OGH 2Ob30/19d

OGH2Ob30/19d29.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** KG, *****, vertreten durch Dr. Ivo Greiter und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, wegen zuletzt 223.416,19 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2019, GZ 2 R 166/18x‑71, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00030.19D.0429.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 zweiter Satz ZPO abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist – von unvertretbaren Fehlbeurteilungen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891 [T4, T5]). Das Berufungsgericht hat die Feststellungen erkennbar dahin ausgelegt, dass nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien auch die im Handelsvertretervertrag bzw in den „Handelsvertreterkonditionen“ vereinbarten sogenannten „Betreuungsprovisionen“ Entgelt für die Vermittlungs‑ und Abschlusstätigkeit des Handelsvertreters seien und keine darüber hinausgehenden Kundenbetreuungsleistungen abgelten sollten. Damit hat es den ihm zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

2. Der übereinstimmende Parteiwille ist die oberste Norm des Vertrags. Die Auslegung nach dem objektiven Erklärungswert, nach der redlichen Verkehrssitte, kommt erst dann in Betracht, wenn eine Willensübereinstimmung der Parteien nicht feststellbar ist (RS0017811). Daher verliert der objektive Erklärungswert seine Bedeutung, wenn sich die Parteien in der Sache einig sind. Es gilt dann ihr übereinstimmender Wille, gleichgültig, ob die Ausdrucksmittel diesen Willen nach objektiven Kriterien zutreffend wiedergeben (RS0014005). Erst wenn eine übereinstimmende Parteiabsicht nicht als erwiesen gilt, darf der Gehalt einer schriftlichen Willenserklärung im Wege der rechtlichen Beurteilung durch Auslegung ermittelt werden (RS0017783).

Die Ansicht des Berufungsgerichts, aufgrund der getroffenen Feststellungen über die beiderseits geschuldeten Leistungen stehe der klagenden Partei der begehrte Provisionsanteil als Vermittlungs‑ bzw Abschlussprovision zu, steht im Einklang mit diesen Rechtsprechungsgrundsätzen.

3. Ob der Schuldner für die Zahlungsverzögerung „verantwortlich“ iSd § 456 UGB ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0116030 [T1]) und stellt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar. Stützt sich der Schuldner – wie im vorliegenden Fall – auf unzutreffende Tatsachenbehauptungen, kann dies an dem Anspruch auf Zinsen nach § 456 UGB nichts ändern (vgl RS0116030).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte