OGH 18OCg4/19s

OGH18OCg4/19s15.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten Dr. Veith sowie die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Musger und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs (Streitwert 160.881,08 EUR), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:018OCG00004.19S.0515.000

 

Spruch:

 

Das Klagebegehren auf Aufhebung des Schiedsspruchs vom 18. 12. 2018, mit welchem die klagende Partei schuldig erkannt wurde, der beklagten Partei 160.881,08 EUR samt Zinsen zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.950,87 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin 4,80 EUR Barauslagen, 657,68 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Parteien war ein Schiedsverfahren anhängig, in dessen Verlauf das Schiedsgericht beiden Seiten Vorschüsse für die Schiedsrichterkosten von je 162.000 EUR auftrug. Da die Klägerin (dort Schiedsbeklagte) diesem Auftrag nicht Folge leistete, erlegte die Beklagte (dort Schiedsklägerin) den Gesamtbetrag von 324.000 EUR. Sie nahm diesen Vorschuss aber nicht in ihr Kostenverzeichnis auf. Das Schiedsgericht gab dem Begehren in der Hauptsache teilweise Folge und ordnete eine gegenseitige Kostenaufhebung an. Ein Teil des Kostenvorschusses wurde zurücküberwiesen

Mit weiterer Schiedsklage begehrte die Beklagte von der Klägerin 160.881,08 EUR samt Zinsen. Dabei handelte es sich um die Hälfte des im ersten Verfahren tatsächlich verbrauchten Kostenvorschusses. Mit dem nun angefochtenen Schiedsspruch gab das Schiedsgericht diesem Begehren statt.

Die Klägerin begehrt die Aufhebung dieses Schiedsspruchs nach § 611 Abs 2 Z 5 ZPO. Das Schiedsgericht habe den Parteien im ersten Schiedsverfahren aufgetragen, sämtliche Kostenersatzansprüche detailliert bekanntzugeben. Dennoch habe die Beklagte den von ihr erlegten Vorschuss nicht in das Kostenverzeichnis aufgenommen. Im Schiedsspruch habe das Schiedsgericht die „gegenseitige Aufhebung der im Zuge des Verfahrens angefallenen (implizit: 'soweit verzeichneten') Kosten“ angeordnet. Damit habe es über sämtliche im Schiedsverfahren angefallenen Kosten entschieden. Dies erfasse auch die Schiedsrichterhonorare, weil das Schiedsgericht im ersten Verfahren darüber abzusprechen gehabt hätte und auch – negativ – darüber abgesprochen habe. Die Rechtskraft dieser Entscheidung sei dem zweiten Schiedsverfahren entgegengestanden. Der dennoch erlassene Schiedsspruch verstoße daher gegen den verfahrensrechtlichen ordre public.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Sie habe im ersten Schiedsverfahren nur ihre Vertretungskosten – ausdrücklich ohne die Kosten des Schiedsgerichts – geltend gemacht. Das Schiedsgericht habe im ersten Schiedsspruch nicht über den Ersatz der Schiedsrichterkosten entschieden. Dies ergebe sich auch aus der Begründung des Schiedsspruchs. Der zweite Schiedsspruch habe daher nicht in die Rechtskraft des ersten Schiedsspruchs eingegriffen.

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die von den Parteien vorgelegten Urkunden. Auf dieser Grundlage wird folgender weiterer Sachverhalt festgestellt:

Im ersten Schiedsverfahren stellte das Schiedsgericht den Parteien bei Schluss der Verhandlung frei, binnen bestimmter Frist Post-Hearing-Schriftsätze einzubringen. Der Vorsitzende teilte mit, dass „gleichzeitig […] die Kostenansprüche detailliert bekannt zu geben“ seien (Protokoll ./E, Rz 70). Die Beklagte verzeichnete ihre Vertretungskosten, nahm aber ausdrücklich die Kosten des Schiedsgerichts aus (erster Schiedsspruch ./1, Rz 346). Das Schiedsgericht hielt auf dieser Grundlage fest, dass „ein Ersatzanspruch betreffend die Kosten des Schiedsgerichts nicht Gegenstand dieses Verfahrens“ sei (./1, Rz 348).

