OGH 5Nc21/19m

OGH5Nc21/19m6.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** e.U., *****, vertreten durch Mag. Volker Kaya, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, wegen 4.000 EUR sA, über den Ordinationsantrag nach § 28 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050NC00021.19M.0906.000

 

Spruch:

Der Antrag, zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Rechtssache das Bezirksgericht Traun als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Kostenzuspruch wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger macht gegen die Beklagte – eine ägyptische Fluglinie – ihm abgetretene Ansprüche von 10 Flugpassagieren nach der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs‑ und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen geltend. Ihr bei der Beklagten gebuchter Flug von Linz‑Hörsching nach Hurghada am 11. 11. 2016 sei annulliert worden.

Unter Anschluss der einzubringenden Klage begehrt der Kläger beim Obersten Gerichtshof gemäß § 28 JN die Ordination eines für die Klage örtlich zuständigen Gerichts in Österreich, im Hinblick auf den Abflugort möge das Bezirksgericht Traun bestimmt werden. Er stützt sich auf die Unzumutbarkeit bzw Unmöglichkeit der Rechtsverfolgung in Ägypten, weil die dortigen Gerichte an die Fluggastrechteverordnung nicht gebunden seien, das Justizsystem in der arabischen Republik Ägypten keine fairen, unabhängigen und raschen Verfahren ermögliche, mit Ägypten kein Anerkennungs‑ und Vollstreckungsvertrag für diesen Bereich existiere, der Kläger aber eine Zwangsvollstreckung in das im Inland gelegene Vermögen der Beklagten beabsichtige und letztlich das Verfahren im Ausland für den Kläger mit hohen Kosten für die Reise der Passagiere nach Ägypten und die Übersetzungen verbunden wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

1. Für den Fall, dass für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, bestimmt § 28 Abs 1 JN, dass der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen hat, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (Z 1) oder der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre (Z 2) oder die inländische Gerichtsbarkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden ist (Z 3). Das Ordinationsverfahren ist einseitig; die Beklagte wird nicht beigezogen (6 Nc 1/19b; Mayr in Rechberger , ZPO 5 § 28 JN Rz 17). Erste Voraussetzung für die Ordination ist daher, dass ein Gerichtsstand in Österreich nicht gegeben oder nicht zu ermitteln ist; dies ist anhand der Klageangaben und der Aktenlage von Amts wegen zu prüfen ( Mayr aaO, Rz 2; RIS‑Justiz RS0117256).

2. Der Kläger selbst behauptet in seinem Ordinationsantrag, er beabsichtige eine Exekutionsführung auf im Inland befindliches Vermögen der Beklagten, nämlich die in ihrem Eigentum befindlichen Flugzeuge. In der dem Antrag angeschlossenen Klageschrift, die an das Bezirksgericht Traun adressiert ist, beruft er sich nicht nur auf den Gerichtsstand des Erfüllungsorts mit der Begründung, der Vertrag mit der Beklagten sei am Flughafen Linz‑Hörsching zu erfüllen gewesen, sondern – wie bereits im Ordinationsantrag – auch auf den Gerichtsstand des Vermögens. Dazu behauptet er, die Beklagte führe laufend Flüge am Flughafen Linz-Hörsching durch, sodass sich regelmäßig ein Flugzeug am Flughafen befinde, dessen Wert höher als 20 % des Streitwerts anzusetzen sei.

3. Nach den Angaben des Klägers selbst soll hier daher das Bezirksgericht Traun sowohl der Gerichtsstand des (vereinbarten) Erfüllungsorts nach § 88 Abs 1 JN als auch des Vermögens nach § 99 Abs 1 JN sein; sind die Voraussetzungen dieser Gerichtsstände verwirklicht, besteht insoweit auch die internationale Zuständigkeit Österreichs ( Mayr in Rechberger , ZPO 5 § 88 JN Rz 15 bzw § 99 JN Rz 16). Der Ausschluss dieser beiden Gerichtsstände gegenüber Personen, die ihren (Wohn-)Sitz in einem Mitgliedstaat der EuGVVO oder in einem Vertragsstaat des Lugano Übereinkommen haben (vgl Mayr in Rechberger , ZPO 5 § 99 JN Rz 17 mwN), kommt hier schon aufgrund des Sitzes der Beklagten in Kairo nicht in Betracht.

4. Das als erste Prämisse der Ordination zu prüfende (RS0117256) Fehlen eines Gerichtsstands im Inland behauptet der Kläger in seinem Ordinationsantrag daher nicht nur nicht, aus dem vorgelegten Klageentwurf ergibt sich sogar das Gegenteil. Im Sinn der Judikatur (RS0046805) macht der Kläger dort auch Angaben zur Höhe des Vermögens zwecks Beurteilung der Frage, ob dieses allenfalls unverhältnismäßig geringer sein könnte als der Wert des Streitgegenstands – dies wäre bei dem von ihm genannten Wert nicht der Fall (vgl RS0046752).

5. Nach den Angaben im Antrag und der bisherigen Aktenlage ist daher derzeit nicht davon auszugehen, dass ein Gerichtsstand im Inland fehlt. Eine die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Traun verneinende rechtskräftige Entscheidung liegt bislang nicht vor; diesbezüglich unterscheidet sich die prozessuale Lage von den zu 6 Nc 1/19b bzw 6 Nc 18/19w entschiedenen Fällen, wo das angerufene Gericht jeweils seine örtliche Zuständigkeit nach § 88 Abs 1 JN und § 99 Abs 1 JN bereits verneint hatte.

6. Damit war der Ordinationsantrag abzuweisen.

7. Im Ordinationsverfahren findet nach ständiger Rechtsprechung (RS0114932) kein Kostenersatz statt, weil es sich dabei um ein einseitiges Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof handelt, dem der Beklagte nicht beigezogen wird.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte