European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00172.19S.1127.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Der Kläger ist ein international bekannter Dirigent, dessen Funktion als künstlerischer Leiter der ***** Festspiele ***** derzeit ruht. Sein akademischer Grad eines Doktors der Philosophie, der ihm aufgrund seiner im Jahr 1969 an der Universität S***** eingereichten Dissertation verliehen worden war, wurde ihm nicht entzogen oder aberkannt.
Der Beklagte ist Publizist und Inhaber des öffentlichen Blogs „d*****“. Seit Mitte Februar 2018 veröffentlicht er dort Berichte über angebliche Missstände bei den ***** Festspielen *****. Aus diesen Veröffentlichungen resultierten zahlreiche zivilrechtliche Klagen gegen den Beklagten, von denen einige noch anhängig sind.
Am 12. 3. 2018 veröffentlichte der Beklagte in seinem Blog auf „www.d *****“ sowie auf der Facebook‑Seite von „d*****“ und seinem Twitter‑Account drei nebeneinander gereihte Porträtfotos von (in dieser Reihenfolge von links nach rechts) Theodor zu Guttenberg, Annette Schavan und dem Kläger mit dem darunter stehenden Text „Willkommen im Club“. Auf Facebook lautet der über den Fotos befindliche einleitende Text wie folgt: „***** [Kläger] und seine Dissertation – voller versteckter Plagiate. Zu schlecht versteckt, jetzt aufgedeckt (erste Tranche)“, danach folgt ein Link auf „d*****“. Auf Twitter befindet sich oberhalb der Lichtbilder nachstehender Text: „***** [Kläger] hat schon bei seiner Dissertation hoch gestapelt, sehr hoch. Eine erste Serie von Plagiatstellen gibts jetzt unter: [...]“, wobei auch hier der Link auf „d*****“ folgt.
Auf www.d ***** findet sich ab 12. 3. 2018 auf der Startseite rechts neben der erwähnten bildlichen Darstellung folgender Text:
„ Er auch: ***** [Kläger] schon sehr frühe Übergriffe
Es ist Hochstapelei. Von Anfang an.
Es ist Missbrauch. Es sind Übergriffe. Missbrauch anderer. Übergriffe auf deren geistiges Eigentum. Grapschen. Grenzüberschreiten. Rücksichtslos. Es ist *****. Der Charakter zeigt sich schon in jungen Jahren. Und wächst sich aus zum Ungetüm. ***** hatte, wie hier vorerst an einem kleinen Beispiel gezeigt wird, seine Finger allüberall. Seine Klauen [mehr...] .“
Im verlinkten Beitrag wird zunächst die oben wiedergegebene Einleitung wiederholt, dann geht es auszugsweise (soweit vorliegend relevant) mit folgendem Inhalt weiter:
„[...] 1969 schreibt ***** seine Dissertation. Ab. Über weite Strecken. Das ist der Befund nach der Auswertung einer einzigen Quelle, eines knappen lexikalischen Eintrags, der sich gleich in über zwanzig Plagiatsfragmenten in ***** Arbeit, ***** Abschreibarbeit niederschlägt. Die Vorlage, bei der er sich so übergriffig bedient, zum größeren Teil wortwörtlich, zum kleineren Teil leicht umformulierend, wird von ihm nirgendwo erwähnt, der Name des Autors findet sich weder irgendwo beiläufig im Text *****, noch in einer Fußnote, noch unter den Literaturangaben.“
Es folgt das Deckblatt der Dissertation des Klägers unter einer bildlich dargestellten Lupe und danach eine tabellarische Darstellung, in der einzelne konkrete Stellen der Dissertation ohne angeführte Quelle/Zitat den entsprechenden Stellen aus den Originalwerken, die nicht als Quellen zitiert wurden, gegenübergestellt werden. Diese Aufstellung findet sich – neben weiteren Inhalten – auch in einem von Doz. Dr. ***** erstellten Privatgutachten über die Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis in der Dissertation des Klägers.
Danach geht der Beitrag des Beklagten so weiter:
„Diss qualifikation?
Wenn ***** hier schon so dreist und dummdreist abgeschrieben hat, von wo hat er dann noch überall abgeschrieben? Und wieviel? Das bedarf einer viel eingehenderen Untersuchung, als ich sie hier zu leisten vermag. Mein kleiner Textvergleich kann nur ein Anstoß sein. Es steht ja die Eigenautorschaft der gesamten Doktorarbeit und damit ***** Doktortitel in Frage.
Die Universität S*****, welche die Dissertation 1970 approbiert hat, ist gut beraten, diese von einem Experten wie dem sehr bekannten Plagiatsforscher ***** von A–Z, wie sagt man 'screenen' zu lassen.
Schließlich fällt die Schmach, so etwas wie ***** zusammengestoppeltes, zusammengestohlenes Werk als wissenschaftliche Doktorarbeit akzeptiert zu haben, auf die dortige Alma Mater zurück.
[...]“
Die Kommission der Universität S***** zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis beschäftigte sich in mehreren Sitzungen eingehend mit dem Plagiatsvorwurf gegenüber der Dissertation des Klägers, holte hierzu Informationen der Österreichischen Agentur für gute wissenschaftliche Praxis (ÖAWi) ein, forderte die Gutachten zur Dissertation ein, las selbst die Arbeit im Hinblick auf den Vorwurf und prüfte sie mit zur Verfügung stehenden weiteren Publikationen. Sie beschloss, das Verfahren einzustellen. Grund dafür war, dass die in Österreich erforderliche Täuschungsabsicht bei der Verwendung nicht ausgewiesener Textpassagen nicht festgestellt werden konnte.
Im darstellenden Teil der Arbeit, in dem fremde Aussagen wiedergegeben werden, finden sich handwerkliche Fehler, die in den Gutachten und bei der Bewertung berücksichtigt wurden. Auch die Kommission wurde auf diese Fehler aufmerksam. Sie schätzte jedoch den fünften Teil der Arbeit als denjenigen ein, in dem der Kläger seine eigene Theorie entwickeln würde. Aufgrund des zur Verfügung stehenden Materials konnte die Kommission hier keine entsprechenden Feststellungen treffen, dass in diesem Teil – wo sie wesentlich gewesen wären – Plagiate vorhanden wären.
Über diese Verfahrenseinstellung samt Begründung informierte Dr. ***** von der Universität S***** den Kläger mit E‑Mail vom 31. 7. 2018.
Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren, dem Beklagten zu verbieten, den Kläger darstellende Lichtbilder in einer Reihe mit ehemaligen Politikern, denen der Doktortitel entzogen worden sei, mit dem Bildbegleittext „Willkommen im Club“ zu veröffentlichen; darüber hinaus stellte er ein Veröffentlichungsbegehren und begehrte Zahlung von 15.000 EUR sA.
Anspruchsbegründend brachte er vor, dass der Beklagte den Kläger seit April 2018 im Zusammenhang mit seiner vor fast 50 Jahren verfassten Dissertation der Hochstapelei bezichtige. Dazu habe er ein Lichtbild des Klägers in einer Reihe mit den früheren deutschen Bundesministern Theodor zu Guttenberg und Annette Schavan, welchen der Doktortitel nachträglich entzogen worden sei, veröffentlicht und mit dem Bildbegleittext „Willkommen im Club“ versehen. Der Kläger werde hiedurch mit Personen gleichgestellt, denen der Doktortitel entzogen worden sei, obwohl dem Kläger weder der Doktortitel entzogen worden sei, noch die Voraussetzungen hiefür vorlägen. Die Kommission der Universität S***** zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis habe sich mit dem Plagiatsvorwurf befasst und das Verfahren eingestellt. Durch diese Entscheidung stehe fest, dass die Voraussetzungen für einen Entzug des Doktortitels des Klägers nicht vorlägen. Eine bildliche Gleichstellung mit bekannten Personen, bei denen die Voraussetzungen zur Aberkennung des Doktortitels nicht nur vorgelegen hätten, sondern denen der Doktortitel auch tatsächlich entzogen worden sei, verletze die berechtigten Interessen des Klägers. Aus der Wortfolge „Willkommen im Club“ sei zwingend der Eindruck entstanden, dass beim Kläger die Voraussetzungen zur Aberkennung des Doktortitels eingetreten seien, wenn nicht überhaupt der Eindruck erweckt werde, dass ihm bereits der Doktortitel aberkannt worden sei. Der Unterlassungsanspruch gründe sich auf §§ 78, 81 UrhG; zudem erhebe der Kläger ein Veröffentlichungsbegehren nach §§ 78, 84 UrhG und begehre eine Entschädigung für den immateriellen Schaden in Höhe von 15.000 EUR nach § 87 Abs 2 UrhG, da die Bildberichterstattung eine empfindliche Kränkung des Klägers bewirkt habe.
Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass der Kläger der Veröffentlichung seines Porträtfotos mit den Fotos von Guttenberg und Schavan und dem Begleittext „Willkommen im Club“ einen Aussagegehalt unterstelle, der nicht dem beim Publikum erzielten Eindruck entspreche. Es werde durch die Veröffentlichung zwar eine Parallele vom Kläger zu Guttenberg und Schavan hergestellt, aber nicht die vom Kläger unterstellte: Alle drei abgebildeten Personen hätten in ihren Dissertationen eine enorme Anzahl von Zitaten jeweils nicht als solche deklariert. Dieser Eindruck werde durch die Veröffentlichung erzeugt, der Kläger werde in eine Reihe der aktuell bekanntesten (deutschsprachigen) Abschreiber gestellt, es werde aber nirgends behauptet oder angedeutet, dass er im Club derjenigen willkommen sei, denen der Titel auch aberkannt worden sei. Von einer Aberkennung des akademischen Grades sei im Artikel keine Rede und es werde eine Aberkennung auch nicht nahegelegt. Es obliege den Universitätsbehörden, diese Frage zu klären.
Die drei abgebildeten Personen verbinde, dass sie prominente Persönlichkeiten seien, die bei der Verfassung ihrer Dissertationen die Vorgaben der wissenschaftlichen Redlichkeit nicht eingehalten hätten. Mehr behaupte der Beklagte nicht. Es sei nicht verboten, die Thematik betreffend die Verfassung der Dissertationen von Guttenberg und Schavan zu erwähnen. Der Text „Willkommen im Club“ möge zwar ein Werturteil dahin beinhalten, dass der Kläger wissenschaftlich unredlich gewesen sei, die Fakten, auf welchen dieses Werturteil basiere, rechtfertigten dies jedoch. Der Kläger habe in seiner Dissertation plagiiert und weder die Quellen der Plagiate angeführt, noch die Werke, aus denen zitiert worden sei, die Werke seien teilweise auch nicht im Literaturverzeichnis erwähnt. Damit liege die Täuschungsabsicht, nämlich das bewusste Verschweigen von Offenzulegendem, auf der Hand.
Jeder, erst recht der begehrte Entschädigungsbetrag, sei absolut überhöht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. § 78 Abs 1 UrhG schütze gegen einen Missbrauch einer Abbildung, wenn dadurch die berechtigten Interessen des Abgebildeten berührt würden. Dafür sei maßgebend, wie die Art der Veröffentlichung vom Publikum verstanden werde. Dabei sei nicht das Bild allein für sich zu beurteilen, sondern auch die Art der Verbreitung und der Rahmen, in dem das Bild bestellt werde. Im konkreten Fall werde durch die Veröffentlichung einem Durchschnittsbetrachter der Eindruck vermittelt, auch der Kläger habe – ebenso wie Guttenberg und Schavan – plagiiert, also „abgeschrieben“. Der durchschnittliche Leser werde nicht vorrangig den Schluss ziehen, man habe dem Kläger den Doktortitel entzogen oder aberkannt. Zudem seien überspitzte Formulierungen unter Umständen hinzunehmen, solange kein massiver Wertungsexzess vorliege. Im vorliegenden Fall liege der Behauptung des Beklagten ein wahrer Tatsachenkern zugrunde: Das Vorliegen von nicht deklarierten Zitaten oder die Verwendung von Textstellen, deren Quelle nicht genannt werde, im „darstellenden“ Teil der Dissertation sei durch das Schreiben der Universität S***** unter Beweis gestellt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Im Begleittext zu der Abbildung des Klägers sei nicht von einem Entzug des Doktortitels die Rede. Vielmehr werde eine Parallele zu öffentlich erhobenen Vorwürfen der sexuellen Übergriffe gezogen, indem Übergriffe auch auf geistiges Eigentum anderer behauptet würden. Bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs werde dem Durchschnittsbetrachter der Eindruck vermittelt, der Kläger habe ebenso wie die weiteren abgebildeten Persönlichkeiten bei seiner Doktorarbeit plagiiert. Keineswegs ergebe sich aus der Veröffentlichung des Beklagten vorrangig der Schluss, man habe dem Kläger seinen Doktortitel entzogen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1.1. Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend ausführten, dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 78 Abs 1 UrhG). Schutzobjekt nach dieser Bestimmung ist daher nicht das Bild an sich, sondern bestimmte, mit dem Bild verknüpfte Interessen; der Bildnisschutz greift erst ein, wenn und soweit der Abgebildete ein berechtigtes Interesse am Unterbleiben der Veröffentlichung seines Bildnisses hat (4 Ob 20/08g).