Im zweiten Schiedsspruch vertrat das Schiedsgericht die Auffassung, dass sich der geltend gemachte Ersatzanspruch aus einer Vereinbarung ergebe, wonach die Parteien die Kosten des Schiedsverfahrens zur Hälfte trügen; es handle sich dabei um einer privatrechtlichen, aus der Schiedsvereinbarung abgeleiteten Anspruch (zweiter Schiedsspruch ./A, Rz 84 ff). Der Anspruch sei nicht präkludiert, weil das Schiedsgericht im ersten Verfahren die spätere Geltendmachung nicht ausgeschlossen habe und dazu auch nicht befugt gewesen wäre (./A, Rz 93, 100). Die Bestimmungen der ZPO enthielten keine Bestimmung, wonach im Schiedsverfahren ein gesondertes Geltendmachen von Kostenersatzansprüchen unzulässig sei; § 54 ZPO sei hier nicht anwendbar (./A, Rz 101 ff). Der Einwand der entschiedenen Rechtssache sei verfehlt, weil das Schiedsgericht im ersten Schiedsspruch mangels entsprechenden Antrags nicht über den nun geltend gemachten Anspruch entschieden habe (./A, Rz 105 ff).

Die Feststellungen gründen sich auf die jeweils genannten Urkunden; widersprechende Beweisergebnisse gab es nicht.

Rechtliche Beurteilung

Auf dieser Grundlage ist die Aufhebungsklage abzuweisen:

1. Die Klägerin stützt sich ausschließlich darauf, dass im zweiten Schiedsspruch über einen bereits erledigten Anspruch entschieden worden sei. Damit macht sie einen Verstoß gegen die Einmaligkeitswirkung der Rechtskraft geltend. Darin könnte ein Ordre‑public‑Verstoß liegen ( Hausmaninger in Fasching/Konecny 3 § 611 Rz 143; Liebscher in Liebscher/Oberhammer/Rechberger , Schiedsverfahrensrecht II [2016] Rz 11/235; zur vergleichbaren Problematik des Verstoßes gegen die Schiedshängigkeit 18 OCg 2/16t ecolex 2017/140, 323 [ Melber ]; RIS‑Justiz RS0131050).

2. Ein Eingriff in die Einmaligkeitswirkung der Rechtskraft setzte allerdings voraus, dass die Kostenaufhebung des ersten Schiedsspruchs auch die im zweiten Verfahren strittigen Schiedsrichterkosten erfasste. Das ist zwar nach dem Wortlaut des Spruchs nicht ausgeschlossen. Allerdings sind zur Bestimmung von dessen Tragweite – wie im Verfahren vor staatlichen Gerichten (RS0000300) – auch die Gründe heranzuziehen. Aus ihnen ergibt sich eindeutig, dass der Anspruch auf Ersatz der Schiedsrichterkosten „nicht Gegenstand des Verfahrens“ war. Infolgedessen konnte sich aber auch der Spruch nicht darauf beziehen. Die Kostenaufhebung – und damit die Einmaligkeitswirkung des ersten Schiedsspruchs – erfasste daher nicht auch den im zweiten Verfahren geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Schiedsrichterkosten. Damit liegt der behauptete Eingriff in die Rechtskraft nicht vor. Maßgebend ist hier ausschließlich, worüber das Schiedsgericht im ersten Verfahren entschieden hat, nicht hingegen, worüber es allenfalls – nach Auffassung der Klägerin – zu entscheiden gehabt hätte.

3. Aus diesem Grund ist der geltend gemachte Aufhebungsgrund nicht verwirklicht. Das führt zur Abweisung der Aufhebungsklage.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO.

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