OGH 4Ob43/19f

OGH4Ob43/19f26.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Dipl.‑Ing. R* P*, und 2) E* P*, ebendort, beide vertreten durch Dr. Alfred Hawel und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 15.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 13. Februar 2019, GZ 1 R 177/18g‑9, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E124651

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit der beim Erstgericht (Landesgericht) eingebrachten Unterlassungsklage begehrten die Kläger, der Beklagten zu verbieten, dass vom Dachgeschoß des Gebäudes auf ihrer Liegenschaft Lichtimmissionen ausgehen, die ortsunüblich sind und die Benützung der Liegenschaft der Kläger wesentlich beeinträchtigen. Die beanstandeten Lichtreflexionen (abhängig von der Jahreszeit ab 10:00 Uhr vormittags bis kurz vor Sonnenuntergang) seien so stark, dass weder die Terrasse noch die Zimmer, die zum Wohnhaus der Beklagten ausgerichtet seien, benützt werden könnten; die Blendwirkung sei so stark, dass sie gesundheitsschädlich sei. Unter Hinweis auf § 5 Z 34 lit c AHK bewerteten die Kläger das Unterlassungsbegehren mit 42.000 EUR.

Nach Zustellung der Klage an die Beklagte und Erteilung des Auftrags zur Klagebeantwortung sprach das Erstgericht gemäß § 60 JN von Amts wegen aus, dass der Streitwert der Klage 15.000 EUR nicht übersteige, das angerufene Landesgericht sachlich unzuständig sei und die Rechtssache an das zuständige Bezirksgericht *, das sich in derselben Gemeinde befindet, abgetreten werde. Bei offenbarer Überbewertung des Streitgegenstands habe der Gerichtshof erster Instanz auch von Amts wegen die Bewertung herabzusetzen. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch entspreche einer allgemeinen einfachen Zivilsache, die üblicherweise vor die Bezirksgerichte gebracht werde. Wie auch ein Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen wegen ortsunüblicher Immissionen zeige, lägen keine Umstände vor, die eine über die bezirksgerichtliche Wertgrenze hinausgehende Bewertung rechtfertigten.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Kläger gemäß § 45 JN als unzulässig zurück. Für den Rechtsmittelausschluss nach der angeführten Bestimmung mache es keinen Unterschied, mit welcher Begründung der Unzuständigkeitsausspruch erfolge. Eine Ausnahme werde bei einer Herabsetzung des Streitwerts nur dann gemacht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 60 JN gar nicht gegeben seien. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts (vgl dazu RIS‑Justiz RS0044501) zeigen die Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 45 JN ist nach Streitanhängigkeit die Anfechtung einer Entscheidung, mit der die sachliche Zuständigkeit verneint wird, nur dann zulässig, wenn das zuständige Gericht seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde wie das angerufene Gericht hat. Der Zweck dieser Rechtsmittelbeschränkung besteht darin, übermäßige Zuständigkeitsstreitigkeiten und dadurch bedingte Verfahrensverzögerungen zu vermeiden. Durch den weitgehenden Rechtsmittelausschluss ist es dem Rechtsmittelgericht grundsätzlich untersagt, den angefochtenen Unzuständigkeitsbeschluss zu überprüfen. Deshalb ist nach der Rechtsprechung eine Anfechtung unabhängig davon ausgeschlossen, mit welcher Begründung die Entscheidung erfolgt (RIS‑Justiz RS0103687). Ein Rekurs ist selbst dann unzulässig, wenn Nichtigkeit oder ein ähnlich schwerwiegender verfahrensrechtlicher Verstoß oder die Verletzung zwingenden Rechts geltend gemacht wird (RIS‑Justiz RS0046318 [T2]; 1 Ob 249/11s).

