OGH 8Ob72/19z

OGH8Ob72/19z24.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners C*, vertreten durch K-B-K Kleibel Kreibich Bukovc Hirsch Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Salzburg, wegen Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans, über den Revisionsrekurs des Insolvenzverwalters Dr. Thomas Hufnagl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 5. Juni 2019, GZ 2 R 89/19z-55, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 10. Mai 2019, GZ 23 S 128/17v-49, ersatzlos behoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126403

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

1. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

2. Die Revisionsrekursbeantwortung des Schuldners wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Schuldner ist (aufgrund einer in den Jahren 2013/14 von seinen Eltern gemachten Schenkung) bücherlicher Eigentümer von Anteilen an einer Liegenschaft in T*, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung und am Kfz‑Abstellplatz Top 3. Hinsichtlich dieser Wohnungseigentumsobjekte besteht eine Eigentümerpartnerschaft mit seiner Schwester. Alle diese Liegenschaftsanteile sind mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot (C‑LNr 19), jene betreffend die Wohnung zusätzlich auch mit einem Wohnungsgebrauchsrecht (C‑LNr 18) jeweils zugunsten der 1941 und 1945 geborenen Eltern des Schuldners belastet. Weiters lastet auf allen Anteilen (im Rang vor den Rechten der Eltern) eine Hypothek (C‑LNr 7), die ein mit rund 50.000 EUR aushaftendes Bausparkassendarlehen besichert.

Am 11. 1. 2019 berichtete der Masseverwalter, dass sich der Wert des schuldnerischen Hälfteanteils an den beiden Wohnungseigentumsobjekten (unter Berücksichtigung der Belastung durch das Wohnungsgebrauchsrecht der Eltern und die Hypothek) laut einem eingeholten Kurzgutachten auf etwa 41.000 EUR belaufe.

Am 27. 2. 2019 teilte der Masseverwalter mit, dass eine Verwertung der Liegenschaftsanteile im Einvernehmen mit der Miteigentümerin sowie den Wohnungs- und Verbotsberechtigten gescheitert sei, sodass sich die Frage nach der Einbringung einer Teilungsklage stelle.

Am 3. 4. 2019 brachte der Schuldner einen Zahlungsplanantrag (mit einer vorgesehenen Quote von 8,85 %) ein und stellte für den Fall der Nichtannahme des Zahlungsplans den Antrag auf Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens.

Der Masseverwalter vertrat in seiner Stellungnahme die Auffassung, dass der Zahlungsplanantrag zurückzuweisen sei. Eine Unmöglichkeit der Verwertung des schuldnerischen Hälfteanteils an den Wohnungseigentumsobjekten sei noch nicht gegeben, weil ungeachtet des Veräußerungsverbots zugunsten der Eltern eine Teilungsklage gegen die Schwester des Schuldners eingebracht werden könne und es möglicherweise Anlass zu einer einvernehmlichen Lösung gebe. Die angebotene Zahlungsplanquote sei nicht angemessen, weil sie den bei einer Verwertung der schuldnerischen Liegenschaftsanteile voraussichtlich zu erzielenden Erlös in keiner Weise berücksichtige.

Das Erstgericht wies die Anträge des Schuldners wegen noch nicht abgeschlossener Vermögensverwertung zurück.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Schuldners Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des Verfahrens über die Anträge des Schuldners unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf.

Im vorliegenden Fall scheitere die Verwertung der Liegenschaftsanteile des Schuldners an einem Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten seiner Eltern, die ausdrücklich erklärt hätten, weder derzeit noch künftig einer Veräußerung zuzustimmen. Stichhältige Anhaltspunkte dafür, dass sie von diesem Standpunkt abrücken und doch noch ihre Einwilligung zu einem Verkauf erteilen könnten, seien nicht aktenkundig. Es seien aber auch keine konkreten Umstände fassbar, die es als wenigstens einigermaßen wahrscheinlich erscheinen ließen, dass es trotz des Scheiterns der bisherigen Verhandlungen doch noch (mit Zustimmung der Eltern) zu einem Verkauf der Liegenschaftsanteile an die Schwester des Schuldners kommen könnte. Dem Schuldner könne daher ungeachtet des Vorhandenseins eines (auf unbestimmte Zeit aus objektivem Grund unverwertbaren) Liegenschaftsvermögens nicht verwehrt werden, die Annahme eines Zahlungsplans, hilfsweise die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens anzustreben.

Soweit der Masseverwalter den Standpunkt vertrete, dass bei der Angemessenheitsprüfung auch auf die (infolge des Veräußerungsverbots nicht verwertbaren) Liegenschaftsanteile abzustellen sei, fehle es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Eine ausnahmsweise Mitberücksichtigung von unverwertetem Vermögen sei vom Obersten Gerichtshof bislang nur für den Fall bejaht worden, dass die Verwertung an der Verweigerung der dafür nötigen Mitwirkung durch den Schuldner scheitere, weil sich ansonsten ein „verwertungsunwilliger“ Schuldner eine ungerechtfertigte Besserstellung verschaffen könnte. Hier hingegen sei die Verwertung nicht etwa durch den Schuldner aus nicht zu billigendem Eigennutz vereitelt worden, sondern sie sei aufgrund der Rechte Dritter (Veräußerungsverbot zugunsten der Eltern) unmöglich. Bei einer solchen Konstellation sei keine den Schuldner belastende Sanktion in Gestalt einer Mitberücksichtigung des Vermögenswerts angezeigt. Dies treffe umso mehr zu, als die Insolvenzgläubiger angesichts des seit dem Erwerbszeitpunkt bestehenden Belastungs- und Veräußerungsverbots nie damit rechnen konnten, dass ihnen die Liegenschaftsanteile des Schuldners in absehbarer Zeit als Befriedigungsfonds zur Verfügung stehen würden.

Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob auch im Falle einer vom Schuldner nicht zu vertretenden Verwertungsunmöglichkeit eine ausnahmsweise Einbeziehung des unverwertet gebliebenen Vermögens in die Prüfung der Quotenangemessenheit stattzufinden habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Masseverwalters (zu dessen Rekurslegitimation vgl 8 Ob 81/02y) ist aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1.1 Auch eine mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot belastete Liegenschaft ist Teil der Insolvenzmasse, weil das Verbot die Zwangsverwaltung nicht hindert und daher ein der Exekution zugängliches Vermögen vorliegt; dieser Teil der Insolvenzmasse kann aber (ohne Zustimmung des Verbotsberechtigten) nicht verwertet werden (5 Ob 303/87).

1.2 Nach § 193 Abs 2 IO darf die Tagsatzung zur Verhandlung und Beschlussfassung über den Zahlungsplan nicht vor Verwertung des Vermögens des Schuldners stattfinden. Ist allerdings objektiv keine Vermögensverwertung möglich (etwa mangels Zustimmung des Berechtigten einer mit einem Veräußerungs- und Belastungsverbot belasteten Liegenschaft), so ist § 193 Abs 2 IO teleologisch dahin zu reduzieren, dass ein Zahlungsplan auch ohne vorherige Vermögensverwertung zulässig ist (RIS‑Justiz RS0120895).

2.1 Der Masseverwalter meint, ihm stünden hier noch weitere Verwertungshandlungen offen. So könnte er gegen die Eigentümerpartnerin eine Teilungsklage einbringen, derweil könnten die Miteigentümerin sowie die Verbotsberechtigten doch noch einer einvernehmlichen Lösung zustimmen oder die Hindernisse gar wegfallen. Er räumt aber selbst ein, dass ein auf der ganzen Liegenschaft (am gesamten Mindestanteil) lastendes Belastungs- und Veräußerungsverbot eine Zivilteilung durch Versteigerung im Verfahren nach § 352 EO hindert (RS0010783 [T3]), eine Verwertung der Liegenschaftsanteile des Schuldners nach dem Stand der Dinge daher gerade nicht möglich ist. Daran ändert nichts, dass allenfalls in Zukunft die Miteigentümerin und die Verbotsberechtigten in eine Veräußerung einwilligen und das Belastungs- und Veräußerungsverbot wegfallen könnten.

2.2 Dieses Vermögen steht der Zulässigkeit des Zahlungsplans daher nicht entgegen.

3.1 Der Masseverwalter rügt weiters, dass das Liegenschaftsvermögen im vom Schuldner vorgelegten Zahlungsplan nicht berücksichtigt worden sei, sodass die angebotene Quote unangemessen und der Zahlungsplan aus diesem Grund unzulässig sei.

