OGH 11Os27/19h

OGH11Os27/19h2.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erdal Y***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG, teils in Verbindung mit § 12 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 7. Dezember 2018, GZ 25 Hv 63/18s‑165, weiters über die Beschwerde des Genannten gegen einen zugleich gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00027.19H.0402.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erdal Y***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG, teils in Verbindung mit § 12 zweiter Fall StGB (A./) und „der“ Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er in K***** und an anderen Orten des Bundesgebiets vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Pico (Pervitin) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 60 % Methamphetamin

A./ in Bezug auf eine das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus der Slowakei aus‑ und nach Österreich eingeführt bzw einen anderen zur Einfuhr bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), und zwar

a./ im Oktober 2017 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Zeynep K***** als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) 30 Gramm brutto, indem er das Suchtgift in einem PKW von der Slowakei aus nach Österreich brachte;

b./ in der Zeit von Oktober 2017 bis März 2018 den bereits rechtskräftig verurteilten Lukas H***** zur vorschriftswidrigen Ausfuhr aus der Slowakei und Einfuhr nach Österreich von rund 320 Gramm brutto bestimmt, indem er das Suchtgift in Teilmengen in wiederholten Angriffen bei H***** bzw einem Mittelsmann bestellte und es in weiterer Folge im Bundesgebiet übernahm;

B./ zwischen Ende Jänner 2017 und Ende März 2018 insgesamt 165 Gramm brutto, sohin in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge (§ 28b SMG) im Ersturteil namentlich genannten anderen überlassen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich inhaltlich nur gegen die Nichtanwendung der Privilegierung nach § 28a Abs 3 SMG wendet, den Antrag auf Totalaufhebung des Ersturteils indes sonst unbegründet lässt (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Der Einwand der Mängelrüge, die Feststellungen zur Frage der Gewöhnung des Angeklagten an Suchtgift und zu seinem Konsumverhalten (US 8, 13 f) seien undeutlich (Z 5 erster Fall), unvollständig (Z 5 zweiter Fall) und offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), tangiert – angesichts der (ungerügten – RIS‑Justiz RS0117264 [T2]) weiteren Konstatierungen, wonach der Angeklagte mit dem Gewinn aus dem Drogenhandel jedenfalls primär sein Einkommen zur Finanzierung seines und seiner Familie Lebensunterhalts aufbessern wollte (US 6, 8, 13 f) – im konkreten Fall keine für die Nichtannahme der Privilegierung nach § 28a Abs 3 erster Fall (zu B./) bzw zweiter Fall (zu A./) SMG (RIS-Justiz RS0124622) entscheidende Tatsache (RIS‑Justiz RS0117499). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf angeblich übergangene (Z 5 zweiter Fall) Beweisergebnisse rekurriert, verabsäumt sie überdies, die diesbezüglichen Fundstellen zu benennen (RIS‑Justiz RS0124172 [T5]).

Indem der Nichtigkeitswerber aus einer Bestätigung der Justizanstalt Wien-Favoriten und Angaben der Zeugin A***** andere Schlüsse als jene der Tatrichter (US 14 f) gezogen wissen will, bekämpft er bloß deren Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) ist der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen, wenn zwischen Feststellungen und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen, zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch – im Sinn einer logischen Unverträglichkeit – besteht (RIS‑Justiz RS0119089). Ein solcher ist im Zusammenhang mit der Konstatierung, wonach der Angeklagte die Straftaten nicht vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtgift oder die Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen, obwohl er im Tatzeitraum auch selbst fallweise Pervitin konsumierte (US 8), und der Erwägung, unabhängig von einer allfälligen Suchtmittelgewöhnung habe der Angeklagte durch die Tatbegehung primär sein bescheidenes legales Einkommen zur Finanzierung des Lebensunterhalts seiner vierköpfigen Familie aufbessern wollen (US 13 f), gerade nicht auszumachen.

Angesichts des – im Hinblick auf die zu A./ festgestellten entscheidenden Tatsachen – zur Anwendung gelangten Strafrahmens nach § 28a Abs 2 SMG (US 3) bleibt der weitere Einwand, es fehle (wegen des offenbaren Schreibfehlers in US 15) an einer „Begründung“ für eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe, unverständlich. Selbst das Fehlen rechtlicher Erwägungen zur Strafbemessung führt jedenfalls nicht zu Urteilsnichtigkeit (RIS-Justiz RS0117723).

Der Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Nur über dieser Schwelle liegende Bedenken sind Maßstab dieses Nichtigkeitsgrundes, dessen prozessordnungskonforme Darstellung den konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen erfordert (RIS-Justiz RS0119583, RS0118780).

Mit dem Hinweis auf die bereits erwähnte Stellungnahme der Justizanstalt Wien-Favoriten (US 14: aus dem Jahr 2016) gelingt es der Beschwerde nicht, beim Obersten Gerichtshof derartige Bedenken zu erwecken.

Schließlich wird auch mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) keine Nichtigkeit aus Z 5 oder 5a des § 281 Abs 1 StPO aufgezeigt (RIS-Justiz RS0102162).

Zu B./ des Schuldspruchs hat das Schöffengericht den Angeklagten zu Unrecht mehrerer statt bloß eines Verbrechens nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG schuldig erkannt. Mit Entscheidung des verstärkten Senats zu 12 Os 21/17f ist der Oberste Gerichtshof nämlich von der sogenannten „Abtrennungsjudikatur“ abgegangen. Zu einer amtswegigen Maßnahme wegen dieses Subsumtionsfehlers (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, weil mit ihm kein konkreter Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO verbunden ist. Bei der Entscheidung über die Berufung besteht insoweit auch keine (dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende) Bindung an den Ausspruch über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS‑Justiz RS0118870).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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