European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124657
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Streitteile haben im Juli 2013 geheiratet; sie haben einen gemeinsamen vier Jahre alten Sohn. Das Verhältnis der Streitteile zu den Familien des jeweils anderen Ehegatten war angespannt. Die Beklagte suchte nach Vorwänden, um den Kläger bei Besuchen seiner Familie nicht begleiten zu müssen. Geschenke der Familienangehörigen des Klägers an ihren Sohn hat die Beklagte nur widerwillig angenommen bzw entsorgt. In der letzten Juni-Woche 2016 erkrankte das Kind der Streitteile an der Hand-Fuß-Mund-Krankheit. Zeitlich im Zusammenhang damit konfrontierte die Beklagte den Kläger mit einer (angeblichen) Verletzung des Kindes; darüber sprach sie auch mit ihrer Familie. Die behaupteten Verletzungen wurden nicht ärztlich abgeklärt. Am 30. 7. 2017 verließ die Beklagte mit dem Kind ohne Zustimmung des Klägers die Ehewohnung. Nach ihrem Auszug beantragte sie eine Regelung über die Ausübung des Kontaktrechts durch den Kläger in der Form einer Besuchsbegleitung. Das Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren ist anhängig.
Der Kläger begehrte die Scheidung der mit der Beklagten geschlossenen Ehe aus deren alleinigem Verschulden.
Die Beklagte beantragte zunächst die Abweisung der Klage. In der Folge erhob sie eine Widerklage und begehrte die Scheidung aus dem Alleinverschulden des Klägers. Beide Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Das Erstgericht gab den Scheidungsklagen statt und erklärte die zwischen den Streitteilen geschlossene Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten als geschieden. Der Kläger habe keine Eheverfehlungen begangen. Demgegenüber sei der Beklagten anzulasten, dass sie den Kläger falsch beschuldigt habe und die Ehewohnung unberechtigt verlassen habe; zudem habe sie den Kontakt des Klägers und dessen Familie zum Kind erschwert.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Beklagte habe die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen verletzt. Dieses Verhalten könne schon aufgrund des langen Zeitraums, den die Beklagte bis zu ihrem Auszug verstreichen lassen habe, nicht mit dem von ihr gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwurf gerechtfertigt werden; außerdem lasse sich der Vorwurf nicht verifizieren. Auch dieser ungerechtfertigte Vorwurf sowie die Ablehnung der nächsten Verwandten des Klägers durch die Beklagte seien schwere Eheverfehlungen. Der Verschuldensausspruch des Erstgerichts sei daher nicht zu beanstanden.
Mit ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Beurteilung der Vorinstanzen, dass dem Kläger keine Eheverfehlung und damit auch kein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe angelastet werden könne, tritt die Beklagte nicht entgegen. Sie bestreitet aber, dass sie selbst eine schwere Eheverfehlung begangen habe.
2. Abgesehen von den in der außerordentlichen Revision angeführten, der Beklagten angelasteten Eheverfehlungen (vor allem nicht gerechtfertigtes Verlassen der Ehewohnung und unberechtigte Missbrauchsvorwürfe gegenüber dem Kläger) hat das Berufungsgericht auch in der Ablehnung der nächsten Verwandten des Klägers durch die Beklagte eine schwere Eheverfehlung erblickt. Auch dieser Beurteilung tritt die Beklagte nicht entgegen. Der von ihr bekämpfte Verschuldensausspruch hält sich schon aus diesem Grund im Rahmen der Rechtsprechung.
3. Entgegen den Ausführungen in der außerordentlichen Revision lässt sich die Frage, welche – für das Scheidungsverfahren unschädlichen – Reaktionen bei einem Missbrauchsverdacht im Interesse des Kindeswohls gerechtfertigt sind, mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dahin beantworten, dass bei einem begründeten Verdacht entsprechende Vorwürfe artikuliert und geeignete Abwehrmaßnahmen ergriffen werden dürfen, wozu etwa die Inanspruchnahme fachlicher Hilfe oder auch das Verlassen der Ehewohnung gehören kann (vgl 8 Ob 107/04z; 2 Ob 230/10b).
Die Beklagte kann sich auf diese Grundsätze aber nicht berufen. Entgegen ihren Überlegungen ließ sich der von ihr gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf nicht nur nicht objektivieren. Vielmehr konnten die Vorinstanzen auch keine Sachverhaltselemente ermitteln, aus denen die Beklagte aus ihrer laienhaften Sicht den naheliegenden Schluss ziehen konnte, ihre Vorwürfe seien berechtigt. Das Erstgericht hat den Angaben der Beklagten in dieser Hinsicht nicht geglaubt und dazu auf ihr widersprüchliches Verhalten verwiesen (keine ärztliche Abklärung; Auszug aus der Ehewohnung erst ein Jahr später). Sie kann sich auch nicht auf das im Pflegschaftsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten berufen, zumal die Sachverständige aufgrund des Verhaltens der Beklagten ebenfalls Zweifel äußerte. Die Ausübung des Kontaktrechts in Form einer vorübergehenden Besuchsbegleitung hat die Sachverständige zur Wiederherstellung des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Streitteilen empfohlen. Entgegen der Ansicht der Beklagten haben demnach keine begründeten Verdachtsmomente gegenüber dem Kläger bestanden.
4. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)