OGH 6Ob183/18g

OGH6Ob183/18g21.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P***** Holding GmbH, *****, 2. Mag. H**********, beide vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, und der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. H.***** GmbH, *****, 2. Dipl.‑Ing. K*****, beide vertreten durch Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Juni 2018, GZ 1 R 31/18m (1 R 32/18h)‑30, mit dem über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Wels vom 27. Dezember 2017, GZ 36 C 28/17w‑26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00183.18G.0321.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Nebenintervenienten die mit 3.754,61 EUR (darin 625,77 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist eine im Firmenbuch zu FN ***** eingetragene GmbH. Ihre Gesellschafter sind die Kläger und die Nebenintervenienten. Die Erstklägerin hält einen Geschäftsanteil von 47 %, der Zweitkläger einen Geschäftsanteil von 3 %, die Erstnebenintervenientin einen Geschäftsanteil vom 47 % und der Zweitnebenintervenient einen Geschäftsanteil von 3 %.

Der Zweitkläger und der Zweitnebenintervenient sind Brüder. Sie halten (über unmittelbare und mittelbare Beteiligungen) jeweils 50 % der Geschäftsanteile an der Beklagten.

Der Zweitkläger und der Zweitnebenintervenient waren bereits seit dem Jahr 1991 jeweils selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der Beklagten. Mit Ablauf des 30. 6. 2016 legte der Zweitnebenintervenient diese Funktion nieder. Seit dem 1. 8. 2016 sind drei weitere Personen, seit dem 1. 2. 2018 nochmals zwei weitere Personen als kollektiv vertretungsbefugte Geschäftsführer bestellt. Die Funktionsperiode des Zweitklägers als Geschäftsführer der Beklagten endete am 31. 12. 2017.

Bei der Beklagten ist ein Aufsichtsrat eingerichtet, der sich aus sechs Kapitalvertretern und drei Arbeitnehmervertretern zusammensetzt.

Punkt 6 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten („Geschäftsführung und Vertretung“) lautet auszugsweise:

„[…]

(3) Vor Bestellung der Geschäftsführer ist eine Aufsichtsratssitzung abzuhalten, in der beschlossen wird, ob, und wenn ja, welche Personen als Geschäftsführer in der Generalversammlung vorgeschlagen werden. Die Gesellschafter verpflichten sich, Personen, die vom Aufsichtsrat mit mindestens einfacher Mehrheit der Kapitalvertreter des Aufsichtsrats als Geschäftsführer vorgeschlagen werden, zu Geschäftsführern der Gesellschaft zu bestellen.

(4) Personen, die nicht mit der gemäß Abs (3) festgelegten Mehrheit vom Aufsichtsrat vorgeschlagen worden sind, können in der Gesellschafterversammlung nur dann als Geschäftsführer bestellt werden, wenn zwei Drittel der abgegebenen Stimmen für deren Bestellung stimmen.

[…]

(8) Neun Monate vor Ablauf der jeweiligen fünfjährigen Geschäftsführungsperiode hat der Aufsichtsrat mittels eingeschriebenen Briefes mitzuteilen, ob, und wenn ja, welche Person mit mindestens einfacher Mehrheit der Kapitalvertreter im Aufsichtsrat als Geschäftsführer vorgeschlagen werden.

(9) Nach Einlangen des Vorschlags des Aufsichtsrats, spätestens aber sechs Monate vor Ablauf der Geschäftsführungsperiode ist eine Generalversammlung abzuhalten, in der über die Geschäftsführerbestellung im Sinne des Vorschlags des Aufsichtsrats gemäß Abs 8 abgestimmt wird. Für diese Geschäftsführerbestellung gelten – wie klarstellend festgestellt wird – die Regelungen der Absätze zwei, drei und vier.

[…]“

Am 28. 3. 2017 fand eine außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrats der Beklagten statt, bei der mit einer Mehrheit von acht Stimmen bei einer Gegenstimme der Beschluss gefasst wurde, der Gesellschafterversammlung zu empfehlen, den Zweitkläger nach Ablauf der aktuellen Funktionsperiode für weitere zwei Jahre zum Geschäftsführer der Beklagten zu bestellen.

Am 25. 4. 2017 fand eine außerordentliche Generalversammlung der Beklagten statt, an der der Zweitkläger für sich und in seiner Funktion als allein vertretungsbefugter Geschäftsführer der Erstklägerin, sowie der Zweitnebenintervenient für sich und in seiner Funktion als allein vertretungsbefugter Geschäftsführer der Erstnebenintervenientin teilnahmen. In dieser Generalversammlung wurde über folgenden Beschlussantrag abgestimmt: „In Entsprechung des vom Aufsichtsrat in seiner Sitzung vom 28. 3. 2017 gemäß Punkt 6 Abs 8 des Gesellschaftsvertrags beschlossenen Vorschlags wird der Geschäftsführer [Zweitkläger], geboren am *****, für eine weitere zweijährige Funktionsperiode nach Ablauf der derzeitigen Funktionsperiode, sohin bis zum 31. 12. 2019, zum selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer der [Beklagten] bestellt.“ Die Kläger stimmten mit insgesamt 36.069 Stimmen für den Antrag, die Nebenintervenienten mit der gleichen Stimmenanzahl dagegen. Der Zweitkläger legte nach der Abstimmung ein Rechtsgutachten vor, wonach die von den Nebenintervenienten abgegebenen Gegenstimmen nicht mitzuzählen seien. Der Zweitnebenintervenient erklärte darauf, Widerspruch zu Protokoll zu erheben.

Mit Klage vom 12. 5. 2017 begehren die Kläger die Feststellung, dass in der außerordentlichen Generalversammlung der Beklagten am 25. 4. 2017 der Beschluss des Inhalts des oben wiedergegebenen Beschlussantrags gefasst worden sei.

Für den Fall, dass das Gericht zur Auffassung gelange, dass der Beschlussantrag abgelehnt worden sei, begehren sie (Punkt 2.1. des Klagebegehrens), den in der außerordentlichen Generalversammlung der Beklagten am 25. 4. 2017 gefassten, den Beschlussantrag ablehnenden Beschluss für nichtig zu erklären, sowie (Punkt 2.2. des Klagebegehrens) die Feststellung, der dem Beschlussantrag entsprechende Beschluss sei gefasst worden.

Schließlich stellen sie weitere Eventualbegehren (Punkt 3. des Klagebegehrens) auf Feststellung, es sei der Beschluss gefasst worden, der [Zweitkläger] „wird nach Ablauf der derzeitigen Funktionsperiode zum Geschäftsführer der [Beklagten] wiederbestellt“; hilfsweise auf Anfechtung der Ablehnung des oben wiedergegebenen Beschlussantrags und positive Beschlussfeststellung gemäß dem Eventual-Feststellungsbegehren zu Punkt 3 des Klagebegehrens.

Die Kläger bringen vor, die Gesellschafter der Beklagten seien aufgrund des gesellschaftsvertraglichen Stimmgebots verpflichtet gewesen, für den Beschlussantrag zu stimmen. Gegen gesetzliche oder gesellschaftsvertragliche Stimmverbote verstoßende Stimmabgaben seien ungültig. Deshalb seien die gegen das Stimmgebot abgegebenen Stimmen der Nebenintervenienten ungültig und nicht mitzuzählen. Der Beschlussvorschlag sei daher einstimmig mit den Stimmen der Kläger angenommen worden.

Da in der Generalversammlung kein Vorsitzender gewählt worden sei und zwischen den Gesellschaftern keine Einigkeit darüber herrsche, was beschlossen worden sei, sei die erforderliche Rechtssicherheit durch Erhebung einer Feststellungsklage herzustellen.

Sollte das Gericht zur Auffassung gelangen, dass in der Generalversammlung ein ablehnender Beschluss zustande gekommen sei, werde dieser gemäß § 41 Abs 1 Z 2 GmbHG angefochten, weil er durch seinen Inhalt mit Punkt 6 Abs 3 iVm Abs 8 und 9 des Gesellschaftsvertrags im Widerspruch stehe.

Die Beklagte beantragt die Klageabweisung, ohne dazu weitergehendes Vorbringen zu erstatten. Der Streit betreffe inhaltlich das Verhältnis zwischen den Klägern und den übrigen Gesellschaftern (den Nebenintervenienten).

Die Nebenintervenienten bestreiten das Klagebegehren. Punkt 6 Abs 3 bis 8 des Gesellschaftsvertrags verschiebe die Kompetenz zur Bestellung des Geschäftsführers von der Generalversammlung zum Aufsichtsrat. Darin liege ein Verstoß gegen die zwingende Bestimmung des § 15 Abs 1 GmbHG. Die Regelung in der Satzung sei daher nichtig, die Nebenintervenienten seien nicht verpflichtet gewesen, dem Beschlussantrag zuzustimmen. Sie seien auch keinem Stimmverbot unterlegen. Ihre Stimmabgaben seien wirksam; der Beschluss auf Wiederbestellung des Zweitklägers als Geschäftsführer sei nicht zustande gekommen.

