OGH 11Ns78/19p

OGH11Ns78/19p21.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Jänner 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Adlan und Khamzat M***** wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 (§ 278 Abs 3 dritter Fall) StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 13 Hv 126/19a des Landesgerichts Leoben, über Vorlage gemäß § 215 Abs 4 StPO durch das Oberlandesgericht Graz, AZ 1 Bs 160/19t, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0110NS00078.19P.0121.000

 

Spruch:

Die Sache wird dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift übermittelt.

 

Gründe:

Mit Anklageschrift vom 28. Oktober 2019 (ON 88) legt die Staatsanwaltschaft Leoben Adlan und Khamzat M***** die Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 (§ 278 Abs 3 dritter Fall, bei Adlan M***** auch zweiter Fall) StGB (A), der kriminellen Organisation nach § 278a (§ 278 Abs 3 dritter Fall, bei Adlan M***** auch zweiter Fall) StGB (B) und der Ausbildung für terroristische Zwecke nach § 278e Abs 2 StGB (C) zur Last.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen erhob Khamzat M***** Einspruch aus dem Grund des § 212 Z 6 StPO (ON 93).

Mit Beschluss vom 10. Dezember 2019, AZ 1 Bs 160/19t, legte das Oberlandesgericht Graz – nach Verneinen der Einspruchsgründe der Z 1 bis 5, 7 und 8 des § 212 StPO – die Akten gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vor, weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei.

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 37 Abs 1 erster Satz StPO ist im Fall gleichzeitiger Anklage mehrerer beteiligter Personen (§ 12 StGB) oder einer Person wegen mehrerer Straftaten das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Dabei ist unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere, unter Gerichten gleicher Ordnung jenes mit Sonderzuständigkeit für alle Verfahren zuständig, wobei das Gericht, das für einen unmittelbaren Täter zuständig ist, das Verfahren gegen Beteiligte an sich zieht (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO). Im Übrigen kommt das Verfahren im Fall mehrerer Straftaten dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO). Wenn jedoch für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Gericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll, so ist dieses Gericht zuständig (§ 37 Abs 2 dritter Satz StPO).

Nach dieser Gesetzessystematik normiert der dritte Satz des § 37 Abs 2 StPO eine Ausnahme zum zweiten, nicht jedoch zum ersten Satz dieser Bestimmung (RIS‑Justiz RS0124935 und RS0125227).

Primärer Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit im Hauptverfahren ist der Ort, an dem die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte (§ 36 Abs 3 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0127231). Erstreckt sich die den gesetzlichen Tatbestand erfüllende Verhaltensweise über mehrere Orte, gibt jener den Ausschlag, an dem die deliktische Handlung beendende Tätigkeit, also in der Regel die letzte Ausführungshandlung stattgefunden hat (RIS‑Justiz RS0130107, RS0091795 [T1, T3]).

Fallbezogen bedeutet dies, dass für die Frage der örtlichen Zuständigkeit jene strafbaren Handlungen (§ 211 Abs 1 Z 2 StPO) maßgeblich sind, die sachlich in die Zuständigkeit des Schöffengerichts fallen, also die den (vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0124166) Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 (§ 278 Abs 3 dritter Fall, bei Adlan M***** auch zweiter Fall) StGB subsumierten Anklagevorwürfe A (§ 31 Abs 3 Z 1 StPO).

Da die Anklageschrift hinsichtlich dieser Vorwürfe ausschließlich einen präsumtiven Tatort im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Oberlandesgerichts Wien nennt (ON 88 S 7), hat – in Übereinstimmung mit den trefflichen Ausführungen des vorlegenden Oberlandesgerichts und der Stellungnahme der Generalprokuratur – dieses Gericht über den Einspruch zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0124585).

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