2.1 Die hier fraglichen Rechtsprechungsgrundsätze zur ausnahmsweisen Anfechtbarkeit eines Unzuständigkeitsbeschlusses im Sinn des § 45 JN sind geklärt. Demnach lässt die Judikatur Ausnahmen von der in Rede stehenden Rechtsmittelbeschränkung nur in engen Grenzen zu, wobei sie in dieser Hinsicht auf die Rechtsprechung zum Rechtsmittelausschluss nach § 261 Abs 6 ZPO zurückgreift, derzufolge dieser Ausschluss dann nicht gilt, wenn die ausgesprochene Überweisung der Norm derart widerspricht, dass der Zweck des Rechtsmittelausschlusses nicht mehr erfüllt wird, also wenn die Überweisung ohne gesetzliche Grundlage erfolgt ist bzw die gesetzlichen Voraussetzungen für die Überweisung nicht gegeben sind (vgl dazu RIS‑Justiz RS0039091).

In diesem Sinn wurde in der Entscheidung 2 Ob 169/02w ein Unzuständigkeitsbeschluss im Sinn des § 45 JN ausnahmsweise dann für anfechtbar erklärt, wenn die (zuständigkeitsändernde) Streitwertherabsetzung ohne gesetzliche Grundlage erfolgt. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass die Bewertung für eine Klage gemäß §§ 28 ff KSchG, die gemäß § 51 Abs 2 Z 10 JN vor das Handelsgericht gehört, von diesem unter die bezirksgerichtliche Streitwertgrenze herabgesetzt und die Rechtssache dem Bezirksgericht übertragen wurde. Eine ausnahmsweise Anfechtbarkeit des Beschlusses über die sachliche Unzuständigkeit wurde auch in der Entscheidung 2 Ob 128/11d bejaht. In diesem Fall hatte das angerufene Bezirksgericht nach einer Klagsausdehnung, auf die sich der Beklagte eingelassen hatte, die Klage zurückgewiesen und die Rechtssache an das Landesgericht überwiesen. Auch in dieser Entscheidung wurde ausgesprochen, dass § 45 JN – so wie § 261 Abs 6 ZPO – dann nicht anzuwenden sei, wenn eine Überweisung ohne gesetzliche Grundlage erfolgt sei. Die Klagszurückweisung und Überweisung des Verfahrens an ein anderes Gericht wegen einer Klagsausdehnung, die nur nach § 235 ZPO zu lösen sei, widerspreche elementaren Prozessgrundsätzen und sei ein gravierender Verstoß, der mit dem Zweck der in § 45 JN und § 261 Abs 6 ZPO normierten Rechtsmittelausschlüsse unvereinbar sei.

2.2 Bei der Bejahung des Vorliegens einer Ausnahme vom Anfechtungsausschluss nach § 45 JN ist Zurückhaltung geboten. Nach dem klaren Wortlaut hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, dass selbst schwere Verstöße gegen das Verfahrensrecht im Interesse der Verfahrensökonomie nicht aufgegriffen werden können. Eine Ausnahme vom Rechtsmittelausschluss ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn das seine Unzuständigkeit aussprechende Gericht eine Verfahrensvorschrift anwendet, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen und sich das Gericht daher außerhalb der angewandten Norm bewegt (vgl RIS‑Justiz RS0116856; 2 Ob 169/02w).

3. Die Kläger argumentieren in ihrem Rechtsmittel, dass eine Entscheidung über die sachliche Unzuständigkeit im Zusammenhang mit der Herabsetzung des Streitwerts nach § 60 JN auch nach Streitanhängigkeit immer dann anfechtbar sein müsse, wenn dem Kläger keine Erschleichung der Gerichtshofszuständigkeit vorzuwerfen sei.

Folgte man dieser Ansicht, so würde dies bedeuten, dass im Fall einer Streitwertherabsetzung nach § 60 JN die Richtigkeit einer vom Kläger schlüssig argumentierten Bewertung des Streitgegenstands stets überprüfbar wäre. Derartige Zuständigkeitsstreitigkeiten sollen durch § 45 JN aber gerade ausgeschlossen werden. Dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 60 JN im Anlassfall nicht gegeben seien, legen die Kläger nicht dar. Damit gelingt es ihnen mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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