OGH 12Os77/19v

OGH12Os77/19v27.6.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Rathgeb in der Strafsache gegen Kashif S***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 und 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Muhibullah M***** gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Jugendschöffengericht vom 22. März 2019, GZ 37 Hv 14/19p‑26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00077.19V.0627.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Muhibullah M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Kashif S*****, Asadullah B***** und Muhibullah M***** jeweils mehrerer Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 und 2 StGB (I./a./, II./a./ und b./; zu I./b./ iVm § 15 StGB) schuldig erkannt.

Danach haben die Genannten am 30. Oktober 2018 in P***** als Mittäter im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) mit den strafunmündigen Asseel A***** und Amir Mu***** mit Gewalt gegen eine Person sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) anderen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt und abzunötigen versucht, wobei sie sämtliche Taten ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begingen, die Taten nur unbedeutende Folgen nach sich zogen und es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB) handelte, nämlich

I./a./ Robin St***** Bargeld, indem ihn Asseel A***** an der Kapuze riss, ihn alle fünf Täter bedrohlich einkreisten und Asseel A***** drohte, sie würden ihn schlagen, wenn er keinen Euro hergebe, sowie einer der fünf Täter fest an seinem Turnbeutel zerrte, um ihm diesen zu entreißen, worauf Robin St***** 0,70 Euro an Asseel A***** aushändigte;

b./ Elias W***** Bargeld, indem alle fünf Täter Elias W***** bedrohlich umzingelten, Asseel A***** von ihm Geld forderte, ihn von hinten umklammerte und hochhob, Amir Mu***** ihm zwei Ohrfeigen und Asadullah B***** zwei Faustschläge in den Bauch versetzten, wobei es zufolge Weigerung des Opfers, Geld herauszugeben, beim Versuch blieb;

II./a./ Simon T***** Bargeld, indem ihn die fünf Täter bedrohlich einkreisten, er auf Aufforderung das Innere seiner Hosentasche herzeigen musste und Asadullah B***** ihm die dabei herausgefallene 20‑Cent‑Münze wegnahm;

b./ Niklas G***** eine Umhängetasche „Tommy Hilfiger“ im Wert von 50 Euro, indem einer der fünf Täter zunächst vergeblich versuchte, seine Halskette herunterzureißen, wenig später alle fünf Täter ihn bedrohlich umzingelten, Asseel A***** die Herausgabe seiner Umhängetasche forderte und daran kräftig zerrte, worauf er die Tasche an diesen herausgab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Muhibullah M*****.

Die Verfahrensrüge (Z 3) macht an sich zutreffend einen Verstoß gegen § 250 Abs 1 letzter Satz (§ 250 Abs 2) StPO geltend, weil dem Beschwerdeführer der Inhalt der Aussage der in seiner Abwesenheit vernommenen Zeugen Elias W***** und Niklas G***** nicht zur Kenntnis gebracht worden sei.

In Ansehung des Erstgenannten verfehlt die Beschwerde schon mangels der erforderlichen (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0110266&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ; Kirchbacher, WK-StPO § 250 Rz 11; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 249) deutlichen und bestimmten Bezeichnung des vermissten Inhalts seiner Aussage, deren unterbliebene Mitteilung sich nachteilig ausgewirkt hätte, die Orientierung am Gesetz.

Der Zweitgenannte hatte im Ermittlungsverfahren angegeben, der von ihm anhand eines Lichtbildes identifizierte Muhibullah M***** sei „eher nur daneben“ gestanden und habe sich nicht viel eingemischt (ON 2 S 86). Diese dem (durch einen Verteidiger vertretenen) Beschwerdeführer bekannte Aussage hielt er in der Hauptverhandlung ausdrücklich aufrecht (ON 25 S 13).

Dass der Zeuge in der Folge über Vorhalt der angeführten Aussagepassage sowie der Lichtbilder der Angeklagten angab, jetzt nicht mehr unterscheiden zu können, wer das war (ON 25 S 13), konnte unzweifelhaft keinen Einfluss auf die Entscheidung nach Maßgabe des Prozessstandpunkts des geständigen Beschwerdeführers herbeiführen (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 734).

Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Gesamtheit der Urteilsfeststellungen unter Beachtung des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen. Die argumentative Vernachlässigung entscheidender Sachverhaltskomponenten oder der Ersatz einer tatrichterlichen Feststellung durch eigene Modifikationen wird diesem Erfordernis nicht gerecht (RIS‑Justiz RS0124801, RS0116823). Diese Anforderungen verfehlt der Beschwerdeführer, indem er die – vom Erstgericht als der Diversion entgegenstehend hervorgehobene – Begehung von vier Raubtaten „innerhalb weniger Stunden […] am helllichten Tag inmitten eines stark frequentierten Einkaufszentrums“ bloß mit dem Zweck, sich Geld für Automatenspiele zu beschaffen (US 11), gänzlich vernachlässigt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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