1.2. Das Gesetz legt den Begriff der „berechtigten Interessen“ nicht näher fest, weil es bewusst einen weiteren Spielraum offen lassen wollte, um den Verhältnissen des Einzelfalls gerecht zu werden (4 Ob 165/03y; vgl RS0077827; Dokalik/Zeman , Urheberrecht 7 § 78 Rz 16 mwN).
2. Die Beurteilung, ob eine Bildnisveröffentlichung berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt, hat nach objektiven Kriterien und unter Würdigung des Gesamtzusammenhangs zu erfolgen; es kommt weder darauf an, was mit der Bildnisveröffentlichung beabsichtigt war, noch darauf, wie sie vom Betroffenen subjektiv aufgefasst wurde. Maßgebend ist vielmehr, wie die Art der Veröffentlichung vom Publikum – unter Berücksichtigung des im Zusammenhang mit dem Bild stehenden Textes – verstanden wird (4 Ob 100/94; vgl RS0078088). Dabei ist nicht nur das Bild für sich genommen zu beurteilen, sondern auch die Art der Verbreitung und der Rahmen, in dem das Bild gestellt wurde. Ein entscheidender Gesichtspunkt ist dabei, ob die Person des Abgebildeten durch die Veröffentlichung in einem nicht den Tatsachen entsprechenden Zusammenhang gestellt wurde (RS0078077; A. Kodek in Kuczko/Handig , urheber.recht 2 § 78 Rz 47).
3.1. Nach § 19 Abs 2a UG 2002 können in die Satzung einer Universität Bestimmungen betreffend Maßnahmen bei Plagiaten oder anderem Vortäuschen von wissenschaftlichen oder künstlerischen Leistungen insbesondere im Rahmen von schriftlichen Seminar‑ und Prüfungsarbeiten, Bachelorarbeiten sowie wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeiten aufgenommen werden. Darüber hinaus kann das Rektorat über einen allfälligen Ausschluss vom Studium in der Dauer von höchstens zwei Semestern bei schwerwiegendem und vorsätzlichem Plagiieren oder schwerwiegendem und vorsätzlichem anderen Vortäuschen von wissenschaftlichen oder künstlerischen Leistungen im Rahmen von Abschlussarbeiten (Bachelorarbeiten sowie wissenschaftliche und künstlerische Arbeiten) mit Bescheid entscheiden.
3.2. Nach § 51 Abs 2 Z 31 UG 2002 liegt ein Plagiat jedenfalls dann vor, wenn Texte, Inhalte oder Ideen übernommen und als eigene ausgegeben werden. Dies umfasst insbesondere die Aneignung und Verwendung von Textpassagen, Theorien, Hypothesen, Erkenntnissen oder Daten durch direkte, paraphrasierte oder übersetzte Übernahme ohne entsprechende Kenntlichmachung und Zitierung der Quelle und der Urheberin oder des Urhebers.
