OGH 4Ob217/18t

OGH4Ob217/18t26.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Hon.‑Prof. Dr. Brenn, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Kräuter und DI Gerhard Rodlauer als weitere Richter in der Patentrechtssache der Klägerin C* A/S, *, vertreten durch Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien und DI Reinhard Hehenberger, Patentanwalt in Wien, gegen die Beklagte K* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Gassauer‑Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien und Schwarz & Partner, Patentanwälte in Wien, wegen zuletzt Unterlassung (Streitwert 60.000 EUR), Antragsrückziehung, Beseitigung, Auskunft, Rechnungslegung (Streitwert jeweils 2.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.400 EUR), über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Juli 2018, GZ 133 R 60/18y‑47, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 9. April 2018, GZ 34 Cg 1/15a‑43, bestätigt wurde den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E124652

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 1.001,30 EUR (darin 166,88 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin war Inhaberin eines europäischen Patents betreffend ein gebrauchsfertiges Blasenkatheterset. Das Patent ist nach Klagseinbringung, aber vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz abgelaufen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beklagte ein patentverletzendes Produkt verkauft hat.

Die Klägerin behauptete, der Harnkatheter der Beklagten mache von den Merkmalen ihrer Patentansprüche wortsinngemäß Gebrauch, und begehrte Unterlassung des Feilhaltens, Inverkehrbringens, Gebrauchs, der Einfuhr oder des Besitzes, Rückziehung des Antrags auf Aufnahme der Gegenstände in den Tarifkatalog des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger, Vernichtung aller in ihrem Besitz befindlichen Gegenstände, Rechnungslegung, Auskunftserteilung sowie Urteilsveröffentlichung; zuletzt auch in Form eines Eventualbegehrens die Feststellung, dass die Beklagte bis zum Ablauf des Patents schuldig gewesen sei, das Feilhalten, das Inverkehrbringen, den Gebrauch, die Einfuhr oder den Besitz des Eingriffsgegenstands zu unterlassen. Mit dem Feilhalten des Eingriffsgegenstands im Tarifkatalog des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger habe die Beklagte bereits eine Patentverletzung begangen, sodass die gesetzliche Vermutung der Wiederholungsgefahr greife; ebenso sei die Bewerbung in einer Zeitschrift eine Patentverletzung.

Die Beklagte wendete ein, das Klagspatent sei nichtig. Sie sei auch dem Einspruchsverfahren gegen das bezughabende europäische Patent beigetreten. Zudem falle das beanstandete Blasenkatheterset nicht in den Schutzumfang des Klagspatents und sei in Österreich auch nie angeboten worden; das im Verfahren vorgelegte Set stamme aus einem Verfahren in den Niederlanden. Die Vorlage der Prototypen beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger bedeute noch kein Feilhalten in Österreich. Die Klägerin habe auch keinen Nachweis für ein in Österreich zum Kauf angebotenes patentverletzendes Produkt erbracht. Deshalb habe die Beklagte in Bezug auf die begehrte Rechnungslegung auch eine „Nullmeldung" erstattet. Der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch sei abzuweisen, weil solcher nach dem Patentablauf nicht mehr zugesprochen werden könne; das Gleiche gelte für den zum Unterlassungsanspruch akzessorischen Anspruch auf Urteilsveröffentlichung.

Das Erstgericht wies sämtliche Urteilsbegehren ab. Die Beklagte habe das Klagspatent durch das Anbot ihres Harnkatheters im Tarifkatalog des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger und durch Schaltung einer Werbeanzeige zwar verletzt, jedoch sei der Anspruch auf Unterlassung infolge des Ablaufs des Klagspatents erloschen; dies bedinge, dass auch das darauf abzielende Veröffentlichungsbegehren abzuweisen sei. Das Eventualbegehren sei abzuweisen gewesen, weil die Klägerin zum rechtlichen Interesse an diesem Feststellungsbegehren kein Vorbringen erstattet habe; aus dem gleichen Grund falle auch der Beseitigungsanspruch weg. In Bezug auf das Rechnungslegungsbegehren habe die Klägerin weder vorgebracht, dass die Beklagte diesen Harnkatheter in Österreich auch verkaufe oder verkauft habe, noch einen Beweis dafür vorgelegt, sodass bereits aus diesem Grund das Rechnungslegungsbegehren sowie das Begehren auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der Gegenstände abzuweisen gewesen sei.

Das Berufungsgericht, das sich nur mehr mit dem Rechnungslegungs-, Auskunfts- und Veröffentlichungsbegehren auseinanderzusetzen hatte, bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und ließ die Revision nachträglich zur Frage zu, ob der Begriff „Verletzer“ in § 151 PatG auch denjenigen umfasse (und zur Rechnungslegung nach § 151 PatG und zur Auskunft nach § 151a PatG verpflichte), der zwar patentverletzend feilhalte, dem aber ein patentverletzendes Verkaufen nicht nachzuweisen sei.

Die Klägerin macht in ihrer Revision geltend, dass nach § 151 PatG jeder Verletzer zur Rechnungslegung verpflichtet sei; der Verletzte solle dadurch erst in die Lage versetzt werden, Entgelt- und Schadenersatzansprüche zu ermitteln. Die Klägerin habe bereits aufgrund des Feilhaltens durch die Beklagte Anspruch auf angemessenes Entgelt, selbst wenn nichts verkauft worden sei. Hinzu komme, dass aufgrund des festgestellten Feilhaltens und der Vermutung der Wiederholungsgefahr im Zweifel auch von einem Inverkehrbringen auszugehen sei; es liege auf der Hand, dass dem Feilhalten ein Verkaufen folge. Wie auch bereits in ihrer Berufung rügt die Klägerin zudem einen Verfahrensmangel, weil sie von der Rechtsansicht der Vorinstanzen überrascht worden sei.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig.

1. Zum behaupteten Verfahrensmangel ist auszuführen, dass bereits das Berufungsgericht einen solchen verneint hat. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963).

2.1. Zweck der Rechnungslegung ist es, den Kläger in die Lage zu versetzen, die Grundlage für seine Ansprüche auf angemessenes Entgelt, angemessene Entschädigung oder Schadenersatz gegen den Beklagten zu ermitteln (vgl RIS‑Justiz RS0120237 [T1]), zumal diese Ansprüche mitunter davon abhängen, wie viel der Verletzer unter Benutzung des fremden Immaterialgüterrechts abgesetzt hat (vgl Koppensteiner, Wettbewerbsrecht3 § 34 Rz 55).

2.2. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht die unbekämpft gebliebene Negativfeststellung getroffen, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte einen Eingriffsgegenstand verkauft hat. Dies schließt die Vorlage von Verkaufsrechnungen aus. Dem Vorbringen der Klägerin ist aber nicht zu entnehmen, über welche Geschäftsvorgänge die Beklagte sonst Rechnung legen sollte. Ihr rechtliches Interesse – dessen Mangel zur Klagsabweisung führt (vgl RIS‑Justiz RS0038062) – an einer Rechnungslegung (abgesehen von der seitens der Beklagten erbrachten „Nullmeldung“) ist somit nicht zu erkennen.

2.3. Die Klägerin begründet die Erheblichkeit der Rechtsfrage nach der Zulässigkeit eines Rechnungslegungsbegehrens ohne Inverkehrbringen des Eingriffsgegenstands vor allem damit, dass ein Testkauf bei besonders teuren Objekten, wie etwa einer Industrieanlage, dem Patentinhaber nicht zumutbar sei. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber – zugestandenermaßen – um ein Einwegprodukt von relativ geringem Wert. Von einer Unzumutbarkeit eines Testkaufs kann daher hier nicht die Rede sein. Die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen ist aber nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0111271; RS0102059 [T8]).

Das Berufungsgericht hat daher insgesamt das Vorliegen eines Rechnungslegungsanspruchs der Klägerin in nicht korrekturbedürftiger Weise verneint.

3. Dasselbe gilt für das Auskunftsbegehren. Auch hier ist die Klägerin auf die im Verfahren erster Instanz erfolgte „Nullmeldung“ der Beklagten zu verweisen. Da keine weiteren als die festgestellten Verletzungshandlungen vorliegen, ist die Abweisung der begehrten Auskunftserteilung nicht zu beanstanden.

4.1. Nach der Rechtsprechung ist der Urteilsveröffentlichungsanspruch ein von einer urteilsmäßigen Entscheidung über das Unterlassungs- oder Beseitigungsbegehren des Klägers abhängiger Nebenanspruch. Kommt es etwa zufolge vergleichsweiser Bereinigung der Rechtssache zu keinem Unterlassungsurteil, dann fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung für das Veröffentlichungs- begehren (vgl RIS‑Justiz RS0079596; RS0079559; RS0079531; RS0077324).

4.2. Im vorliegenden Fall nimmt das Veröffentlichungsbegehren auf die (rechtskräftig) abgewiesenen Urteilspunkte 1. und 2. Bezug. Der Veröffentlichungsanspruch besteht daher schon deswegen nicht zu Recht. Mit dem Berufungsgericht ist ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an einer derartigen Urteilsbekanntmachung nach Ablauf des Patents nicht zu erkennen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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