OGH 4Ob60/19f

OGH4Ob60/19f28.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde D*, vertreten durch Dr. Andreas Fussenegger, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagten Parteien 1. E* B*, 2. M* B*, 3. D* B*, 4. I* T*, alle vertreten durch Dr. Karl Schelling, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Übergabsauftrag, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 22. Jänner 2019, GZ 2 R 5/19d‑17, womit das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 15. Oktober 2018, GZ 3 C 714/18f‑13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E125472

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die klagende Gemeinde ist Eigentümerin des Grundstücks * der KG * (im Folgenden: Grundstück), die Beklagten sind Geschwister und Erben nach ihrem Vater. 1960 gab die Klägerin dem Vater ein Teilstück des Grundstücks zwecks Errichtung eines Wochenendhauses mit unbefristetem Mietvertrag in Bestand. Nach dem Tod des Vaters übernahmen die Beklagten das Haus und renovierten bzw erweiterten dieses. Nach einer Aufkündigung des Bestandvertrags durch die Klägerin im Jahr 2007 bemühten sich die Beklagten um eine weitere Nutzung. Die entsprechenden Verhandlungen führten schließlich zum Abschluss eines schriftlichen Mietvertrags zwischen den Streitteilen, wobei das Bestandverhältnis eine ca 320 m2 große Teilfläche des Grundstücks (zur Nutzung in der Freizeit zum Zweck der Erholung) umfasste und für die Dauer von zehn Jahren (Juli 2008 bis Juni 2018) abgeschlossen wurde. Anfang 2018 verrechnete die Klägerin den Beklagten irrtümlicherweise den gesamten Jahreszins. Nach Reklamation durch die Beklagten zahlte die Klägerin den für die zweite Jahreshälfte verrechneten Anteil umgehend zurück.

Die Klägerin begehrte die Erlassung eines Übergabsauftrags zum 30. Juni 2018, wonach die Beklagten schuldig seien, ihr „die im Mietvertrag … konkretisierte Teilfläche im Ausmaß von 320m  2“ zu übergeben.

Die Beklagten erhoben gegen den Übergabsauftrag Einwendungen und begehrten dessen Aufhebung. Sie wendeten ua ein, dass der Mietvertrag von der Klägerin nicht unterfertigt worden sei.

Das Erstgericht erkannte den Übergabsauftrag als rechtswirksam und trug – in Konkretisierung des Klagebegehrens – den beklagten Parteien auf, „die im Mietvertrag … konkretisierte Teilfläche im Ausmaß von 320 m 2 … an die klagende Partei – insbesondere durch Entfernung der im Eigentum der Beklagten dort stehenden Hütte samt Zubehör – zu übergeben“.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es ging davon aus, dass die im Vlbg Gemeindegesetz geforderte Schriftlichkeit gewahrt worden sei. Der Vertrag sei von allen Parteien unterschrieben worden. Der unterfertigte Mietvertrag sei auch allen Beklagten zugegangen. Das Klagebegehren sei hinreichend bestimmt, dies auch ungeachtet des Umstands, dass dem Übergabsauftrag eine Skizze der zu räumenden Fläche nicht beigeschlossen worden sei, weil auf der Liegenschaft nur die Holzhütte der Beklagten situiert sei. Eine Räumungsexekution nach § 349 EO sei daher möglich.

In ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision beantragen die Beklagten die Abänderung der Berufungsentscheidung im abweisenden Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bezüglich der erforderlichen Bestimmtheit des Klagebegehrens von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist. Das Rechtsmittel ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Die Beklagten bestreiten hinsichtlich des Bestandvertrags die Einhaltung der nach § 69 Vlbg Gemeindegesetz gebotenen Schriftform. In diesem Zusammenhang erweckt das Rechtsmittel keine Bedenken gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts. Auf die Ausführungen des Berufungsgerichts kann verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Entgegen dem Rechtsmittel ist aus den Feststellungen abzuleiten, dass der von beiden Seiten unterfertigte Vertrag auch allen (vier) Beklagten zugegangen ist. Die Vorinstanzen konnten somit von einem wirksam für zehn Jahre abgeschlossenen Bestandvertrag ausgehen. Damit stellen sich die zum KlGG aufgeworfenen Rechtsfragen nicht, die an eine unwirksame Befristung anknüpfen.

2. Allerdings zeigen die Beklagten zutreffend auf, dass die vom Berufungsgericht bestätigte Entscheidung des Erstgerichts mangels Bestimmtheit keinen tauglichen Exekutionstitel bilden kann.