3.2 Nach § 194 Abs 1 IO muss der Schuldner den Insolvenzgläubigern mindestens eine Quote anbieten, die seiner Einkommenslage in den folgenden fünf Jahren entspricht. Bietet der Schuldner im Zahlungsplan keine angemessene Quote an, so ist der Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans nach § 194 Abs 2 Z 3 IO unzulässig (vgl RS0115315, zuletzt etwa 8 Ob 77/03m). Das Gesetz geht vom Regelfall aus, dass bereits eine vollständige Verwertung des Vermögens des Schuldners erfolgt ist (vgl Kodek, Privatkonkurs2 353, 374/2). Nach Kodek (aaO Rz 353) ist jedoch ausnahmsweise zur Ermittlung der Angemessenheit nicht nur auf die Höhe des Einkommens abzustellen, sondern auch das zum Zeitpunkt der Abstimmung noch vorhandene Vermögen des Schuldners zu berücksichtigen. Kodek vertrat diese Auffassung für – nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der EuInsVO bzw des IIRG – nicht verwertbares ausländisches Liegenschaftsvermögen und für eine im Zahlungsplan vereinbarte Einrechnung des Verwertungserlöses in die Quote. Der Oberste Gerichtshof ergänzte die genannten Beispiele in der Entscheidung 8 Ob 55/03a um den Fall, dass eine Vermögensverwertung an der erforderlichen Mitwirkung des Schuldners scheitert. Kodek (aaO Rz 374/3) hielt daraufhin an seiner Ansicht jedenfalls bei rechtlichen Verwertungshindernissen fest. Faktische Verwertungsschwierigkeiten müssten rechtlichen Hindernissen wertungsmäßig nahekommen, um nicht das Verwertungsgebot des § 193 Abs 1 IO zu unterlaufen. Der bloße Umstand, dass der Schuldner die Mitwirkung an der Verwertung unterlasse, rechtfertige keine Ausnahme vom Verwertungsgebot (Kodek aaO Rz 372). Schneider (Privatinsolvenz3 135 f) hingegen lehnt die Berücksichtigung nicht verwerteten Vermögens bei der Angemessenheitsprüfung ab. Stünden der Verwertung rechtliche Hindernisse – wie ein Belastungs- und Veräußerungsverbot auf einer Liegenschaft – entgegen, könne zwar eine Verwertung (zunächst) unterbleiben. Bei Wegfall des Hindernisses komme allerdings eine Nachtragsverteilung in Betracht (Schneider,Privatinsolvenz3 132; Schneider,Bekanntes Vermögen und Nachtragsverteilung, in Konecny, Insolvenzrecht und Kreditschutz 2015, 204 f).

4.1 In der Entscheidung 8 Ob 8/06v hat der Oberste Gerichtshof die Frage, ob bei Beurteilung der Zulässigkeit des Zahlungsplans der Wert der in der Masse befindlichen, aktuell (aufgrund eines im Grundbuch eingetragenen Belastungs- und Veräußerungsverbots) zwar nicht durch Veräußerung verwertbaren (aber etwa auch langfristig vermietbaren) Liegenschaft zu berücksichtigen wäre (vergleichbar dem Fall des nicht verwerteten Auslandsvermögens), ausdrücklich offen gelassen.

Vorteile könnten etwa ein durch Vermietung der Wohnung erzielbarer Mietzins oder eine durch eigenes Bewohnen der Liegenschaft dem Schuldner gegenüber dem auf das Existenzminimum verwiesenen Durchschnittsschuldner zugute kommende Mietzinsersparnis sein.

Da Kodek (aaO Rz 374/2)hervorhebt, der Zweck der Bestimmung des § 194 Abs 1 IO liege darin, den Schuldner zu seiner Leistungsfähigkeit angemessenen Zahlungen zu verhalten, kann ihm auch kein anderer Ansatz unterstellt werden.

4.2 Daraus folgt, dass bei rechtlichen Verwertungshindernissen, die nicht in der Ingerenz des Schuldners liegen, eine Berücksichtigung des nicht verwerteten Vermögens bei der Quote überhaupt nur insoweit in Betracht kommt, als durch das (vorerst) beim Schuldner verbleibende Vermögen dessen Leistungsfähigkeit erhöht wird.

Das ist hier aber im Hinblick auf das Wohnungsgebrauchsrecht der Eltern des Schuldners, die nach dem Akteninhalt die Wohnung auch tatsächlich bewohnen, augenscheinlich nicht der Fall.

Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

5. Die Revisionsrekursbeantwortung des Schuldners war zurückzuweisen. Das Rechtsmittelverfahren in Insolvenzsachen ist mit Ausnahme des Eröffnungsverfahrens grundsätzlich einseitig (RS0116129). Der Schuldner hat seinen Rechtsstandpunkt bereits im Rekursverfahren umfassend dargelegt (vgl 8 Ob 19/18d).

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