ihr demnach nicht angelastet, dass sie sich für die Kredittilgung entschieden und auf diese Weise von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, sondern dass sie mit dem Erlös aus der Lebensversicherung 1 zunächst den falschen Kredit abgedeckt hat.

2.3  Für die Frage, welcher Kredit mit dem Erlös aus der Lebensversicherung 1 abzudecken war, ergibt sich aus Z 75 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts. Aus diesem Grund stützt sich die Beklagte im gegebenen Zusammenhang weiters darauf, dass sämtliche Sicherheiten (also auch die Lebensversicherung 1) für alle Kredite verpfändet gewesen seien.

Das Berufungsgericht hat sich in Bezug auf die Vorrangigkeit der Rückführungsvereinbarung im Kreditvertrag 1 auf dessen Vertragstext gestützt. Bei dieser Beurteilung handelt es sich um eine Frage der Vertragsauslegung, der in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0042776; RS0044358). Dass das Berufungsgericht von den maßgebenden Auslegungsgrundsätzen abgewichen sei, macht der Rekurs gar nicht geltend.

Zur Vorrangigkeit der spezielleren Rückführungsvereinbarung im Kreditvertrag 1 in Bezug auf die Lebensversicherung 1 zeigt die Beklagte damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3. Verjährung:

3.1  Dazu führt die Beklagte aus, dass die Gesamtrechtsnachfolge (hier des Klägers) auch zu einem Eintritt in das Wissen des Gesamtrechtsvorgängers (hier seiner verstorbenen Ehegattin) führe. Dies bedeute, dass die Verjährung zu Lasten des Nachlasses und des Klägers weitergelaufen sei.

3.2  Die Ehegattin des Klägers ist am 26. 9. 2014 verstorben. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte die Lebensversicherung 1 noch nicht aufgelöst, weshalb die Ehegattin des Klägers von der hier geltend gemachten Vertragsverletzung (vereinbarungswidrige Vorgangsweise bei der Tilgung des Kreditvertrags 1) keine Kenntnis haben konnte. Zum Zeitpunkt des Todes der Ehegattin des Klägers hatte die Verjährung noch nicht begonnen, weshalb es für den Beginn der Verjährungsfrist auf den Kenntnisstand des Klägers ankommt. Dazu vertritt die Beklagte den Standpunkt, dass ihrem Schreiben vom 26. 1. 2015 an den Gerichtskommissär eindeutig zu entnehmen gewesen sei, dass sie den Erlös aus der Lebensversicherung 1 erst später und nur teilweise zur Abdeckung des Kredits 1 verwendet habe.

3.3  Die Verjährung der geltend gemachten Schadenersatzansprüche richtet sich nach § 1489 ABGB und beginnt daher mit Kenntnis von Schaden und Schädiger. Nach dem Zweck dieser subjektiven Verjährungsfrist beginnt diese erst dann zu laufen, wenn der Geschädigte auch tatsächlich die Möglichkeit der Geltendmachung seines Anspruchs hat. Die Kenntnis muss daher den ganzen den Anspruch begründenden Sachverhalt umfassen, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RS0034951; 6 Ob 153/15s mwN). Hat der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für die Haftung maßgebenden Umstände, so beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen (vgl RS0034603; 7 Ob 96/10h).

3.4  Im Anlassfall geht es nicht um die Kenntnis von der Risikoträchtigkeit des Anlageprodukts, sondern um eine vertragswidrige Vorgangsweise bei der Tilgung des Kredits 1. Aus diesem Grund geht der Hinweis der Beklagten auf die verdichtete Medienberichterstattung (zur Aufgabe der Kursstützung durch die Schweizerische Nationalbank) und die dadurch ausgelöste Verjährung fehl.

