OGH 4Ob48/19s

OGH4Ob48/19s5.7.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Kläger 1. S***** K*****, 2. M***** P*****, vertreten durch Dr. Klaus Kollmann und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen die Beklagte L***** GmbH, *****, und den Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten Dr. H***** K*****, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner und Dr. Judith Kolb, Rechtsanwälte in Graz, wegen 50.688,34 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2019, GZ 2 R 3/19g-20, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00048.19S.0705.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerinnen begehren von der beklagten Rechtsanwaltsgesellschaft Schadenersatz wegen der Verletzung von Treuhänderpflichten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines neu errichteten Wohnungseigentumsobjekts.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Zwischenurteil, mit welchem ausgesprochen wurde, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Mit ihrer außerordentlichen Revision begehrt die Beklagte, das Klagebegehren abzuweisen.

Die Revision ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen der Revision hat das Berufungsgericht die behauptete Nichtigkeit auch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 477 Abs 1 Z 4 ZPO) geprüft, jedoch verneint. Sie kann daher im Revisionsverfahren auch mit der Behauptung nicht neuerlich geltend gemacht werden, das Berufungsgericht sei auf bestimmte Argumente der Beklagten nicht (ausreichend) eingegangen (vgl RIS‑Justiz RS0042981 [T7]).

2. Eine Beweisrüge, die bloß den ersatzlosen Entfall einer Feststellung anstrebt, ist nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt (RS0041835 [T3]). Die Beklagte hat zwar – wie die Revision ausführt – eine „Ersatzfeststellung“ begehrt, die jedoch nur den unstrittigen Teil des angefochtenen Tatsachenkomplexes betraf und den eigentlich strittigen Punkt (die Übergabe der gesamten Vertragsunterlagen) nicht behandelte. Die Verneinung der gesetzmäßigen Ausführung der Rüge durch das Berufungsgericht ist daher nicht zu beanstanden. Im Übrigen hat es sich ohnedies inhaltlich mit den Argumenten der Beklagten befasst. Dass dies der Revisionswerberin nicht überzeugend genug erscheint, begründet keinen Verfahrensmangel (vgl RS0043162).

3. Zu Unrecht rügt die Revision, das Berufungsgericht sei von der Entscheidung 5 Ob 64/11i abgewichen. Deren Aussage, dass ein Vertrag über die Errichtung eines Gebäudes auf eigenem Grund nicht dem BTVG unterfällt (Pkt 3.2.5), bezieht sich nämlich nicht auf den hier gegebenen Fall, dass eine wirtschaftliche Einheit zwischen Liegenschaftskauf- und Bauwerkvertrag im Sinne des § 2 Abs 4 BTVG besteht. Unverständlich ist weiters der Vorwurf, die Vorinstanzen hätten bei der Prüfung der wirtschaftlichen Einheit unzutreffend (nur) auf die subjektive Einschätzung der Kläger abgestellt. Das Berufungsgericht stützte seine Beurteilung vielmehr ausdrücklich auf den objektiven Eindruck. Diesen bejahte es, weil den Klägern bei den Vorgesprächen ein Gesamtprojekt verkauft wurde und die Kaufpreise, das ausführende Bauunternehmen sowie der von den Klägern abgeschlossene Bauwerkvertrag für das ausgewählte Bauunternehmen vorgegeben waren. Damit liegt keine Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung vor (vgl 3 Ob 225/17k).

4.1. Ob die Beklagte, die nach den Feststellungen in die laufende Abwicklung der Treuhandschaft eintrat, verpflichtet war, die zugrunde liegenden Verträge auf die Anwendbarkeit des BTVG zu überprüfen, stellt entgegen der Revision keine erhebliche Rechtsfrage, sondern eine solche des Einzelfalls dar (vgl RS0107573). Im Übrigen wurde sie bereits durch die Entscheidung 5 Ob 64/11i ausreichend beantwortet. Auch dort wurde die Anwendbarkeit des BTVG bzw ein dessen § 10 Abs 2 entsprechender Ratenplan in den Verträgen nicht festgehalten bzw vereinbart. Die Haftung des Treuhänders für dem BTVG widersprechende Auszahlungen wurde dennoch nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern nur deswegen verneint, weil keine wirtschaftliche Einheit bestanden hatte.

4.2. Dies war hier – wie schon ausgeführt – jedoch der Fall und hätte der Beklagten schon deswegen erkennbar sein können, weil ihr alle maßgeblichen Unterlagen übergeben wurden, die Erwerber mehrmals erklärten, von der Liegenschaftseigentümerin „Wohnungen gekauft“ zu haben und Besorgnis über den mangelnden Baufortschritt äußerten. Im Übrigen begründet die Tatsache, dass nicht die Beklagte die Verträge errichtete, schon deswegen keine erhebliche Rechtsfrage, weil sich die Überwachungs- und Sicherungspflichten nach § 12 Abs 3 ff BTVG ausdrücklich an den Treuhänder und nicht an den Vertragserrichter wenden (7 Ob 104/10k).

5. Weshalb es dem schadenersatzrechtlichen Anspruch der Kläger entgegenstehen sollte, dass die Beklagte „nicht Ausfallsbürgin“ ist, wird in der Revision nicht nachvollziehbar dargelegt.

6. Soweit die Revision behauptet, der Schaden der Kläger sei durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, wovon das Berufungsgericht abgegangen sei, ist ihr zu entgegnen, dass dieser Einwand die Höhe des Anspruchs betrifft, die Vorinstanzen jedoch ein Zwischenurteil dem Grunde nach gefällt haben (vgl RS0126666).

7. Auf § 1300 ABGB kommt es hier nicht an. Die Haftung der Beklagten gründet sich auf einen Verstoß gegen das BTVG und nicht auf die Erteilung eines unrichtigen Rates. Im Übrigen kommt es für die Beurteilung, ob ein Rat „selbstlos“ oder „gegen Belohnung“ gegeben wurde, nicht darauf an, ob ein Entgelt ausdrücklich vereinbart wurde (RS0044121). Es reicht aus, dass der Rat nicht bloß aus Gefälligkeit gegeben wurde (RS0026596), was die Beklagte auch nicht behauptet. Von einem sekundären Feststellungsmangel in Bezug auf eine Vereinbarung eines Entgelts für die Treuhänderdienste der Beklagten kann daher nicht die Rede sein.

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