OGH 7Ob2/20z

OGH7Ob2/20z22.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen N* C*, geboren am * 2003, wohnhaft bei der Mutter A* C*, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Perg als Kinder‑ und Jugendhilfeträger, 4320 Perg, Dirnbergerstraße 11, Vater Am* C*, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 29. Oktober 2019, GZ 15 R 308/19y‑36, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Perg vom 12. Juni 2019, GZ 3 Pu 144/16z‑30, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127415

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt lauten:

„Der monatliche Unterhaltsbetrag für die Minderjährige N* C* wird im Zeitraum vom 1. 10. 2018 bis 31. 12. 2018 von bisher 441 EUR um 89 EUR auf 530 EUR und ab 1. 1. 2019 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit von bisher 441 EUR um 129 EUR auf 570 EUR erhöht.

Der Vater ist bei sonstiger Exekution verpflichtet, der Minderjährigen den angeführten Erhöhungsbetrag jeweils am Ersten eines Monats im Voraus und die bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Beschlusses, zu Handen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters, derzeit Bezirkshauptmannschaft Perg, zu zahlen.

Das Mehrbegehren, den Unterhalt im Zeitraum vom 1. 10. 2018 bis 31. 12. 2018 um weitere 5 EUR und ab 1. 1. 2019 um weitere 10 EUR zu erhöhen, wird abgewiesen.“

 

Begründung:

Die Minderjährige beantragte am 13. 5. 2019 in Abänderung des Beschlusses des Bezirksgerichts Perg vom 12. 9. 2016, GZ 3 Pu 144/16z‑27, den monatlichen Unterhalt von bisher 441 EUR im Zeitraum 1. 10. 2018 bis 31. 12. 2018 auf 535 EUR und ab 1. 1. 2019 auf 580 EUR zu erhöhen. Der Vater, der als Härtereimitarbeiter bei der Z* GmbH beschäftigt sei, habe im Jahr 2018 ein monatliches Nettoeinkommen von 2.842,16 EUR erzielt. Ab Jänner 2019 erhöhe der halbe Familienbonus Plus (62,50 EUR) das monatliche Einkommen auf 2.904,66 EUR. Nach Abzug einer weiteren Sorgepflicht stünden der Minderjährigen 20 % der Bemessungsgrundlage an Unterhalt zu. Nach Durchführung der Familienbeihilfenanrechnung ergebe sich für das Jahr 2018 ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 535 EUR und ab Jänner 2019 ein solcher in Höhe von 580 EUR.

Der Vater, dem der Antrag zur allfälligen Äußerung nach § 17 AußStrG zugestellt worden war, äußerte sich in der festgesetzten Frist nicht.

Mangels Einwendungen gemäß § 17 AußStrG legte das Erstgericht das Vorbringen der Minderjährigen seiner Entscheidung zugrunde und erhöhte ab 1. 10. 2018 bis auf weiteres den monatlichen Unterhalt von bisher 441 EUR auf nunmehr 530 EUR. Das Mehrbegehren für den Zeitraum 1. 10. 2018 bis 31. 12. 2018 von weiteren 5 EUR und ab 1. 1. 2019 von weiteren 50 EUR monatlich wies es ab. Unter Heranziehung der Prozentwertmethode, der Bemessungsgrundlage von 2.842,16 EUR und unter teilweiser Anrechnung der von der Mutter bezogenen Familienbeihilfe setzte es den monatlichen Unterhaltsbetrag mit 530 EUR fest. Von einer Anspannung auf den (halben) Familienbonus Plus (62,50 EUR/monatlich) ab 2019 nahm es Abstand.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung teilweise dahin ab, dass es den monatlichen Unterhaltsbetrag im Zeitraum vom 1. 10. 2018 bis 31. 12. 2018 von bisher 441 EUR um 89 EUR auf 530 EUR und ab 1. 1. 2019 bis auf weiteres von 441 EUR um 99 EUR auf 540 EUR erhöhte. Das Mehrbegehren, den Unterhalt im Zeitraum 1. 10. 2018 bis 31. 12. 2018 um weitere 5 EUR und ab 1. 1. 2019 um weitere 40 EUR zu erhöhen, wies es ab. Hinsichtlich des Zeitraums bis 31. 12. 2018 sei der Unterhalt vom Erstgericht richtig bemessen worden. Da dieser nicht berechnet, sondern ausgemittelt werde, komme eine Abänderung des mit 530 EUR festgesetzten Unterhalts auf 535 EUR nicht in Betracht. Betreffend den Zeitraum ab 1. 1. 2019 ging das Rekursgericht davon aus, dass der Familienbonus Plus zwingend geteilt werden solle, wenn der Familienbeihilfenberechtigte und der Steuerpflichtige mit einem Unterhaltsabsetzbetrag den gesetzlichen Unterhalt tatsächlich und in voller Höhe leiste; für jene Monate, in denen die gesetzliche Unterhaltspflicht erfüllt werde, solle dem Unterhaltszahler der halbe Familienbonus Plus zustehen. Bei einem Bezug des Familienbonus Plus jeweils zur Hälfte sei weiterhin die steuerliche Entlastung durchzuführen und der Familienbonus Plus (nur) bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Behandlung des Familienbonus Plus bestehe, sofern die Anrechnung von Transferleistungen nicht bereits durch die Unterhaltsabsetzbeträge für die Minderjährigen ausreichend gewährleistet sei.

