OGH 8Ob33/19i

OGH8Ob33/19i29.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Mag. Michael Ludwig Lang, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M*****, wegen 100.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 14. Februar 2019, GZ 3 R 15/19z‑7, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 17. Jänner 2019, GZ 4 Cg 82/18f‑4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00033.19I.0429.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt vom Beklagten Schadenersatz von 100.000 EUR sA. Der Beklagte sei für ihn als Fotograf tätig gewesen und habe auftragsgemäß vom Kläger entworfene und produzierte Taschen fotografiert. Der Beklagte habe diese für Werbemaßnahmen des Klägers angefertigten Lichtbilder in einer Dropbox abgelegt und dem Kläger ein uneingeschränktes und zeitlich unbefristetes Nutzungsrecht daran eingeräumt. Der Beklagte habe die Zusammenarbeit mit ihm vollkommen überraschend und ohne nähere Begründung aufgekündigt und mit Jahresende 2015 die Dropbox und damit den Zugriff des Klägers auf sämtliche für ihn angefertigten Lichtbilder gesperrt. Durch die grundlose Sperre des Zugriffs auf die Dropbox sei der Kläger gezwungen gewesen, im Wege der Ersatzvornahme sämtliche Bilder von einem anderen Fotografen neu anfertigen zu lassen. Zudem sei der gesamte Internetauftritt neu zu gestalten gewesen, weswegen es zu einer mehrwöchigen Unterbrechung des Internetauftritts gekommen sei. Für die zur Neugestaltung der Website notwendige EDV-Unterstützung seien ihm weitere Kosten entstanden. Obwohl die durch das vertragswidrige Verhalten des Beklagten entstandenen Kosten 100.000 EUR überstiegen, werde aus Kostengründen nur ein Betrag von 100.000 EUR unter Vorbehalt einer Ausdehnung geltend gemacht.

Das Erstgericht trug dem Kläger mit Beschluss vom 2. 1. 2019 auf, die Klage bei sonstiger Zurückweisung durch ziffernmäßige Aufschlüsselung des Leistungsbegehrens und bestimmte Bezeichnung der Ansprüche zu verbessern. Das Vorbringen lasse nicht erkennen, aus welchem Titel (welchen Rechnungen) welche Beträge begehrt würden und ob im Leistungsbegehren überhaupt ein Verdienstentgang enthalten sei. Die Klage habe ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Mehrere aus einem rechtserzeugenden Sachverhalt abgeleitete Beträge müssten in der Klagserzählung ziffernmäßig bestimmt aufgegliedert werden. Auch geltend gemachte Pauschalbeträge seien aufzuschlüsseln. Werde lediglich ein Teilbetrag eingeklagt, so sei klarzustellen, welche Teile von dem pauschal formulierten Begehren erfasst seien.

Mit Schriftsatz vom 16. 1. 2019 brachte der Kläger daraufhin ergänzend vor, dass der Beklagte auch mehrere vom Kläger genutzte Internet-Domains abgeschaltet und sämtliche E-Mail-Konten bei Providern gelöscht habe, sodass der gesamte Internetauftritt und elektronische Schriftverkehr des Einzelunternehmens des Klägers vollständig zum Erliegen gekommen sei. Aufgrund der mehrwöchigen Unterbrechung seines Internetauftritts sei dem Kläger ein wesentlicher Teil seiner Einkünfte entgangen, da seine Umsätze hauptsächlich auf Bestellungen der Zwischenhändler zurückzuführen seien, die sich über seinen Internetauftritt über seine Produkte informierten. Er listete seine Kosten der notwendigen Ersatzvornahme für die Neugestaltung des Internetauftritts im Gesamtbetrag von 56.050,61 EUR unter Anführung von Rechnung, Rechnungsnummer und Rechnungsdatum, Name des jeweiligen Rechnungslegers und schlagwortartiger Bezeichnung der jeweils erbrachten Leistungen auf. Des Weiteren brachte er vor, dass ihm durch den fehlenden Internetauftritt Einkünfte von 106.726,26 EUR entgangen seien, welcher Betrag sich aus dem Vergleich der Umsätze der Jahre 2015 und 2016 ergebe, sodass sich die Gesamtsumme der Schäden mit 162.776,87 EUR errechne. Der durch das vertragswidrige Verhalten des Beklagten entstandene Schaden übersteige 100.000 EUR, wobei aus Kostengründen vorerst nur dieser Betrag geltend gemacht werde.

