OGH 9ObA22/19d

OGH9ObA22/19d15.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und ADir. Gabriele Svirak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Stephan Hemetsberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 124 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 16. November 2018, GZ 10 Ra 98/18g‑12, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 25. Jänner 2018, GZ 7 Cga 74/17b‑7, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00022.19D.0515.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 186,46 EUR (darin enthalten 31,08 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

2. Ob ein bestimmtes willentliches Verhalten als Willenserklärung zu beurteilen ist, ist ein Ergebnis der Auslegung. Maßgeblich ist, ob nach dem objektiven Erklärungswert des Verhaltens eine die Rechtslage gestaltende Erklärung mit Bindungswirkung vorliegt (RS0102748).

Bei einer „Wissenserklärung“ geht es dagegen darum, dass die eine Partei der anderen oder beide Parteien übereinstimmend sich bloß ihre Vorstellungen über bestimmte Tatsachen mitteilen, jedoch keinen Willen dahin äußern, mit der Erklärung bestimmte Rechtsfolgen bewirken zu wollen (RS0120267).

Für die Auslegung von Verträgen, aber auch für die Frage der Abgrenzung zwischen einer Willenserklärung und einer bloßen Wissenserklärung ist nun nicht der Wille der einen oder anderen Partei maßgeblich, sondern wie die Äußerungen vom Erklärungsempfänger nach den Umständen objektiv zu verstehen waren (vgl RS0014160; RS0113932).

Selbst wenn eine Urkunde errichtet wurde, ist aufgrund entsprechenden Vorbringens der Parteien auch auf die Umstände im Zusammenhang mit der Errichtung der Urkunde und dem daraus für die Erklärungsempfänger jeweils objektiv zu entnehmenden Erklärungswert abzustellen. Es ist also dann nicht allein der Text der Urkunde, sondern auch das andere Erklärungsverhalten maßgeblich (8 ObA 34/05s mwN).

3. Die Frage, ob eine Äußerung als Wissens- oder Willenserklärung zu beurteilen ist, kann nur vor dem Hintergrund der jeweils konkret getroffenen Erklärungen beurteilt werden. Derartige von den Umständen des Einzelfalls abhängige Beurteilungen stellen regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar.

4. Die von der beklagten Arbeitgeberin formulierte Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses enthält folgende Passage: „Der Betrag von EUR 124,--, der für die Auflösungsabgabe bezahlt werden muss, wird bei der Endabrechnung einbehalten.“ Nach den Feststellungen war die Tragung der Abgabe nach § 2b Arbeitsmarktpolitik‑Finanzierungsgesetz (AMPFG) durch den Kläger kein Thema zwischen den Parteien. Von Seiten der Beklagten wurde nicht darauf hingewiesen, dass es sich um eine nach dem Gesetz vom Arbeitgeber zu tragenden Abgabe handelt und der einvernehmlichen Auflösung von der Beklagten nur bei Übernahme dieser Kosten zugestimmt wird. Unmittelbar über der zitierten Passage findet sich der Hinweis, dass noch ausstehende Löhne auf das Konto des Klägers überwiesen werden und dass sich die „Endabrechnungsansprüche nach den gesetzlichen Bestimmungen richten“. Damit hält sich die Auffassung der Vorinstanzen, dass es sich bei diesem Punkt der Vereinbarung um eine reine Wissenserklärung handelt, weil die Beklagte nicht davon ausgehen konnte, dass der Kläger mit Unterfertigung der Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung die Verpflichtung eingehen will, eine grundsätzlich nicht von ihm zu tragende Abgabe zu übernehmen, im Rahmen des vom Gesetz eingeräumten Ermessensspielraums.

Ist aber von einer bloßen Wissenserklärung auszugehen, stellt sich die vom Berufungsgericht als wesentlich angesehene Rechtsfrage der Zulässigkeit der Überwälzung der Abgabe nach § 2b AMPFG auf den Arbeitnehmer nicht.

5. Die Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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