Mit ihrem dagegen erhobenen Revisionsrekurs strebt die Minderjährige eine Abänderung dahin an, dass die Unterhaltsverpflichtung für den Zeitraum 1. 10. 2018 bis 31. 12. 2018 mit 535 EUR, jene für den Zeitraum 1. 1. 2019 bis 30. 4. 2019 mit 593 EUR und ab 1. 5. 2019 mit 585 EUR festgesetzt werde. In eventu sei der monatliche Unterhaltsbetrag ab 1. 1. 2019 auf 580 EUR zu erhöhen.

Der Vater hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch teilweise berechtigt.

1. Voranzustellen ist, dass die erstmals im Revisionsrekurs erfolgte Ausdehnung des Antrags unbeachtlich ist, weil wegen des Neuerungsverbots eine Änderung des Begehrens im Rechtsmittelverfahren nicht in Betracht kommt (vgl G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, Kommentar zum AußStrG2 § 11 Rz 78).

2.1 Die Vorinstanzen haben – dem Standpunkt der Minderjährigen folgend – für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs im Zeitraum 1. 10. 2018 bis 31. 12. 2018 die Formel „Unterhaltsanspruch = Prozentunterhalt minus (Prozentunterhalt x Grenzsteuersatz x 0,04) plus Unterhaltsabsetzungsbetrag plus Steuerersparnis durch Kinderfreibetrag“ herangezogen. Danach errechnet sich der monatliche Unterhaltsbetrag mit 533,73 EUR.

2.2 Die Minderjährige releviert nun, dass in diesem Fall der monatliche Unterhaltsbetrag mit gerundet 535 EUR festzusetzen gewesen wäre. Zutreffend verwies bereits das Rekursgericht darauf, dass der Unterhalt nicht exakt mathematisch zu berechnen, sondern vielmehr nach den von Billigkeitsüberlegungen getragenen Rechtsprechungsgrundsätzen im Einzelfall auszumitteln ist, weshalb es auch der Rechtsprechung entspricht, dass kaum ins Gewicht fallende Erhöhungs‑ oder Herabsetzungsbeträge bei der Unterhaltsbemessung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben (4 Ob 142/19i mzwN). Das Vorgehen des Rekursgerichts im vorliegenden Fall, den Betrag von 5 EUR (= unter 1 %) als im Rundungsbereich liegend zu qualifizieren und eine Erhöhung um diesen Betrag nicht vorzunehmen, ist nicht zu beanstanden (vgl 6 Ob 15/09p; 4 Ob 142/19i; 7 Ob 146/19z).

3.1 Nach nunmehr einhelliger oberstgerichtlicher Judikatur (4 Ob 150/19s; 3 Ob 160/19d; 7 Ob 139/19w; 8 Ob 80/19a; 9 Ob 95/18p) handelt es sich beim Familienbonus Plus – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag. Der Gesetzgeber hat den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die erwähnten steuergesetzlichen Maßnahmen herbeizuführen. Dadurch findet eine Entkoppelung von Unterhalts‑ und Steuerrecht statt. Die verfassungsrechtlich gebotene steuerrechtliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen erfolgt nunmehr durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag. Der Familienbonus Plus ist nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen; eine Anrechnung von Transferleistungen findet nicht mehr statt. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag bleiben damit unterhaltsrechtlich neutral.

3.2 Demnach ist der Familienbonus Plus bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht zu berücksichtigen. In Anwendung der oben dargestellten Rechtslage hat allerdings nunmehr auch die Anrechnung der Transferleistungen zu entfallen. Die Minderjährige hat daher Anspruch auf 20 % des monatlichen Nettoeinkommens ihres Vaters. Ausgehend von der (vom Familienbonus Plus bereinigten und der Höhe nach unstrittigen) Unterhaltsbemessungsgrundlage von 2.842,16 EUR ergibt sich damit ein Unterhaltsbetrag von gerundet 570 EUR. Damit war dem Revisionsrekurs teilweise Folge zu geben und die monatliche Unterhaltspflicht ab 1. 1. 2019 mit 570 EUR festzusetzen.

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