3.3. Damit sieht das Gesetz je nach Schwere des Plagiats unterschiedliche Sanktionen vor, unterscheidet doch § 19 Abs 2a UG 2002 zwischen „schwerwiegendem und vorsätzlichem Plagiieren“ und anderen Plagiatsformen. Die Aberkennung eines akademischen Grades kann nur bei schwerwiegendem und vorsätzlichem Plagiieren erfolgen, wobei nach dem klaren und unzweifelhaften Gesetzeswortlaut beide Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen. Bloß fahrlässige Fehler oder Unterlassungen bei der Anführung von Quellen rechtfertigen daher die Entziehung eines akademischen Grades nicht. Selbst im Fall von Vorsatz muss es sich um ein „schwerwiegendes“ Plagiat handeln.
4.1. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte dem Kläger nicht nur vorgeworfen, bei dessen Dissertation handle es sich um ein Plagiat, sondern er hat dessen Bild auch in eine Reihe mit zwei weiteren bekannten Persönlichkeiten gestellt, denen der akademische Grad wegen Plagiierens aberkannt wurde. Damit wird entgegen der Einschätzung der Vorinstanzen eine besondere Schwere des Plagiatsvorwurfs zum Ausdruck gebracht. Diese Schwere kann durch bloß numerische Anführung einzelner Übernahmen von Textpassagen aus anderen Werken ohne entsprechende Offenlegung nicht zur Darstellung gebracht werden, bleibt doch bei einem derartigen rein quantitativen Ansatz völlig unberücksichtigt, welches Gewicht die diesbezüglichen Versäumnisse für die Bewertung der eigenen Gedankenführung des Autors haben. Nach den Feststellungen des Erstgerichts finden sich im darstellenden Teil der Arbeit, in dem fremde Aussagen wiedergegeben werden, handwerkliche Fehler, die in den Gutachten und bei der Bewertung berücksichtigt wurden. Im fünften Teil der Arbeit, in dem der Kläger seine eigene Theorie entwickelte, fänden sich jedoch keine Plagiate.
4.2. Auch das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 EMRK, Art 13 StGG) deckt unwahre Tatsachenbehauptungen nicht. Daher dürfen auch Werturteile, die konkludente Tatsachenbehauptungen sind, nicht schrankenlos geäußert werden; allerdings sind angesichts der heutigen Reizüberflutung selbst „überspitzte“ Formulierungen unter Umständen hinzunehmen, soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt (RS0107915 [T9]; Danzl in Koziol/Bydlinski/Bollenberger , ABGB 5 § 1330 Rz 3 mwN).
4.3. Die Gegenüberstellung des Fotos des Klägers mit demjenigen zweier Persönlichkeiten, denen der Doktortitel entzogen wurde, vermittelt dem unbefangenen Durchschnittsbetrachter den Eindruck, die Plagiatsvorwürfe gegen den Kläger hätten zumindest annähernd gleiches Gewicht. Dass dies zutrifft, steht aber nach den bisherigen Verfahrensergebnissen nicht fest.
5.1. Gleichwohl ist die Rechtssache noch nicht spruchreif. Der Beklagte hat nämlich ein weiteres, vom Erstgericht in seinen Feststellungen noch nicht berücksichtigtes Gutachten vorgelegt, wonach auch im fünften, die eigene Ansicht des Verfassers enthaltenden Teil der Dissertation Plagiate vorlägen.
5.2. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die Frage des Gewichts der dem Kläger vorzuwerfenden Plagiierungen zu erörtern und dazu gegebenenfalls nähere Feststellungen zu treffen haben. Nochmals ist jedoch darauf zu verweisen, dass die bloße mechanische Anführung einzelner unbelegter Übernahmen fremder Meinungsäußerungen nicht geeignet ist, das Gewicht des Verstoßes für die Beurteilung der Eigenleistung des Verfassers einer Dissertation zu beurteilen. Nur wenn die Plagiatsverstöße zumindest annähernd gleiches Gewicht erreichen, wie es für die Aberkennung eines akademischen Grades erforderlich ist, läge kein Wertungsexzess im Rechtssinne vor.
5.3. Da somit dem Obersten Gerichtshof erheblich erscheinende Tatsachen im bisherigen Verfahren nicht ausreichend geklärt wurden, war spruchgemäß mit Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und Zurückverweisung vorzugehen.
6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 50 ZPO.
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