Mit Beschluss vom 17. 1. 2019 wies das Erstgericht die Klage „mangels Eignung zur geschäftlichen Behandlung“ a limine zurück. Entgegen dem Hinweis im Verbesserungsauftrag, dass Pauschalbeträge aufzuschlüsseln seien und eingeklagte Teilbeträge erkennen lassen müssten, welche Teile von einem pauschal formulierten Begehren erfasst seien, lasse auch die verbesserte Klage nicht erkennen, welche Teilbeträge nun geltend gemacht würden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge und bestätigte diesen Beschluss, dessen Begründung es für zutreffend erachtete. Umstritten sei die Frage, ob eine Klage wegen mangelnder Bestimmtheit des Klagebegehrens mit Urteil abzuweisen oder mit Beschluss zurückzuweisen sei. Die Rechtsprechung betrachte die Bestimmtheit des Klagebegehrens zwar als eine von Amts wegen zu beachtende prozessuale Klagevoraussetzung, weise ein unbestimmtes Klagebegehren aber trotzdem überwiegend ab und nicht zurück. Allerdings werde in der Rechtsprechung vertreten, dass die Frage, ob ein Begehren ausreichend bestimmt und zur Sachentscheidung überhaupt geeignet sei, noch vor der Frage zu prüfen sei, ob es sachlich begründet erscheine. Einem unbestimmten oder einem zur Vollstreckung ungeeigneten Klagebegehren sei nach der Rechtsprechung das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen. Nach herrschender Auffassung müssten für die Zulässigkeit des mit der Klage begehrten Rechtsschutzes bestimmte verfahrensrechtliche Bedingungen vorliegen, für die sich der Begriff „Prozessvoraussetzungen“ eingebürgert habe. Als Zulässigkeitsvoraussetzungen müssten sie feststehen, bevor darüber entschieden werden dürfe, ob die Klage begründet sei. Die ZPO habe die urteilsmäßige Entscheidung der letzteren Frage vorbehalten, während über Prozessvoraussetzungen mit Beschluss zu entscheiden sei. Grundsätzlich sei eine Klage als unzulässig zurückzuweisen, wenn nicht sämtliche Prozessvoraussetzungen gegeben seien. Zu den streitgegenstandsbezogenen Prozessvoraussetzungen gehöre das Vorliegen einer Klage mit dem notwendigen Klageinhalt. Angesichts der Einordnung der Bestimmtheit des Klagebegehrens als eine von Amts wegen zu beachtende prozessuale Klagevoraussetzung, also als Prozessvoraussetzung, erachte es das Rekursgericht als nicht korrekturbedürftig, dass das Erstgericht die Klage wegen mangelnder Bestimmtheit des Klagebegehrens als zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung ungeeignet zurückgewiesen habe. Der Rekurssenat schließe sich der in der Lehre vertretenen Ansicht an, wonach eine Klage, der es an der Bestimmtheit des Klagebegehrens fehle, gar nicht ordnungsgemäß erhoben worden sei, und daher – sofern der Mangel nicht behoben worden sei – mit Beschluss zurückgewiesen werden müsse. Eine Fortschreibung der in der vom Rekurswerber zitierten Entscheidung 3 Ob 578/85 vertretenen Auffassung, wonach bei einem unbestimmten Klagebegehren der Richter das Verbesserungsverfahren einzuleiten und auch bei Erfolglosigkeit des Verbesserungsversuchs von Amts wegen die mündliche Verhandlung anzuordnen und, wenn der Kläger auch dann der Aufforderung, das Klagebegehren zu präzisieren, nicht nachkomme, wie bei einer Unschlüssigkeit das Klagebegehren mit Urteil abzuweisen habe, würde zudem dem Grundsatz widersprechen, dass das Verbesserungsverfahren auf einen einmaligen Versuch zu beschränken sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil seine Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweiche, wonach ein unbestimmtes Klagebegehren mit Urteil abzuweisen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt.

1. Durch eine bloß unrichtige Entscheidungsform kann sich eine Partei nicht beschwert erachten (RIS‑Justiz RS0036324 [T16]). Im vorliegenden Fall haben sich die Vorinstanzen aber nicht bloß in der Entscheidungsform (Beschluss statt Urteil) und in dem Entscheidungsinhalt (Zurückweisung statt Abweisung) vergriffen. Vielmehr ist die von den Vorinstanzen bewusst gewählte Klagezurückweisung a limine mit Beschluss auch mit anderen verfahrensrechtlichen Rechtsfolgen als eine Klageabweisung mit Urteil verknüpft. Das begründet hier jedenfalls eine Beschwer des Klägers.

