OGH 4Ob87/19a

OGH4Ob87/19a24.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Vogel als Vorsitzenden unddie Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin K***** AG, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen die Beklagte K***** GmbH, *****, vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 40.000 EUR), Beseitigung, Rechnungslegung (Streitwert jeweils 2.500 EUR), Zahlung nach Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. März 2019, GZ 3 R 60/18t‑26, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00087.19A.0924.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagte erwarben im Jahr 1991 Unternehmensteile der insolventen K***** AG, die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin den Teilbereich Motorrad und die Beklagte den Teilbereich Fahrrad. Bereits 1995 entstanden Streitigkeiten über die Benützung der K*****‑Marken. Die Beklagte erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin, es zu unterlassen, Dritten die Benützung der K*****-Marken für die Produktion und den Vertrieb ua von Fahrrädern zu gestatten. Im Jahr 1997 schlossen die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagte einen „Lizenzvertrag“, wonach sich erstere verpflichtete, ihre aus den Lizenzmarken reslutierenden Schutzrechte nur in der Sparte Motorrad, nicht aber in der Sparte Fahrrad zu nutzen. Der Beklagten wurde auch das Verbotsrecht eingeräumt; sie ist daher neben den Schutzrechtsinhabern zur Verfolgung von Schutzrechtsverletzungen im eigenen Namen legitimiert. Als Lizenzprodukte wurden ua Fahrräder, auch solche mit einem Elektromotor definiert. Laut vertraglicher Vereinbarung gilt die Lizenzeinräumung „für immerwährende Zeit“.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Wesentlichen die Unterlassung, Fahrräder mit einem Elektromotor mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h unter Verwendung der Marke K***** in Verkehr zu bringen; weiters erhebt sie ein Auskunfts- und Rechnungslegungs-, Gewinnherausgabe- und Urteils-veröffentlichungsbegehren. Die Beklagte verstoße mit dem Vertrieb ihrer S‑Pedelecs gegen die Markenrechte der Klägerin und den Lizenzvertrag, weil es sich dabei aufgrund der motorunterstützten zulässigen Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h nicht um Fahrräder, sondern um zulassungspflichtige Kraftfahrräder handle. Außerdem habe sie das dem Vertragsverhältnis zugrunde liegende Vertrauensverhältnis zerstört, indem sie die Wortbildmarke Veneto K***** angemeldet habe, ohne den im Lizenzvertrag vorgesehenen Mechanismus einzuhalten und die Klägerin aufzufordern, die Marke eintragen zu lassen.

