OGH 14Os115/19x

OGH14Os115/19x3.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Jäger im Verfahren zur Unterbringung des Christian B***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 20. August 2019, GZ 38 Hv 84/19s‑47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00115.19X.1203.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgerichts Salzburg verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Christian B***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

Danach hat er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer anhaltend wahnhaften Störung, aggraviert durch einen Zustand nach Alkoholmissbrauch, beruht, am 14. März 2019 in S***** Bedienstete des Plasmazentrums S***** gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihnen E‑Mails mit folgendem Inhalt übermittelte:

1. „Ich werde Plasma S***** in den MEDIEN zerlegen auslöschen. Wenn ich bis morgen Mittag keine Gegenreaktionen erhalte. ICH zerlege EUCH in EURE BESTANDTEILE EURE ENTSCHEIDUNG. ICH habe nichts BÖSES Gesagt überlegt gut wie ihr entscheidet. HOCHMUT nicht ANGEBRACHT. B***** THOMAS“;

2. „Es liegt nicht der geringste Grund auf. Kein Kunde hat sich beschwert Nur eure dumme nicht kompetente Mitarbeiterin Morgen bei keiner positiven Rückmeldung. Wartet ab was kommt. Nicht mit Thomas B*****. Mein MENTOR. Morgen Nachmittag bekommt ihr Geschenk serviert. KOSTENLOS. Was bin ich für ein SOZIALER MENSCH. Wenn ihr wollt machen wir KRÄFTEMESSEN. Abwarten was herauskommt. Ich weiß es schon“;

3. „Ich weiß in EUREN GRÖSSENWAHN seit ihr EUCH sicher. Ab morgen 12 Uhr wisst IHR ALLES“;

 

und somit eine Tat begangen, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen ist im Recht.

Zutreffend zeigt die Tatsachenrüge (Z 5a) mit dem Hinweis auf den Wortlaut des ersten Satzes der Äußerungen des Betroffenen und auf dessen Verantwortung auf, dass sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Bedrohung von Bediensteten des Plasmazentrums S***** mit dem Tod (US 4 iVm US 1) und der darauf bezogenen subjektiven Tatseite (US 4) ergeben. Denn aus der vom Betroffenen gewählten Einleitung, er werde „Plasma S***** in den Medien zerlegen auslöschen“, ist nach allgemeinem Sprachverständnis keine Ankündigung eines Anschlags auf das Leben der Mitarbeiter des genannten Unternehmens, vielmehr die einer geplanten Medienkampagne gegen das Unternehmen mit negativen wirtschaftlichen Folgen für dieses ableitbar. Zum dritten Satz der Äußerungen („Ich zerlege Euch in Eure Bestandteile …“) wiederum ist zu beachten, dass der Bedeutungsinhalt einer inkriminierten Äußerung nicht isoliert aus dem bloßen Wortlaut, sondern nach deren Wortsinn aus dem Gesamtzusammenhang der damit inhaltlich im Konnex stehenden Ausführungen (und den Begleitumständen) zu ermitteln ist (vgl 15 Os 172/08w = RIS‑Justiz RS0092588 [T39]). Die Verwendung des Wortes „zerlegen“ sowohl im ersten als auch im dritten Satz weist aber a priori nicht darauf hin, dass damit verschiedene Begehungsformen und verschiedene Adressaten der Übelszufügung angesprochen worden seien. Zumal auch alle– per E‑Mail an die Adresse des Unternehmens versandten – weiteren Ankündigungen – für sich betrachtet – völlig unbestimmt sind (vgl 15 Os 189/10y), liegt daher insgesamt– gemessen an allgemeinen Erfahrungs- und Vernunftsätzen – eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung hinsichtlich der Feststellungen zum (für die Beurteilung als Anlasstat nach § 21 Abs 1 StGB entscheidenden, weil die Qualifikation nach Abs 2 des § 107 StGB begründenden) Bedeutungsinhalt der Drohungen und der darauf bezogenen subjektiven Tatseite qualifiziert nahe (RIS‑Justiz RS0118780 [T4]), sodass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen war. Mit seiner Berufung war der Betroffene auf diese Entscheidung zu verweisen.

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