OGH 14Os106/19y

OGH14Os106/19y7.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Dr. Bachner‑Foregger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart des Schriftführers Bodinger in der Strafsache gegen Mileydis del Carmen M***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Mai 2019, GZ 64 Hv 18/19p‑53, und weiters über die Beschwerden der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und auf Absehen vom Widerruf zweier weiterer bedingter Strafnachsichten, in einem Fall unter Verlängerung der Probezeit, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00106.19Y.1007.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mileydis del Carmen M***** „des Verbrechens“ der absichtlichen schweren Körperverletzung nach „§§ 87 Abs 1, 15 StGB“ (vgl dazu US 13 f) schuldig erkannt.

Danach hat sie am 7. Dezember 2018 in W***** Grey Me***** durch Wisch- und Schnittbewegungen mit einer zerbrochenen Bierflasche gegen deren Oberkörper (A) und in einem weiteren Angriff gegen deren Gesicht (B) absichtlich eine schwere Körperverletzung

(A) zuzufügen versucht, wobei Me***** leichte Schnittverletzungen am linken Unterarm und der linken Brust erlitt;

(B) zugefügt, nämlich eine perforierende (bis in die Wangeninnenseite reichende) Schnittwunde mit Durchtrennung der oberen Lippenarterie und Verletzung eines Nervs.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z  5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist nicht im Recht.

Der Vorwurf von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zufolge Unterbleibens einer Erörterung der – von den Tatrichtern für glaubwürdig erachteten (US 7 f) – Angaben der Zeugin O***** zum Verhalten der Verletzten Me***** während der konstatierten Auseinandersetzung mit der Angeklagten ist mit Blick auf die – den zitierten Aussagepassagen entsprechenden – Urteilsfeststellungen (US 5) nicht nachvollziehbar.

Die Depositionen der Zeugen R***** und Mo***** hat das Erstgericht gleichfalls berücksichtigt (US 9 f). Einer gesonderten Auseinandersetzung mit – von der Mängelrüge (erneut Z 5 zweiter Fall) im Übrigen unter Angabe falscher Fundstellen (vgl aber RIS‑Justiz RS0124172) – hervorgehobenen Details daraus bedurfte es unter dem Aspekt von Unvollständigkeit nicht. Denn während die Aussage der Zeugin R***** (richtig: ON 14 S 75 ff) – auch nach dem Beschwerdestandpunkt – im Wesentlichen den (den Feststellungen zugrunde gelegten) Bekundungen der Zeugin O***** entsprach, haben die Tatrichter die Angaben des Zeugen Mo***** (richtig: ON 14 S 83 ff) einerseits grundsätzlich als weniger verlässlich als jene der Zeugin O***** eingestuft und andererseits für nicht geeignet erachtet, den genauen Tathergang zu klären, weil der Genannte eingeräumt hatte, nur einen Teil des Geschehens wahrgenommen zu haben (US 9 f; vgl dazu RIS‑Justiz RS0098642).

Die – die Annahme des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr nach § 3 Abs 1 StGB reklamierende – Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 9 lit b) verfehlt zur Gänze die Ausrichtung am Verfahrensrecht.

Indem sie das Vorliegen einer Notwehrsituation mit der Begründung behauptet, nach den Feststellungen habe „zuallererst … Me***** den Versuch unternommen ..., mehrmals und in mehreren Angriffen auf die Angeklagte … zu schlagen“ und sei auch „der zweiten Notwehrhandlung … eine neue Angriffshandlung der … Me*****“ vorausgegangen, nimmt sie nicht Maß am festgestellten Sachverhalt und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Nach den insoweit wesentlichen Konstatierungen erfolgte nämlich der zu (A) inkriminierte Angriff der Beschwerdeführerin im Zuge einer – zuletzt im wechselseitigen aufeinander Einschlagen mit vollen Bierflaschen bestehenden – tätlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Frauen, während die Angeklagte ihre Kontrahentin ein weiteres Mal mit einer abgebrochenen Bierflasche attackierte und schwer verletzte (B), als diese sie weder angriff, noch ihr einen weiteren Angriff in Aussicht stellte, deren letzter Angriff vielmehr bereits beendet war (US 5 ff; vgl auch US 12).

Aus welchem Grund es mit Blick auf diese Feststellungen darauf ankommen sollte, wer die Tätlichkeiten einleitete (RIS‑Justiz RS0088726, RS0089431; Lewisch in WK² StGB § 3 Rz 33), erklärt die Rüge nicht (RIS‑Justiz RS0116569).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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