OGH 8Ob119/19m

OGH8Ob119/19m24.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* H*, vertreten durch Dr. Martin Brandstetter Rechtsanwalt GmbH in Amstetten, gegen die beklagte Partei S* AG, *, vertreten durch Dr. Peter Karlberger, Dr. Manfred Wiener, Mag. Wilfried Opetnik, Mag. Petra Rindler, Mag. Christoph Henseler, Rechtsanwälte in Wien, wegen 169.049,17 EUR sA, über die Revision und den Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juli 2019, GZ 2 R 49/19v‑67, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31. Jänner 2019, GZ 47 Cg 77/15y‑63, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E127374

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision und der Rekurs werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Beklagte war als Generalunternehmerin mit der Errichtung einer Wohnhausanlage beauftragt. Die Auftragssumme betrug rund 8,7 Mio EUR. Als pönalisierter Fertigstellungstermin war der 16. 2. 2015 vereinbart.

Die Beklagte beauftragte den Kläger als Subunternehmer mit der Anfertigung und Montage der Wohnungseingangs- und Innentüren. Die Auftragssumme dieses Werkvertrags belief sich auf rund 120.000 EUR netto. Es war ein voraussichtlicher Leistungszeitraum von September 2014 bis November 2014 vereinbart, sowie eine Pönale für „Zwischentermine und Endtermin“ von 0,5 % der Auftragssumme je Kalendertag, „maximal 5 %“.

Der Kläger hat seine Leistungen letztlich erst am 25. 3. 2015 abgeschlossen. Die Beklagte konnte das Bauvorhaben „insbesondere“ im Hinblick auf die verspäteten Leistungen des Klägers dem Bauherrn erst am 23. 4. 2015 übergeben. Dieser zog der Beklagten deswegen von ihrer Generalunternehmer-Schlussrechnung ein (im Verhandlungsweg reduziertes) vereinbartes Pönalevon 180.000 EUR ab.

Der Kläger begehrt restlichen Werklohn von 169.049,17 EUR. Die Beklagte wandte mehrere Gegenforderungen aufrechnungsweise ein, darunter 7.595,39 EUR an Pönale aufgrund des Subunternehmervertrags der Streitteile sowie 180.000 EUR als Schadenersatz für den Pönalabzug, den die Beklagte von Seiten des Bauherrn hinzunehmen hatte. Der Kläger wandte unter anderem ein, die Verschiebung des Fertigstellungstermins sei auf Änderungswünsche der Bestellerseite zurückzuführen gewesen.

Das Erstgericht stellte fest, dass die Klagsforderung mit 151.907,77 EUR und die Gegenforderung von 180.000 EUR bis zu dieser Höhe zu Recht bestünden und wies das Klagebegehren ab.

Die Verzögerung der Übergabe sei zu einem wesentlichen Teil auf vom Kläger zu verantwortende Mängelbehebungen zurückzuführen gewesen. Er hafte aufgrund schuldhafter Vertragsverletzung auch für die der Beklagten von ihrem Auftraggeber verrechnete Pönalzahlung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und sprach aus, dass die Klagsforderung mit 86.277,99 EUR zu Recht und mit 17.141,40 EUR ebenso wie die mit 180.000 EUR bezifferte Gegenforderung nicht zu Recht bestehe.

Es verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 86.277,99 EUR samt Zinsen unter Abweisung des Mehrbegehrens von 17.141,40 EUR. Hinsichtlich der restlichen Klagsforderung von 65.629,78 EUR wies es die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Die (unangefochten gebliebene) Teilabweisung des Klagebegehrens betrifft vom Kläger selbst zu tragende Mängelbehebungskosten. Hinsichtlich der übrigen Klagsforderung erachtete das Berufungsgericht weitere Feststellungen für erforderlich, um zur Spruchreife zu gelangen.

Bei Beurteilung der Gegenforderung sei zwischen dem Anspruch der Beklagten aus dem Subunternehmervertrag einschließlich der Schadenersatzansprüche aus Vertragsverletzung einerseits und einem Regressanspruch nach § 1313 Satz 2 ABGB andererseits zu unterscheiden. Nur letzterer Anspruch werde von der erstgerichtlichen Entscheidung umfasst. Nach Ansicht des Berufungsgerichts liege der geltend gemachte Schaden, der eine seine eigene Auftragssumme weit übersteigende Haftung des Klägers zur Folge hätte, außerhalb des Schutzzwecks des Subunternehmervertrags. Eine solche Haftungserweiterung sei aber auch dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrag nicht zu entnehmen.

Der Rekurs und die ordentliche Revision seien zuzulassen, weil in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt sei, ob die Pflicht des Subunternehmers zur verzugsfreien Werkleistung im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit einem Pönaleschaden stehe, der dem Generalunternehmer aus seinem Verzug gegenüber dem Bauherrn erwächst.