Die Beklagte wendete ein, auch S‑Pedelecs mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h seien Fahrräder und unterschieden sich von Motorrädern dadurch, dass sie stets durch reines Pedaltreten und ohne Motorunterstützung gefahren werden könnten. Ihre Erzeugung und ihr Vertrieb unter den K*****-Marken sei daher der Beklagten vorbehalten. Die Parteien des Lizenzvertrags hätten die Produktgruppen Fahrrad und Motorrad nicht nach rechtlichen Normen definieren wollen, sondern dafür weite Begriffe verwendet. Entscheidend sei ua das Verständnis der Allgemeinheit über die Zugehörigkeit zu einem der genannten Bereiche gewesen. Als Fahrräder seien alle Produkte zu verstehen, die sich fortbewegten, wenn in die Pedale getreten werde. Schließlich verfüge die Beklagte über ältere, dem Lizenzvertrag vorgehende Rechte. Die Klägerin habe in den letzten 25 Jahren immer wieder versucht, unter dem Zeichen K***** in den Fahrradbereich zu drängen. Sie bewerbe durch eine konzernverbundene Gesellschaft Fahrräder unter Verwendung des Zeichens K*****. Außerdem habe die Klägerin Markenrechte aufgegeben, ohne die Beklagte zu verständigen. Die Beklagte habe keinen Auflösungsgrund im Hinblick auf den Lizenzvertrag gesetzt. Es sei das Gesamtverhalten beider Parteien zu berücksichtigen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Lizenzverträge könnten als Dauerschuldverhältnisse durch einseitige Erklärung vorzeitig aufgelöst werden, wenn ein wichtiger Grund vorliege, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar erscheinen lassen. Insgesamt reichten die von der Klägerin vorgetragenen Gründe nicht aus, um eine Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien zu bewirken, die es der Klägerin unzumutbar machte, den Lizenzvertrag von 1997 fortzusetzen. Die Vertragspartner hätten die Formulierung „auch solche mit einem Elektromotor“ so verstanden, dass die Beklagte Fahrräder, die durch Treten von Pedalen angetrieben werden, die jedoch durch einen Elektromotor unterstützt werden, unter der Marke K***** herstellen. Auf die Bestimmungen des KFG oder der StVO sei es den Parteien nicht angekommen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Bei umfassender Abwägung des Bestandsinteresses der einen Seite und des Auflösungsinteresses der anderen Seite liege – auch unter Berücksichtigung des Verhaltens der Klägerin selbst, die es einer Dritten ermögliche, durch die Verwendung der K*****‑Marken für Fahrräder und Pedelecs zu werben – keine Unzumutbarkeit für die Klägerin vor, am Lizenzvertrag festzuhalten. Das Berufungsgericht teilte auch die Vertragsauslegung des Erstgerichts, wonach weder der Wortlaut der Formulierung „Fahrräder, auch solche mit Elektromotor“ noch die Absicht der Parteien diese auf jene Fahrzeuge einschränke, die auch nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen der StVO und des KFG als Fahrräder gelten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, der Klage stattzugeben. Überdies regt sie an, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage der Wirksamkeit der Kündigung des Lizenzverhältnisses auch in den Fällen des Ausschlusses des ordentlichen Kündigungsrechts und der Einschränkung der außerordentlichen Kündigungs-möglichkeiten zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Die Klägerin argumentiert (ausschließlich), dass nach der Entscheidung EuGH C-661/11 , Martin y Paz, die Kündigung des Lizenzvertrags auch ohne wichtigen Grund möglich und zulässig sei.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Ob dem Markeninhaber die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung nach der zitierten Entscheidung des EuGH auch dann zustehen muss, wenn sie – wie hier – vertraglich ausgeschlossen wurde, hat der Senat in der Entscheidung 4 Ob 223/13t ausdrücklich offen gelassen. Die Frage kann auch hier offen bleiben, denn selbst wenn man dies mit der Revision bejahte, zeigt sie aus einem anderen Grund keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Die Klägerin beruft sich zur Begründung ihrer Rechtsansicht auf die Schlussanträge des Generalanwalts Villalón zu EuGH C‑661/11 Rn 66 und auf die Meinung Plassers (ÖBl 2014, 52). Aus beiden Stellungnahmen geht hervor, dass eine einseitige Kündigungsmöglichkeit ohne wichtigen Grund nur unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist in Frage kommt. Ob diese Auffassung auch vom EUGH zu C‑661/11 geteilt wird, kann dahinstehen:

2. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 28. 5. 2018 ausgesprochen. Darin wurde die sofortige Auflösung des Lizenzvertrags wegen schwerwiegenden Vertrauensverlusts erklärt.

3. Weder im Schreiben vom 28. 5. 2018 noch im Vorbringen vom 29. 6. 2018 wird deutlich dargelegt, dass die Klägerin den Lizenzvertrag (nunmehr auch) ordentlich kündigen wolle und dafür eine angemessene Frist setzt. Wenn die Vorinstanzen eine solche Umdeutung nicht von sich aus durchführten, wirft dies keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl 2 Ob 251/05h).

4. Hinzu kommt, dass die Berechtigung der Unterlassungsansprüche bezogen auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu prüfen ist (RIS‑Justiz RS0037619). Dieser fand hier am 6. 7. 2018 statt. Angesichts der mehr als zwanzigjährigen vertraglichen Zusammenarbeit wäre es an der Klägerin gewesen, darzulegen, weshalb eine Frist von rund einer Woche einer– von ihr selbst durch Verweis auf oben zitierte Quellen vertretenen – angemessenen Kündigungsfrist entsprechen sollte.

5. Daher zeigt die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist somit als unzulässig zurückzuweisen. Angesichts der obigen Begründung erübrigt sich auch eine Befassung des EuGH.

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