OGH 14Os19/19d

OGH14Os19/19d9.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Lucas G***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. September 2018, GZ 144 Hv 50/18f‑81, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00019.19D.0409.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Lucas G***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (A./) und des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, „83 Abs 1“ (vgl aber 13 Os 136/16y; 13 Os 111/18z), 84 Abs 4 StGB (B./) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Unter einem wurde seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.

Danach hat er in W***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB)

A./ am 14. Dezember 2017 dem Mario L***** absichtlich zuzufügen versucht, indem er ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzte und gegen diesen mehrfache Stichbewegungen mit einem Küchenmesser durchführte, wobei der Genannte eine Schnittverletzung am Handrücken erlitt;

B./ am 31. August 2017 dem Adem K***** zuzufügen versucht, indem er ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzte und ihm mit einem Klappmesser in den Rücken stach, wobei dieser eine (leichte) Stichwunde im Bereich der rechten oberen Rückenregion und eine Kieferprellung erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Die Verfahrensrüge (Z 4; der Sache nach Z 11 erster Fall iVm Z 4) bezieht sich auf die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Begehrens, „aufgrund der beiden widersprechenden Gutachten ein Obergutachten durch das Gericht in Auftrag zu geben“, das der Antragsteller wie folgt begründete: „Betrachtet man das ursprüngliche Gutachten Prof. H*****, kommt dieser zu einem gänzlich anderen Schluss wie die Frau Sachverständige. Ich lasse bewusst dieses mündlich erstattete Gutachten Prof. H***** in der letzten Hauptverhandlung außer Betracht, weil ich die Frau Sachverständige auch heute so verstanden habe, dass – wir haben das miterlebt, das war eigentlich die Argumentation warum Prof. H***** das letzte Mal zur Beurteilung nach § 21/2 StGB kam, waren die Angabe des Angeklagten, dass er Cannabis nimmt. Erstens ist es nicht einmal verifiziert, ob er tatsächlich Cannabis genommen hat, noch dazu in welchem Ausmaß, oder ob diese Angaben vom Angeklagten im Rahmen der Schutzbehauptung gemacht wurde. Ich habe hier zwei Gutachten und aufgrund der Tatsache, dass diese Gutachten so widersprüchlich sind und das ja auch bei dem Angeklagten hier massiv weitreichende Folgen hat, weil wenn ich den § 21 Abs 2 StGB hernehme, dann redet man in seinem Fall mit Sicherheit nicht davon, dass wir im März nächsten Jahres über eine bedingte Entlassung aus der Maßnahme sprechen, sondern es ist davon auszugehen, dass er hier einen langjährigen Aufenthalt in einer Maßnahme hat und ersuche ich das Gericht hier mit einer Beauftragung eines Obergutachtens vorzugehen“ (ON 80 S 6).

Durch die Abweisung des solcherart vorgetragenen Beweisbegehrens wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten aus mehrfachen Gründen nicht verletzt. Zunächst ließ der Antrag kein Beweisthema erkennen (RIS‑Justiz RS0099301). Die Bekanntgabe eines solchen wäre aber auch bei der hier intendierten Beiziehung eines weiteren Sachverständigen nicht verzichtbar gewesen, zumal nach den Verfahrensergebnissen beide Sachverständige das Vorliegen der für die Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB erforderlichen Tatsachen bejaht hatten (ON 69 S 19 f; ON 80 S 6).

Darüber hinaus ließ der Antragsteller offen, worin die Angaben der beiden Sachverständigen über die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen oder die hieraus gezogenen Schlüsse erheblich voneinander abgewichen wären (§ 127 Abs 3 erster Satz StPO). Da aber solche Umstände nicht behauptet wurden und der Angeklagte auch kein Verbesserungsverfahren im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO begehrte, konnte er die Beiziehung eines weiteren (dritten) Sachverständigen nicht zu Recht verlangen (vgl RIS‑Justiz RS0120023).

Das im Rechtsmittel zur Antragsbegründung nachgetragene Vorbringen ist aufgrund des insoweit geltenden Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

Der von der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zum Schuldspruch B./ behauptete Widerspruch zwischen den Konstatierungen zur subjektiven Tatseite und jenen zum Vorliegen eines auf einem Impuls beruhenden „Aggressionsdurchbruchs“ (US 11 f), liegt schon deshalb nicht vor, weil sich letztere Urteilsannahmen allein auf die Schuldebene beziehen und somit die Frage der Bildung des (zum Tatbestand gehörigen) Vorsatzes gar nicht berühren (vgl RIS‑Justiz RS0088967 [insb T5]).

Die weitere Beschwerde (nominell Z 5, der Sache nach Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall) vermisst eine Begründung zum Einfluss der geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades auf die jeweiligen Anlasstaten, geht aber daran vorbei, dass das Erstgericht insoweit mängelfrei auf die Ausführungen der beiden Sachverständigen zum Krankheitsbild und dessen Auswirkungen auf die Taten Bezug nahm (vgl US 13).

Soweit die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) eine unsubstantiierte Wiedergabe des Gesetzeswortlauts hinsichtlich der Prognosekriterien des § 21 Abs 2 StGB behauptet, und dabei aber selbst auf die – den erforderlichen Sachverhaltsbezug gerade herstellenden – Erwägungen zu den dem Angeklagten angelasteten Taten, seiner Erkrankung und seiner Krankheitsuneinsichtigkeit sowie auf die Befürchtung weiterer schwerer Körperverletzungen oder gleichwertiger Gewaltdelikte hinweist (US 6), verfehlt sie eine prozessordnungskonforme Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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