OGH 15Os52/19i

OGH15Os52/19i10.7.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Denijel R***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Jänner 2019, GZ 41 Hv 49/18a‑75, sowie über dessen Beschwerde gegen einen gleichzeitig gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00052.19I.0710.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG bei A./ des Schuldspruchs, demzufolge auch im Strafausspruch, und der Widerrufsbeschluss aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Denijel R***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (A./) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – in W*****

A./ vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Cannabiskraut enthaltend 1,34 % Delta‑9‑THC und 17,62 % THCA, „hinsichtlich der drei Taten in A./I./ gewinnbringend und in einer jeweils die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge“ anderen überlassen, wobei er gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) handelte und schon einmal (mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. März 2008 zu AZ 143 Hv 32/08m) wegen § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG verurteilt worden war, nämlich

I./ Semih B***** insgesamt 2.500 Gramm, und zwar

1./ zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum von Dezember 2017 bis Anfang Februar 2018 in zwei Angriffen insgesamt 1.519,1 Gramm enthaltend 20,3 Gramm Delta‑9‑THC und 267,66 Gramm THCA;

2./ am 10. Februar 2018 980,9 Gramm enthaltend 13,1 Gramm Delta‑9‑THC und 172,8 Gramm THCA;

II./ im Zeitraum von Dezember 2017 bis Ende Juni 2018 Sasa P***** in drei Angriffen insgesamt 15 Gramm enthaltend 0,2 Gramm Delta‑9‑THC und 2,6 Gramm THCA.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen A./ des Schuldspruchs aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) wendet sich gegen die mit Blick auf § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB (RIS‑Justiz RS0130966) entscheidende Feststellung, wonach der Angeklagte betreffend A./I./1./ des Schuldspruchs bei den beiden „Angriffen“ jeweils eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge übergab (US 4 f). Zu Recht weist der Rechtsmittelwerber darauf hin, dass die Tatrichter die Angaben des Semih B*****, der bei seiner ersten Vernehmung als Beschuldigter nach seiner Festnahme aussagte, er habe vom Angeklagten bei den beiden ersten Malen einmal 200 Gramm und einmal 150 Gramm und beim dritten Mal 1 kg Marihuana erworben (ON 49 S 25), nicht berücksichtigt haben (Z 5 zweiter Fall).

Soweit sich das Schöffengericht betreffend die angesprochene Konstatierung auf die „allgemeine Lebenserfahrung“ stützte, wonach „bei Suchtgiftverkäufen in dieser Größenordnung (1,5 kg Cannabiskraut in zwei Übergaben) keine in Relation zur Gesamtmenge geringen Mengen übergeben werden“ (US 8), zeigt die Nichtigkeitsbeschwerde eine offenbar unzureichende Begründung auf (Z 5 vierter Fall).

Indem sich die Mängelrüge darüber hinaus generell gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite bei A./ des Schuldspruchs wendet, ist sie hingegen nicht im Recht. Entgegen dem Beschwerdevorbringen (Z 5 vierter Fall) ist die von den Tatrichtern vorgenommene Ableitung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tathergang (US 8) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671).

Der aufgezeigte Begründungsmangel erforderte die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang sowie demzufolge auch des nach § 494a StPO gefassten Beschlusses bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) samt Anordnung einer neuen Hauptverhandlung und Verweisung der Sache an das genannte Landesgericht.

Im darüber hinausgehenden Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Für den zweiten Rechtsgang wird angemerkt:

Gewerbsmäßige Begehung nach Maßgabe des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB kann erst ab der dritten Tat vorliegen. Wird daher die Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 1 SMG deswegen angenommen, weil ein Angeklagter im Sinn des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB bereits zwei solche (ebenfalls verfahrensgegenständliche) Taten (vgl RIS‑Justiz RS0130965) begangen hat, ist er wegen zweier Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG und eines oder mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1, Abs 2 Z 1 SMG schuldig zu erkennen (RIS‑Justiz RS0130966 [T3]).

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht allerdings entgegen der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs den Angeklagten bloß eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG schuldig erkannt, was von der Staatsanwaltschaft nicht bekämpft wurde. Sollte im zweiten Rechtsgang festgestellt werden, dass sich die beiden Übergaben zu A./I./1./ jeweils auf eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge bezogen, wäre der Angeklagte – mit Blick auf die im ersten Rechtsgang zu Unrecht gebildete und für den Angeklagten nicht nachteilige Subsumtionseinheit (vgl RIS‑Justiz RS0120632) – neuerlich bloß eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG schuldig zu erkennen.

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