Für den Kläger, der seit 12. 11. 2014 Vertreter des Nachlasses nach seiner Ehegattin war, war aus dem Schreiben der Beklagten vom 26. 1. 2015 an den Gerichtskommissär der Eintritt eines ersatzpflichtigen Schadens durch Auflösung der Lebensversicherung 1 nicht zu entnehmen. Selbst wenn darin angeführt war, welche Kredite mit welchen Beträgen aus welchen Sicherheiten abgedeckt wurden, ergab sich daraus kein Hinweis auf die hier in Rede stehende Vertragsverletzung und damit auf einen möglichen Schaden (vgl 7 Ob 196/17z). Sollte die Beklagte dahin argumentieren wollen, dass dem Kläger mit dem in Rede stehenden Schreiben die Buchungsvorgänge mitgeteilt worden seien und ihm hinsichtlich der Vertragslage (Rückführungsvereinbarung) das Wissen seiner Ehegattin als Rechtsvorgängerin zuzurechnen sei, so würde sie damit ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen. Für einen juristischen Laien war die vertragswidrige Vorgangsweise der Beklagten bei Tilgung des Fremdwährungskredits 1 aus den unterschiedlichen und komplexen Vertragsgrundlagen nicht durchschaubar, hat doch die Beklagte stets und auch noch im vorliegenden Verfahren den Standpunkt vertreten, sie hätte alle Sicherheiten und damit auch den Erlös aus der Lebensversicherung 1 nach ihrer Wahl für alle Kreditverbindlichkeiten verwenden dürfen. Die Kenntnis der Vertragsgrundlagen wäre damit nicht mit der Kenntnis des Schadens und der anspruchsbegründenden Umstände gleichzusetzen.

3.5  Auch der Hinweis der Beklagten auf eine Erkundigungsobliegenheit des Klägers begründet keine erhebliche Rechtsfrage.

Nach der Rechtsprechung wird in gewissem Umfang eine Erkundigungsobliegenheit dann angenommen, wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann. Die Erkundigungsobliegenheit darf aber nicht überspannt werden. Sie setzt regelmäßig deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt voraus. Es müssen daher konkrete Verdachtsmomente vorliegen, aus denen der Anspruchsberechtigte erschließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden (RS0034327; 7 Ob 95/17x mwN).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass selbst bei Annahme einer Erkundigungsobliegenheit des Klägers – mangels jeglicher Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt – Verjährung nicht eingetreten sei, hält sich insgesamt im Rahmen der Rechtsprechung.

4. Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens:

4.1  Das Berufungsgericht geht – so wie die Beklagte – davon aus, dass das Feststellungsbegehren aufgrund seiner Subsidiarität grundsätzlich unzulässig sei, weil der Kläger im Sinn der Entscheidung zu 6 Ob 241/17k ein Leistungsbegehren auf Naturalrestitution erheben könnte, meint aber, dass diese Frage noch nicht entscheidungsreif und mit den Parteien zu erörtern sei.

4.2  Nach ständiger Rechtsprechung kommt auch in Anlegerfällen (bei Erwerb eines in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts) ein Feststellungsbegehren dann nicht in Betracht, wenn bereits ein Begehren auf Geldersatz oder auf „Naturalrestitution“ (Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übertragung des noch vorhandenen Finanzprodukts an den Schädiger) möglich ist (8 Ob 39/12m; 6 Ob 241/17k). Die Naturalrestitution kann wegen Unzumutbarkeit der Rückabwicklung infolge der Beteiligung Dritter allerdings dann untunlich sein, wenn es um komplexe Finanzprodukte mit mehreren Verträgen und Vertragspartnern geht, etwa bei einer Kombination von Rentenversicherungsfonds, bei fondsgebundener Lebensversicherung und Kreditvertrag oder bei Gesellschaftsverhältnissen (vgl 7 Ob 95/17x; 6 Ob 241/17k).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil es im Anlassfall nicht um einen Schadensfall durch die verwirklichte Risikoträchtigkeit des Anlageprodukts geht.

4.3  In der Entscheidung 6 Ob 241/17k hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass auch bei Geltendmachung des Konvertierungsschadens (bei weiterhin aufrechtem Kreditverhältnis) grundsätzlich (außer bei Unmöglichkeit oder Untunlichkeit) eine auf Naturalrestitution gerichtete Leistungsklage auf Rückkonvertierung und pflichtgemäße Weiterführung des Kreditkontos zu erheben ist, und zwar gerade dann, wenn der rechnerische Schaden noch nicht feststeht und ein reines Zahlungsbegehren daher nicht beziffert werden kann.

Diese Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Fall. Mit Bezug auf das hier noch verfahrensgegenständliche Eventualbegehren hat der Kläger Anspruch auf Fortführung des Kreditkontos 1 mit jenem Saldo, der sich bei pflichtgemäßer Tilgung des Kredits 1 mit dem gesamten Erlös aus der Lebensversicherung 1 zum Zeitpunkt der Auflösung dieses Tilgungsträgers am 29. 12. 2014 ergibt.

4.4  Zur Zulässigkeit des vom Kläger erhobenen Feststellungsbegehrens ist das Berufungsgericht somit von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die erstgerichtliche Entscheidung zu dem in Rede stehenden Eventualbegehren hat es allerdings aufgrund eines von ihm erkannten Erörterungsbedarfs aufgehoben.