Die vom Kläger beantwortete Revision der beklagten Partei strebt die Feststellung des Zurechtbestehens ihrer Gegenforderung und die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung an.

Ungeachtet seiner Bezeichnung als „Revision“ ist das Rechtsmittel nach seinem Inhalt und Anfechtungsumfang auch als Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts zu behandeln.

Die Revision und der Rekurs sind jedoch entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Gegen Grund und Höhe der mit dem Teilurteil als berechtigt festgestellten Klagsforderung wendet sich das Rechtsmittel nicht.

2. Die in der Zulassungsbegründung dargelegte und von der Revision aufgegriffene Rechtsfrage, welche Voraussetzungen für die Haftung des Subunternehmers bei schuldhaften Leistungsverzug im Allgemeinen erfüllt sein müssen und welche konkreten Schäden des Auftragnehmers vom Rechtswidrigkeitszusammenhang erfasst wären,ist unter den im vorliegenden Fall festgestellten Umständen nicht entscheidungserheblich.

3. Die Streitteile haben in ihrem streitgegenständlichen Werkvertrag eine Vertragsstrafe iSd § 1336 ABGB für den Fall des Leistungsverzugs des Klägers vereinbart, die nach der Dauer des Verzugs tageweise gestaffelt, insgesamt aber mit höchstens 5 % der Auftragssumme begrenzt war.

Eine Vertragsstrafe ist ein für einen definierten Anlassfall vereinbarter pauschalierter Schadenersatz. Sie soll einerseits den Schuldner zur korrekten Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlassen und andererseits dem vereinfachten Ausgleich der dem Gläubiger aus einer trotzdem erfolgten Vertragsverletzung erwachsenden Nachteile durch Pauschalierung seines Schadenersatzanspruchs dienen (RIS‑Justiz RS0032072 [T7]; RS0032013 [T7]).

Die Konventionalstrafe gebührt (von der Möglichkeit einer richterlichen Mäßigung abgesehen) auch dann, wenn kein oder ein geringerer Schaden eingetreten ist (RS0032103). Es kann seit dem Inkrafttreten des § 1336 Abs 3 ABGB in der Fassung des HRÄG BGBl I 120/2005 grundsätzlich neben einer Konventionalstrafe auch den Ersatz eines übersteigenden Schadens geltend machen (RS0032198).

4. Diese Regelung stellt aber dispositives Recht dar. Die Vertragsparteien können die Möglichkeit, einen die Konventionalstrafe übersteigenden Schaden geltend zu machen, auch beschränken (ua 9 Ob 117/03a [nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit]). Die Beurteilung, ob und unter welchen Voraussetzungen ein übersteigender Schaden nach § 1336 Abs 3 ABGB zu ersetzen ist, hängt dann von der Auslegung der zugrundeliegenden Vertragsbestimmung im Einzelfall ab (9 Ob 36/12b; 9 ObA 87/18m).

Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste. Bewegt sich das Berufungsgericht im Rahmen der Grundsätze einer ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und trifft es seine Entscheidung ohne krasse Fehlbeurteilung, dann liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RS0044088 [T8, T9]).

5. Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen. Dabei ist aber nicht stehen zu bleiben, sondern auch der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RS0017915 [T1]).

Im Anlassfall haben die Streitteile einerseits einen Pauschalbetrag pro Tag des Leistungsverzugs des Klägers vereinbart, andererseits einen Höchstbetrag des Pönales im Ausmaß von 5 % der Auftragssumme. Eine solche Begrenzung dient offenkundig dazu, für den Leistungspflichtigen Rechtssicherheit in Bezug auf die Höhe der allenfalls drohenden Vertragsstrafe zu schaffen (4 Ob 137/11t). Hinzu kommt, dass die Beklagte bei Abschluss dieser Vereinbarung auch bereits wusste, dass ihre eigene Pönalevereinbarung mit dem Bauherrn eine wesentlich höhere Vertragsstrafe vorsah, die im Verzugsfall das mit dem Kläger vereinbarte Limit übersteigen konnte.

Wenn das Berufungsgericht den Werkvertrag der Streitteile im Ergebnis dahin ausgelegt hat, dass ihm kein Anhaltspunkt für eine Abgeltung eines über den vereinbarten Höchstbetrag hinausgehenden immensen Haftungsrisikos zu entnehmen ist und redliche Parteien dem Vertrag einen solchen Inhalt nicht beimessen, hat es sich damit im dargelegten Rahmen der Grundsätze der Vertragsauslegung gehalten.

Davon ausgehend kommt den im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts und in der Revision dargelegten Rechtsfragen nur theoretische Bedeutung zu.

6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 4 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte