OGH 8Ob48/19w

OGH8Ob48/19w29.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Pflegschaftssache der 1. mj K* W*, geboren am * 2002, 2. mj C* W*, geboren am * 2007, beide *, vertreten durch Dr. Elisabeth Zonsics‑Kral, Rechtsanwältin in Korneuburg, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters M* W*, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 27. September 2018, GZ 20 R 150/18a‑119, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Korneuburg vom 8. Juni 2018, GZ 16 Pu 15/13y‑110, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E126075

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Der Antragsgegner war als Vater der Kinder zuletzt zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 525 EUR für die Erstantragstellerin und 450 EUR für den Zweitantragsteller verpflichtet. Dieser Unterhaltsfestsetzung lag ein monatliches Nettoeinkommen des beim Österreichischen Bundesheer beschäftigten Vaters von 3.760 EUR zugrunde.

Seit 1. 8. 2015 ist der Vater bei der österreichischen Botschaft in A* stationiert. Er wohnt mit seiner nicht berufstätigen Gattin und einer gemeinsamen, im Dezember 2013 geborenen Tochter in A*. Seit der Stationierung in A* erhält der Vater einen jährlichen Wohnkostenzuschuss von 42.000 EUR, der (unstrittig) zur Gänze kostendeckend ist.

Mit Eingabe vom 26. 1. 2017 begehrten die Antragsteller die gestaffelte Erhöhung der monatlichen Unterhaltsleistungen sowie Nachzahlungen ab 1. 1. 2013.

Der Antragsgegner wandte sich gegen die beantragte Erhöhung und brachte – soweit für das Verfahren dritter Instanz noch relevant – vor, er habe regelmäßige Repräsentationsaufwendungen, außerdem brächten die schwierigen Lebensumstände in A* zahlreiche alltägliche Mehrausgaben mit sich.

Im Frühjahr 2017 habe der Vater eine Wohnung in Wien um einen Mietzins von monatlich rund 990 EUR angemietet, um dort mit seiner Familie den Heimaturlaub zu verbringen. Die früher bestehende Möglichkeit, kostenlos bei seiner Großmutter zu wohnen, sei weggefallen. Auch wenn der Wohnsitz in A* zur Gänze vom Dienstgeber bezahlt werde, erspare sich der Vater dadurch nun keinen eigenen Aufwand mehr.

Das Erstgericht gab den Unterhaltserhöhungsbegehren der Kinder teilweise statt.

Bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage sei, wie bereits bei der letzten Festsetzung, ein Teilbetrag des Wohnkostenzuschusses in Höhe von 1.000 EUR monatlich als fiktive Eigenersparnis pauschal anzurechnen.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Kinder teilweise, jenem des Antragsgegners jedoch nicht Folge. Es bestätigte die Beurteilung, dass die Anmietung einer inländischen Wohnung durch den Vater nichts an der teilweisen Anrechenbarkeit seines Wohnzuschusses auf die Bemessungsgrundlage geändert habe. Die eigenen Wohnkosten des Unterhaltspflichtigen seien bei der Anwendung der Prozentmethode grundsätzlich nicht abzugsfähig.

Aufgrund der Zulassungsvorstellung des Antragsgegners erklärte das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es gebe noch keine eindeutige höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, wie der Wohnkostenzuschuss eines im Ausland stationierten unterhaltspflichtigen Beamten bei der Bemessung zu behandeln ist, wenn er auch im Inland eine Wohnung unterhält.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er die Bemessung des Unterhalts auf Grundlage eines um den gesamten Wohnkostenzuschuss verminderten Einkommens anstrebt. Die Antragsteller haben eine Gegenschrift erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Die Unterhaltsbemessung kann im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle nach Prozentkomponenten erfolgen und bietet für durchschnittliche Verhältnisse eine brauchbare Handhabe, um den Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen angemessen teilhaben zu lassen. Der Unterhalt wird aber grundsätzlich nicht exakt mathematisch berechnet, sondern im Rahmen einer Ermessensentscheidung bemessen (RIS‑Justiz RS0057284 [T4; T6]).

2. In der im Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 2 Ob 15/09h hat der Oberste Gerichtshof zur Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage eines im Ausland stationierten Vaters ohne inländischen Wohnsitz festgehalten, dass aus Gründen der Gleichbehandlung aller Unterhaltspflichtigen die teilweise Einbeziehung des Wohnkostenzuschusses in die Unterhaltsbemessungsgrundlage zur Erzielung eines sachgerechten Ergebnisses im Anlassfall geboten sei. Begründet wurde dieses Ergebnis mit dem Verweis auf die für überzeugend erachtete, vom Obersten Gerichtshof geteilte Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass bei einem im Ausland in Verwendung stehenden unterhaltspflichtigen Beamten, der im Inland keinen Wohnsitz unterhält, jedenfalls der einer angemessenen Wohnversorgung im Inland entsprechende Anteil des Wohnkostenzuschusses gemäß § 21c GehG in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen ist (§ 71 Abs 3 Satz 2 AußStrG). Könne – so das Rekursgericht, dem der Oberste Gerichtshof gefolgt ist – der Unterhaltspflichtige seine in Österreich bestehende Wohnung nicht auflösen, etwa weil sie auch zur Wohnversorgung Angehöriger erforderlich sei, entstehe durch die zusätzlichen Wohnkosten im Ausland ein Mehraufwand, dessen Abgeltung der Wohnkostenzuschuss diene. Sei dies aber nicht der Fall, wäre der Auslandsbeamte im Vergleich zu anderen Unterhaltspflichtigen, die von ihrem Einkommen auch ihre Wohnversorgung finanzieren müssten, damit besser gestellt. Im Ergebnis sei er daher so zu behandeln wie ein Dienstnehmer, der von seinem Dienstgeber eine Dienstwohnung unentgeltlich als Naturalleistung zur Verfügung gestellt erhalte. Grundsätzlich wäre daher der gesamte Wohnkostenzuschuss in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen; wenn aber der Zuschuss wegen des Preisniveaus am Dienstort überdurchschnittlich hoch ausfalle, sei lediglich der den Kosten einer angemessenen Wohnversorgung entsprechende Anteil zu berücksichtigen.

3. Im vorliegenden Fall werden die Wohnkosten des Vaters am Familienwohnsitz in A* unstrittig vom bezahlten Wohnkostenzuschuss zur Gänze gedeckt. Der Dienstort war nach dem Sachverhalt eineinhalb Jahre lang der einzige Wohnsitz des Vaters und seiner Familie, nach Österreich reisten sie nur regelmäßig zu Erholungszwecken. Die im Jahre 2017 erfolgte Neuanmietung einer inländischen Wohnung erfolgte nach den Sachverhaltsfeststellungen, die mit dem Vorbringen im Revisionsrekurs übereinstimmen, weder aus dienstlichen Gründen, noch zur notwendigen Wohnversorgung von im Inland gebliebenen Familienmitgliedern. Es handelt sich vielmehr um eine permanente Zweit‑ oder Ferienwohnung, die während der Heimaturlaube zu Erholungszwecken genutzt wird.

4. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob diese Wohnung kostengünstiger ist als wiederholte Hotelaufenthalte, wie der Revisionsrekurs ins Treffen führt. Abgesehen davon, dass diese Argumentation das notorische Angebot an temporären Ferienappartements außer Acht lässt, deren Vorteil in den nur während des tatsächlichen Aufenthalts anfallenden Kosten besteht, gehört die Gestaltung der Erholungs‑ und Urlaubszeit grundsätzlich zum privaten Bereich des Unterhaltspflichtigen und rechtfertigt keinen Abzug von der Bemessungsgrundlage.

Würde die Familie des Antragstellers aus wichtigen Gründen dauerhaft ihren Wohnsitz in der gemieteten inländischen Wohnung etablieren, dann wären die vom Dienstgeber bezahlten Wohnkosten des Vaters am Dienstort zwar zur Gänze als zusätzlicher Aufwand zu werten. In diesem Fall würden aber weder Ehegatten‑ noch Kinderzuschüsse nach § 21a Z 7 und 8 GehG gebühren, weil diese Ansprüche nur zustehen, solange sich der Ehegatte und die Kinder bei gemeinsamer Haushaltsführung mit dem Beamten ständig am ausländischen Dienst- und Wohnort aufhalten. Die festgestellte Höhe des Ehegatten‑ und Kinderzuschusses beläuft sich hier monatlich auf über 900 EUR und erreicht damit fast die Höhe des auf die Bemessungsgrundlage angerechneten Pauschalbetrags.

Dem Revisionsrekurs war daher keine Folge zu geben.

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