Die Frage, ob ein bestimmtes Vorbringen Anlass zu einer Erörterung durch das Gericht gibt, ist einzelfallbezogen und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0114544). Die Voraussetzungen für ein auf „Naturalrestitution“ gerichtetes Schadenersatzbegehren und die Frage der allfälligen Unmöglichkeit oder Untunlichkeit einer „Naturalrestitution“ wurden im erstinstanzlichen Verfahren nicht thematisiert. Die Bejahung eines Erörterungsbedarfs durch das Berufungsgericht hält sich daher im Rahmen der Rechtsprechung. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage der bloß teilweisen Konvertierung des Kredits 1 durch die Beklagte zu erörtern sein. Der Erörterungsbedarf bezieht sich zudem auf die im Rekurs der Beklagten angesprochenen Vorteile des Klägers, die er durch die ursprüngliche Anrechnung des Erlöses aus der Lebensversicherung 1 auf die Kredite 2 und 3 lukriert hat, zumal auch diese Frage im Zusammenhang mit der erfolgten Schließung der Kredite 2 und 3 die Unmöglichkeit bzw Untunlichkeit der Naturalrestitution betrifft.

4.5 Ähnliche Überlegungen gelten für die Frage, ob neben dem allenfalls zu erhebenden Begehren auf „Naturalrestitution“ auch noch ein Feststellungsbegehren im Hinblick auf künftige Schäden denkbar ist.

Nach der Rechtsprechung kommt ein Feststellungsbegehren – zusätzlich zu einem Leistungsbegehren in Form der „Naturalrestitution“ – nur insoweit in Betracht, als der Kläger behauptet und nachweist, dass ihm zusätzlich künftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden entstehen können (8 Ob 66/14k; 6 Ob 241/17k). In dieser Hinsicht ist im fortgesetzten Verfahren noch zu klären, ob nach Durchführung einer allfälligen „Naturalrestitution“ in Form einer rückwirkenden Saldokorrektur zum Kreditkonto 1 (sofortige Tilgung mit dem gesamten Erlös aus der Lebensversicherung 1) künftige Schäden im Zusammenhang mit einem Wechselkursrisiko oder einem Wertverlust des Tilgungsträgers überhaupt noch in Betracht kommen.

5. Schlüssigkeit des Klagebegehrens:

5.1  Auch zu der im Rekurs der Beklagten bestrittenen Schlüssigkeit des klägerischen Vorbringens zum Eintritt des geltend gemachten Schadens liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor.

Ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass dieses als Anspruchsgrundlage hinreicht, bzw wieweit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage zukommt (RS0042828). Der Kläger bezieht den noch geltend gemachten Schaden auf jenen Betrag, den er aufwenden müsse, wenn er den Kredit am 31. 8. 2020 zur Gänze zurückzahle, im Verhältnis dazu, was er aufwenden hätte müssen, wenn der Erlös aus der Lebensversicherung 1 ordnungsgemäß auf das Kreditkonto 1 gebucht worden wäre. Der weitere Schaden bestehe darin, dass er aufgrund der vertragswidrigen Vorgangsweise der Beklagten im Zeitpunkt der Fälligkeit des Kredits 1 am 31. 8. 2020 einen höheren Betrag zur Abdeckung des Fremdwährungskredits aufwenden müsse. Damit macht der Kläger einen Zinsschaden sowie einen Wechselkursschaden geltend, den er auf den Zeitpunkt der Fälligkeit des Kredits 1 am 31. 8. 2020 bezieht. Wie bereits ausgeführt, ist die Frage der Fassung des noch offenen Begehrens mit Rücksicht auf die dargelegten Grundsätze Gegenstand der Erörterung im fortgesetzten Verfahren.

6. Widerspruch zwischen Eventualbegehren und Hauptbegehren:

Entgegen der Ansicht des Beklagten liegt im Anlassfall keine (kumulierte) Klagenhäufung vor (vgl dazu 4 Ob 105/19y), sondern der Kläger hat zusätzlich zu seinem Hauptbegehren zwei Eventualbegehren (vgl dazu RS0037585) erhoben. Bei einem Eventualbegehren handelt es sich um eine Eventualklagenhäufung, bei der ein Klagsanspruch erstrangig und ein anderer Klagsanspruch nur für den Fall der Erfolglosigkeit des erstrangigen Anspruchs gestellt wird. Dabei kann es sich um gleiche, aber auch um in Widerspruch zueinander stehende oder einander sogar ausschließende Klagegründe handeln (RS0074353; vgl auch RS0037657).

7.  Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der Rekurs war daher zurückzuweisen.

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