OGH 6Ob59/19y

OGH6Ob59/19y29.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Riha, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. Ute Toifl, LL.M., Rechtsanwältin in Wien, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des DI C*****, 2. Dr. J*****, 3. Mag. K*****, 4. MMag. B*****, 5. MMag. C*****, alle vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 92.202,40 EUR sA (Rekursinteresse 25.786,49 EUR), über die Rekurse der erstbeklagten Partei und des DI C*****, vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. Februar 2019, GZ 2 R 160/18v‑56, womit das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. Juli 2018, GZ 15 Cg 47/17k‑45, teilweise aufgehoben und weitere Beschlüsse gefasst wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00059.19Y.0829.000

 

Spruch:

I. Dem Rekurs des DI C***** gegen Spruchpunkt 1 der angefochtenen Entscheidung wird nicht Folge gegeben.

II. Der Rekurs der Erstbeklagten gegen die Verwerfung der Nichtigkeitsberufung (Spruchpunkt 2 der angefochtenen Entscheidung) wird zurückgewiesen.

III. Dem Rekurs der Erstbeklagten gegen die Zurückweisung der Berufung (Spruchpunkt 2 der angefochtenen Entscheidung) wird nicht Folge gegeben.

IV. Der Kostenrekurs der Erstbeklagten wird zurückgewiesen.

V. Der Rekurs des DI C***** gegen Spruchpunkt 4 der angefochtenen Entscheidung wird zurückgewiesen.

VI. Dem Rekurs der Erstbeklagten gegen Spruchpunkt 4 der angefochtenen Entscheidung wird nicht Folge gegeben.

VII. Die Rekurswerber haben die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

 

Begründung:

Nach Schluss der mündlichen Streitverhandlung wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 11. 7. 2018, AZ *****, am selben Tag in der Ediktsdatei kundgemacht, über das Vermögen des bisherigen Erstbeklagten DI C***** (künftig: der Schuldner) das Konkursverfahren eröffnet und die Erstbeklagte zur Masseverwalterin bestellt.

Mit Teilurteil vom 31. 7. 2018 gab das Erstgericht dem gegen den Schuldner und die Zweit- bis Fünftbeklagten zur ungeteilten Hand erhobenen Zahlungsbegehren im Umfang von 25.786,49 EUR samt gestaffelten Zinsen statt und wies ein Zinsenmehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht wies die gegen den klagestattgebenden Teil der Entscheidung erhobene Berufung des Schuldners zurück (Spruchpunkt 1), verwarf die Nichtigkeitsberufung der Erstbeklagten, wies ihre Berufung im Übrigen zurück und verpflichtete sie zum Kostenersatz gegenüber dem Kläger (alles Spruchpunk 2), fasste einen Aufhebungsbeschluss hinsichtlich des klagestattgebenden Teilurteils (Spruchpunkt 3) und sprach aus, dass der Zivilprozess zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten gemäß § 7 Abs 1 IO unterbrochen sei (Spruchpunkt 4).

Gegen Spruchpunkte 1, 2 und 4 richten sich die in einem Schriftsatz erhobenen (richtig:) Rekurse des Schuldners und der Erstbeklagten, wobei Spruchpunkt 1 der angefochtenen Entscheidung vom Schuldner, Spruchpunkt 2 von der Erstbeklagten und Spruchpunkt 4 vom Schuldner und der Erstbeklagten bekämpft werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu I.:

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Gegen den Beschluss, mit dem das Berufungsgericht eine Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückweist, kann gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO der Rekurs ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstands und das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhoben werden (RS0098745 [T3, T16]; RS0043882 [T1]; RS0043886 [T1, T4]; RS0042770 [T4, T7]; RS0043893).

Nach § 3 Abs 1 IO sind Rechtshandlungen des Schuldners, soweit sie die Insolvenzmasse betreffen, den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam. Unter Rechtshandlungen, die die Insolvenzmasse betreffen, sind nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern alle Handlungen, die rechtliche Wirkungen hervorbringen, so auch die Erhebung einer Berufung (Schubert in Konecny/Schubert, KO § 3 Rz 3; 3 Ob 138/15p) zu verstehen. Nach herrschender Auffassung steht die Unfähigkeit des Schuldners, über die Insolvenzmasse zu verfügen, der mangelnden Prozessfähigkeit im Sinne des § 6 ZPO gleich (Schubert in Konecny/Schubert, KO § 6 Rz 18; vgl RS0035434). Eine Genehmigung der vom Schuldner eingebrachten Berufung durch die Masseverwalterin, die den Mangel der Prozessfähigkeit heilt (vgl RS0035434 [T7]) wird im Rekurs nicht behauptet und ergibt sich auch aus dem Akt nicht. Die Zurückweisung der Berufung des Schuldners durch das Berufungsgericht erfolgte daher zu Recht.

Zu II.:

Der Rekurs ist nicht zulässig.

Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem eine wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen wurde, kann nicht bekämpft werden (RS0043405). Dies folgt aus der Rechtsmittelbeschränkung des § 519 ZPO (RS0043405 [T48]).

Zu III.:

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Zulässigkeit des Rekurses ergibt sich aus § 519 Abs 1 Z 1 ZPO (s oben I.).

Das Gericht kann über ein nach Eintritt der Unterbrechung des Verfahrens eingebrachtes Rechtsmittel, solange das Verfahren nicht wieder aufgenommen ist, nicht meritorisch entscheiden, sondern kann nur mit der Zurückweisung dieses Rechtsmittels beziehungsweise der erstatteten Rechtsmittelschriften vorgehen (RS0037023). Die Erstbeklagte stellt in ihrer am 10. 12. 2018 eingebrachten Berufung ausdrücklich klar, dass – auch von ihr selbst – kein Fortsetzungsantrag gestellt worden sei. Anderes behauptet sie auch im Rekurs nicht. Der Beschluss des Berufungsgerichts steht daher mit der Unterbrechungswirkung gemäß § 7 Abs 1 IO im Einklang.

Zu IV.:

Der Rekurs ist nicht zulässig.

Die Anfechtung einer Kostenentscheidung des Gerichts zweiter Instanz ist grundsätzlich ausgeschlossen (RS0104146). Dies gilt ausnahmslos auch für Rekurse gegen Kostenentscheidungen, die das Berufungsgericht funktionell als erste Instanz fällt (RS0110033).

Zu V.:

Der Rekurs ist nicht zulässig.

Dazu ist auf die obigen Ausführungen zu Punkt 1.2. zu verweisen. Die bereits oben (zu I.) dargelegte Unfähigkeit des Schuldners, über die Insolvenzmasse zu verfügen, erfasst auch die Erhebung des hier zu beurteilenden Rekurses.

Zu VI.:

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Es ist ständige Rechtsprechung, dass deklarative (vgl RS0064046) Unterbrechungsbeschlüsse, die bloß eine Verfahrensunterbrechung gemäß § 7 Abs 1 IO dokumentieren sollen, auch wenn sie im Berufungsverfahren getroffen wurden, anfechtbar sind (6 Ob 172/16m mwN; RS0043955). Der Eintritt der Unterbrechungswirkung – auch für das Berufungsverfahren – wird im Rekurs gar nicht in Zweifel gezogen.

Zu VII.:

Die Kostenentscheidung gründet auf dem mangelnden Rechtsmittelerfolg (§§ 41, 50 ZPO).

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