European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126651
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Eine versäumte Rechtsrüge kann auch im Außerstreitverfahren nicht nachgeholt werden (RIS‑Justiz RS0043480 [T12]). Dies auch dann nicht, wenn das Gericht zweiter Instanz – obwohl es ausgeführt hat, dass das Rechtsmittel keine dem Gesetz gemäß ausgeführte Rechtsrüge enthält – die erstinstinstanzliche Rechtsansicht ohne nähere Begründung (RS0043480 [T13]) oder mit einer kurzen Begründung (RS0043231 [T5]) billigt oder sonst „der Vollständigkeit halber“ Rechtsausführungen macht (RS0043231 [T2]).
1.2. Das Rekursgericht erachtete die Rechtsrüge der Frau als nicht gesetzmäßig ausgeführt, bestätigte aber die Überlassung des Hauses mit der Ehewohnung an den Mann mit einer inhaltlichen Begründung und ging (bei der Beurteilung der Verfahrensrüge) davon aus, dass § 91 Abs 2 EheG nicht anzuwenden sei, weil die Investitionen „in die Unternehmen“ des Mannes (gemeint: in Gesellschaften, an denen er beteiligt ist) „gänzlich fremdfinanziert“ (also nicht aus ehelichem Gebrauchsvermögen oder ehelichen Ersparnissen) erfolgten. Dass sich das Rekursgericht darüber hinaus nicht mit der Rechtsrüge befasste, hätte in dritter Instanz als Mangelhaftigkeit bekämpft werden müssen (RS0043231). Eine derartige (begründete) Mängelrüge kann dem Rechtsmittel der Frau aber nicht entnommen werden. Dass sie im Rekurs behauptet habe, „dass das gesamte Verfahren unter unrichtigen rechtlichen Beurteilungen geführt worden sei“ und es dem Rekursgericht „freigestanden wäre diese Ausführungen als Rechtsrüge zu behandeln“, genügt den Anforderungen an die konkrete Rüge eines zweitinstanzlichen Verfahrensfehlers nicht.
2. Der Revisionsrekurs ist auch davon geprägt, dass weiterhin – ohne nähere Begründung – die bereits vom Rekursgericht als unrichtig aufgezeigte Rechtsansicht vertreten wird, auch das unternehmerische Vermögen des Mannes („sämtliche Vermögenszuwächse im Vermögen der Gesellschaften“) unterliege der Aufteilung, wobei auch die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur ehelichen Errungenschaft negiert werden. Ein aus ehelichen Mitteln angeschafftes Unternehmen und Anteile an einem solchen (ausgenommen bloße Wertanlagen) unterliegen aber ebensowenig der Aufteilung (§ 82 Abs 1 Z 3 und 4 EheG; RS0057567), wie deren Werterhöhung (vgl RS0057626 [T2]; auch nicht im Umweg über eine Ausgleichszahlung; vgl RS0057626 [T4]). Es begründet daher keinen sekundären Feststellungsmangel, dass das Erstgericht keine Feststellungen zum Wert des Unternehmens (der Unternehmensbeteiligungen) des Mannes „für den Zeitpunkt der Eheschließung und der Scheidung“ traf. Auch auf das Revisionsrekursvorbringen, wonach die eidliche Angabe des Vermögens des Mannes mangels Bezugnahme auf das Gesellschaftsvermögen unvollständig geblieben sei, muss nicht näher eingegangen werden. Dazu wird auch nicht behauptet, dass die Frau ihre Ansprüche ohne ergänzte Vermögensangabe nicht beziffern könne; sie legt auch nicht ansatzweise dar, welche Vermögenswerte der Mann verschweige oder verheimliche (vgl 1 Ob 181/16y).
3. Auch zu den „Einkommensverhältnissen“ bzw zum „Lebensstandard“ des Mannes zeigt der Revisionsrekurs keinen sekundären Feststellungsmangel auf, weil das Erstgericht sowohl Feststellungen zum laufenden Einkommen des Mannes als auch zum Lebensstil der Ehegatten („gutbürgerliches Leben“) traf. Soweit die Revisionsrekurswerberin in diesem Zusammenhang die erstinstanzliche Beweiswürdigung kritisiert, übersieht sie weiters, dass der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren keine Tatsacheninstanz ist (RS0007236), wie mit der Behauptung, das Erstgericht hätte – aufgrund eines in erster Instanz vorgelegten Privatgutachtens – weitere vom Mann während der Ehe „geschaffene“ Vermögenswerte (also eine weitergehende eheliche Errungenschaft) feststellen müssen.
4. Soweit die Revisionsrekurswerberin erkennbar auch in dritter Instanz davon ausgeht, dass die Vorinstanzen § 91 Abs 2 EheG anwenden hätten müssen, negiert sie, dass keine Investitionen aus dem ehelichen Gebrauchsvermögen oder den ehelichen Ersparnissen in ein Unternehmen des Mannes (an dem dieser Anteile hält) flossen. Gegenteiliges legt die Frau auch in ihrem Rechtsmittel nicht konkret dar.
5. Soweit im Revisionsrekurs unter Hinweis auf den Rechtssatz zu RS0057693 argumentiert wird, dass der Frau „aus dem Titel der enttäuschten Erwartung auf die dauernde, durch die eheliche Gemeinschaft vermittelte Teilnahme am Einkommen und Lebensstandard des Mannes und auf die Erfüllung in ihrem Beruf als Mutter und Hausfrau“ ein Ausgleichsanspruch zustehe, wird einerseits übersehen, dass die Vorinstanzen der Frau ohnehin eine Ausgleichszahlung zusprachen; inwieweit diese zu gering bemessen worden wäre, zeigt die Revisionsrekurswerberin– die nur eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt – nicht auf. Vor allem widerspricht die ersichtlich vereinzelt gebliebene Entscheidung zu 5 Ob 669/81 nicht nur der ständigen Judikatur des Fachsenats, sondern auch der Bestimmung des § 83 EheG, die eine enttäuschte Erwartung im dargelegten Sinn als Aufteilungskriterium nicht vorsieht; vielmehr gewährt das Unterhaltsrecht dem schuldlos Geschiedenen in gewissem Rahmen die Möglichkeit am Lebensstandard des anderen weiterhin teilzunehmen. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Streitteile gar keine gemeinsamen Kinder haben und die Frau ihre Berufstätigkeit wegen des wirtschaftlichen Misserfolgs ihrer Boutique beendete und dann ihre kranken Eltern pflegte.
6. Mit ihrer Kritik, das Rekursgericht habe (Verfahrens‑)Ergebnisse aus dem Unterhaltsverfahren verwertet (und dabei gegen Verfahrensgesetze verstoßen), bezieht sich die Revisionsrekurswerberin auf einen bereits im Rekurs behaupteten erstinstanzlichen Verfahrensmangel, der in zweiter Instanz verneint wurde und daher nicht mehr aufgegriffen werden kann (RS0042963 [T48]). Ebenso zielt der Vorwurf, das (Erst‑)Gericht habe die Aufnahme eines (Buch‑)Sachverständigengutachtens „verweigert“, sowie die in dritter Instanz neuerlich gerügte Unterlassung der Einvernahme von zwei Zeugen, auf einen solchen vom Rekursgericht verneinten Verfahrensmangel ab. Davon, dass das Rekursgericht auf die Verfahrensrüge der Frau nicht eingegangen wäre, kann entgegen deren Ansicht keine Rede sein.
7. Zur auch in dritter Instanz strittigen Frage, wem das Haus mit der Ehewohnung zu überlassen sei, setzt sich die Frau nicht mit den Ausführungen des Rekursgerichts auseinander, wonach derjenige, dem die Ehewohnung zugewiesen wird, auch die damit zusammenhängenden Schulden von mehr als einer halben Million Euro übernehmen muss, was sich die Frau (im Unterschied zum gut verdienenden Mann) nicht leisten könne. Da es für die Frage der Überlassung der Ehewohnung bei – wie hier – grundsätzlich gleich gewichtigen ehelichen Beiträgen nicht nur darauf ankommt, wer auf diese mehr angewiesen ist (RS0057733; im vorliegenden Fall deutet nichts darauf hin, dass die Frau eher auf das Haus angewiesen ist, als der Mann; dies wird im Revisionsrekurs auch gar nicht ausreichend konkret behauptet), sondern auch zu berücksichtigen ist, welcher Ehegatte in der Lage wäre, eine bei Zuweisung der Ehewohnung allenfalls zu leistende Ausgleichszahlung aufzubringen (vgl RS0057610), zeigt die Frau auch in diesem Zusammenhang – und daher insgesamt – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.
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