2.1  Nach § 562 Abs 1 zweiter Satz ZPO hat die gerichtliche Aufkündigung unter anderem die Bezeichnung des Bestandgegenstands zu enthalten. Das hat nach gesicherter Rechtsprechung dahin zu geschehen, dass der Gegenstand auch für einen Dritten (das Vollstreckungsorgan) objektiv erkennbar ist. Nur so ist das Vollstreckungsorgan in der Lage, dem Bewilligungsbeschluss die zu erzwingende Leistung zu entnehmen, ohne dass es weiterer Erhebungen oder Nachweise bedürfte (1 Ob 133/14m mwN).

2.2 Der Übergabsauftrag erfüllt – beim Bestandvertrag auf bestimmte Dauer – verfahrensrechtlich die gleiche Funktion wie die gerichtliche Kündigung (RS0044915). Die Rechtsprechung zur gerichtlichen Kündigung ist daher für den Übergabsauftrag verwertbar (RS0044915 [T3]).

2.3 Auch ein Übergabsauftrag nach § 567 ZPO muss den Antrag enthalten, einen bestimmt bezeichneten Bestandgegenstand zur bestimmten Zeit zu übergeben (Iby in Fasching/Konecny 2 § 567 ZPO Rz 4). Im Hinblick auf die (mangels freiwilliger Räumung bzw Entfernung) allenfalls erforderliche Vollstreckung nach § 349 EO bzw nach § 353 EO (vgl RS0004430 [T2], jüngst 3 Ob 17/19z) muss die Liegenschaft oder der Teil derselben bestimmt bezeichnet sein, es muss also bereits aus dem Exekutionstitel eindeutig hervorgehen, welche Teile einer Liegenschaft zu überlassen oder zu räumen sind (RS0000769). Die von der titelgemäßen Verpflichtung betroffenen Liegenschaftsteile müssen dabei allein durch den Titel bestimmt sein (zuletzt 3 Ob 231/18v).

2.4 Bei der angestrebten Räumung eines Teils eines Grundstücks genügt ein Verweis auf die Umschreibung im Mietvertrag (die im Anlassfall ohnedies keine Klärung bringt) nicht. Die Bestimmtheit des Begehrens kann allerdings durch eine Planzeichnung hergestellt werden, wenn diese in das Begehren und in das stattgebende Urteil einbezogen wird (RS0000769 [T2]). Ein solcher Plan liegt hier dem Begehren bzw dem Urteil aber nicht zugrunde.

2.5 Die Bestimmtheit des angestrebten Exekutionstitels ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht schon deshalb gegeben, weil es auf dem Grundstück nur eine einzige Holzhütte gibt. Die Verpflichtung der Beklagten nach dem vom Berufungsgericht bestätigten Ersturteil beschränkt sich nämlich nicht auf die Entfernung dieser Hütte (arg „insbesondere“), sondern umfasst vielmehr auch die Räumung bzw Übergabe der gesamten Teilfläche von 320 m2, welche aber nicht weiter definiert wird.

2.6 Die angefochtene Entscheidung erfüllt damit nicht die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Titels.

3. Die von den Beklagten angestrebte Klagsabweisung würde allerdings gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen (§ 182a ZPO) verstoßen, zumal die in erster Instanz anwaltlich nicht vertretene Klägerin bislang noch keine Gelegenheit hatte, ihr Begehren im Rahmen einer Verhandlung entsprechend zu verbessern.

3.1 Eine mangelhafte Bezeichnung des Bestandobjekts im Übergabsauftrag kann – entgegen der Rechtsansicht der Beklagten – nach der Rechtsprechung auch nach Erhebung von Einwendungen durch die klagende Partei berichtigt oder präzisiert werden. Diese Verbesserung des Mangels ist möglich, sofern nur der Beklagte – wie hier – von Anfang an keine Zweifel über die Identität des zunächst unzureichend bezeichneten Bestandobjekts haben konnte, somit wusste oder als redlicher Erklärungsempfänger zumindest wissen musste, welches Bestandobjekt gemeint war (1 Ob 133/14m). Bei Vorliegen dieser Voraussetzung ist eine Verbesserung zulässig (RS0111666, jüngst 8 Ob 28/18b).

3.2 Das Erstgericht wird daher der Klägerin im fortgesetzten Verfahren erstmals Gelegenheit zur Präzisierung des Bestandobjekts im aufgezeigten Sinn zu geben und anschließend neuerlich zu entscheiden haben.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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