2. Die Zurückweisung der Klage a limine als unzulässig mit Beschluss kann nur dann erfolgen, wenn nicht alle Prozessvoraussetzungen gegeben sind bzw wenn Prozesshindernisse vorliegen. Über die Frage, ob die Klage begründet ist, ist hingegen mit Urteil zu entscheiden. Die Schlüssigkeit der Klage hat als (materielle) Vorfrage ihrer Begründetheit nichts mit der Zulässigkeit der Klage zu tun (RS0079246; 7 Ob 28/03y; 8 ObA 149/00w; 3 Ob 110/95). Das unschlüssige Klagebegehren ist nach ständiger Rechtsprechung nicht zurück-, sondern nach Verhandlung, in der der Richter in Entsprechung seiner Prozessleitungspflicht (vergeblich) auf Präzisierung des Begehrens hingewirkt hat, abzuweisen (RS0037407 [T4]; vgl RS0036973; Fasching, Lehrbuch2 1042). Die Rechtsprechung versteht auch die Frage, ob eine Klage den Bestimmtheitserfordernissen des § 226 ZPO entspricht, als Erfolgsvoraussetzung (vgl etwa 10 Ob 61/18w; 4 Ob 168/12b; 6 Ob 275/05t). Dementsprechend wird ein unbestimmtes Klagebegehren ab- und nicht zurückgewiesen (RS0037407; RS0037161 [T1, T4]; insb 3 Ob 578/85; in diesem Sinne auch Fasching aaO 1049; Konecny, JBl 1984, 17 Fn 24; aA Rechberger/Klicka in Rechberger 4 § 226 ZPO Rz 7).

3.1 Macht ein Kläger – wie hier – nur einen Teil des Gesamtschadens geltend und können dabei einzelne Schadenspositionen unterschieden werden, die einem unterschiedlichen rechtlichen Schicksal zugänglich sind, hat er klarzustellen, welche Teile von seinem pauschal formulierten Begehren erfasst sein sollen, um den Umfang der Rechtskraft bestimmen zu können (RS0031014 [T22, T25, T26], zuletzt etwa 10 Ob 61/18w). Die Aufteilung des Pauschalbetrags auf die einzelnen Schadenspositionen kann nicht dem Gericht überlassen werden (RS0037907 [T4]).

3.2 Der Kläger hat trotz Aufforderung des Erstgerichts eine Klarstellung unterlassen, welche der einzelnen Schadenspositionen, und zwar die Kosten der Ersatzvornahme von 56.050,61 EUR einerseits und der Verdienstentgang von 106.726,26 EUR andererseits, der geltend gemachte Pauschalbetrag von 100.000 EUR in welchem Umfang umfasst.

Die Klage entspricht daher – wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben – nicht den Bestimmtheitserfordernissen des § 226 ZPO.

4. In einem Fall wie dem vorliegenden greifen die Unbestimmtheit und die Unschlüssigkeit des Begehrens ineinander (8 Ob 672/89 = ÖBA 1991, 671; Geroldinger in Fasching/Konecny 3 III/1 § 226 ZPO Rz 90). Eng im Zusammenhang mit den Inhaltserfordernissen einer Klage steht nämlich die Frage der Unschlüssigkeit des Klagebegehrens, die auch auf einer Unvollständigkeit des Sachvorbringens beruhen kann (7 Ob 683/88 = MietSlg XL/32). Die insoweit bestehenden Wechselwirkungen zwischen Unbestimmtheit und mangelnder Schlüssigkeit eines Begehrens haben zur Folge, dass es abgewiesen werden muss, wenn der Mangel nicht behoben wird (8 Ob 672/89).

5. Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Der vom Rekursgericht zitierte Rechtssatz, dass es sich beim Erfordernis der Bestimmtheit des Klagebegehrens als Voraussetzung für einen tauglichen Exekutionstitel um eine „prozessuale Klagevoraussetzung“ handle, deren Vorhandensein von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelverfahren zu prüfen sei (RS0037469), betrifft ebenso wie der Rechtssatz, dass die Unbestimmtheit und mangelnde Exekutionsfähigkeit eines Klagebegehrens von Amts wegen zu berücksichtigen sei (RS0000245), die Prüfungsbefugnis des Gerichts und nicht die Entscheidungsform und den Entscheidungsinhalt. Zudem bildete das vorliegende auf Zahlung von 100.000 EUR gerichtete Klagebegehren grundsätzlich einen tauglichen Exekutionstitel. Es fehlt nur ein Vorbringen, das die Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft einer Entscheidung über dieses Zahlungsbegehren erlaubte. Dieser Mangel hindert zwar die Fällung eines klagsstattgebenden (Versäumungs‑)Urteils, allerdings nicht die Einleitung des ordnungsgemäßen Verfahrens über die Klage.

6. Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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