OGH 21Ns1/19p

OGH21Ns1/19p24.1.2020

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 24. Jänner 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Univ.‑Prof. Dr. Harrer und Dr. Pressl als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, AZ DISZ/3‑18 des Disziplinarrats der Salzburger Rechtsanwaltskammer, über den Antrag des Beschuldigten auf Übertragung der Durchführung des Disziplinarverfahrens an einen anderen Disziplinarrat nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0210NS00001.19P.0124.000

 

Spruch:

(1) Der Antrag des Beschuldigten, die Durchführung des Disziplinarverfahrens einem anderen Disziplinarrat zu übertragen, wird abgewiesen.

(2) Zur Entscheidung über das Vorliegen von Ausschließungs‑ oder Befangenheitsgründen betreffend den Präsidenten des Disziplinarrats der Salzburger Rechtsanwaltskammer werden die Akten zunächst der Präsidentin des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung vorgelegt.

 

Gründe:

Bei der (gemäß § 7 Abs 1 zweiter Satz EIRAG zuständigen) Salzburger Rechtsanwaltskammer ist gegen *****, Rechtsanwalt in *****, ein Disziplinarverfahren anhängig. Der am 9. Oktober 2019 gefasste Einleitungsbeschluss (ON 14) wurde dem Beschuldigten am 6. November 2019 zugestellt (ON 15). Am 21. November 2019 beantragte dieser die Übertragung der Durchführung des Disziplinarverfahrens an einen anderen Disziplinarrat (ON 18).

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 25 Abs 1 erster Satz DSt kann die Durchführung des Disziplinarverfahrens wegen Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrats oder aus anderen wichtigen Gründen auf Antrag des Beschuldigten, des Kammeranwalts oder des Disziplinarrats selbst einem anderen Disziplinarrat übertragen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre ist eine Übertragung aus dem Grund der Befangenheit (§ 25 Abs 1 erster Satz erster Fall DSt) nur dann statthaft, wenn entweder der gesamte Disziplinarrat oder so viele seiner Mitglieder befangen sind, dass dieser nicht mehr beschlussfähig ist (10 Bkd 2/07, AnwBl 2008, 222; RIS‑Justiz RS0056885 und RS0083346, jüngst 30 Ns 2/19a; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 [2018] § 25 DSt Rz 2). Indem der Beschuldigte auf Umstände Bezug nimmt, die aus seiner Sicht die Befangenheit des Vorsitzenden und des Berichterstatters des Disziplinarrats indizieren, entfernt er sich somit von den Kriterien des insoweit angesprochenen Übertragunsgrundes.

Die Ablehnung des Kammeranwalts durch den Beschuldigten ist gesetzlich nicht vorgesehen und daher nicht möglich (Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 [2018] § 26 DSt Rz 25 mwN).

Einen wichtigen Übertragungsgrund im Sinn des zweiten Falls des § 25 Abs 1 erster Satz DSt stellt weder der in ***** gelegene Kanzleisitz des Beschuldigten (vgl RIS‑Justiz RS0119215) noch die angeblich bisher mangelhafte Aktenführung (vgl RIS‑Justiz RS0119215 [T3]) dar.

Der Antrag, die Durchführung des Disziplinarverfahrens einem anderen Disziplinarrat zu übertragen, war daher abzuweisen.

Die Entscheidung über das behauptete Vorliegen von Ausschließungs‑ oder Befangenheitsgründen betreffend den Präsidenten des Disziplinarrats der Salzburger Rechtsanwaltskammer kommt der Präsidentin des Obersten Gerichtshofs zu (§ 26 Abs 5 zweiter Satz DSt).

Über die allfällige Ausgeschlossenheit oder Befangenheit des Berichterstatters wird der Präsident des Disziplinarrats zu entscheiden haben (§ 26 Abs 5 erster Satz DSt).

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