Selbst unter der Annahme, dass die streitgegenständliche Satzungsbestimmung gesetzeskonform wäre, bestehe keine Stimmpflicht, wenn wichtige Gründe iSd § 16 Abs 2 GmbHG vorlägen, die gegen die vom Aufsichtsrat vorgeschlagene Person sprächen. Im vorliegenden Fall bestünden derartige – im Einzelnen dargestellte – wichtige Gründe gegen die Bestellung des Zweitklägers zum Geschäftsführer.

Schließlich bestehe auch keine Stimmbindung, wenn der Beschlussvorschlag über das gesellschaftsvertragliche Ausmaß einer allfälligen Bindung hinausgehe. Das sei hier der Fall, weil die im Beschlussvorschlag an die Generalversammlung enthaltene Alleinvertetungsbefugnis von der in der Satzung vorgesehenen Stimmpflicht nicht umfasst sei.

Selbst unter der Annahme einer wirksamen Stimmbindung führe der Verstoß dagegen höchstens zur Anfechtbarkeit des den Beschlussantrag ablehnenden Generalversammlungsbeschlusses. Das Anfechtungsbegehren könne aber nicht mit dem Begehren auf positive Beschlussfeststellung verbunden werden, weil nicht automatisch ein gegenteiliger Beschluss gefasst worden wäre.

Die Kläger bestreiten das Vorliegen der von den Nebenintervenienten behaupteten wichtigen Gründe gegen die Bestellung des Zweitklägers als Geschäftsführer. Sie bringen darüber hinaus vor, die Stimmpflicht gemäß Punkt 6 Abs 3 der Satzung umfasse in Verbindung mit deren Punkt 6 Abs 10 auch die vom Aufsichtsrat vorgeschlagene Alleinvertretungsbefugnis.

Selbst wenn die Stimmbindung nur die Person umfasse, sei der angestrebte Gesellschafterbeschluss zumindest teilweise wirksam zustande gekommen, sodass der Zweitkläger mit Ablauf der aktuellen Funktionsperiode für die satzungsmäßige Bestelldauer von fünf Jahren zum kollektiv vertretungsbefugten Geschäftsführer bestellt worden sei. Daraus ergebe sich die Berechtigung des zu 3. erhobenen Eventualbegehrens.

Die Vorinstanzen wiesen das Haupt- und die Eventualbegehren ab.

Das Erstgericht verneinte die Berechtigung sämtlicher Klagebegehren mit der Begründung, das in Art 6 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten vorgesehene Vorschlagsrecht des Aufsichtsrats sowie die Bindung der Gesellschafter an diesen Vorschlag verstießen gegen § 15 Abs 1 Satz 3 GmbHG. Damit habe für die Nebenintervenienten keine wirksame Stimmbindung bestanden. Zudem sei auch eine satzungswidrige Stimmabgabe wirksam. Aufgrund der ablehnenden Stimmen der Nebenintervenienten habe der Antrag auf Wiederbestellung des Zweitklägers als Geschäftsführer die notwendige Mehrheit verfehlt.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Kläger nicht Folge. Es ließ die Revision mit der Begründung zu, zur Zulässigkeit der Übertragung der Kompetenz zur Bestellung der Geschäftsführer an den Aufsichtsrat und zur Stimmbindung der Gesellschafter an einen Vorschlag des Aufsichtsrats liege nur eine jüngere höchstgerichtliche Entscheidung vor, die allerdings keine GmbH, sondern eine Genossenschaft betreffe.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, nach herrschender Auffassung sei die Bestellungszuständigkeit der Gesellschafter gemäß § 15 Abs 1 Satz 3 GmbHG zwingend und nicht auf ein anderes Organ übertragbar. Zu diesem Ergebnis komme auch die – zu einer Genossenschaft ergangene, aber auf das GmbHG Bezug nehmende – Entscheidung 6 Ob 92/07h. Nach dieser Rechtsansicht wären die Nebenintervenienten als Gesellschafter bei der Stimmabgabe nicht an den Vorschlag des Aufsichtsrats gebunden gewesen.

Dazu komme, dass die Stimmabgabe eines Gesellschafters nur dann nichtig sei, wenn dadurch ein gesetzliches Verbot verletzt werde; die Verletzung der Satzung bewirke keine Nichtigkeit. Seien aber die satzungswidrig abgegebenen Stimmen der Nebenintervenienten wirksam, käme es auf die Zulässigkeit von Punkt 6 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten nicht an.

Im Ergebnis sei die Rechtsansicht des Erstgerichts zutreffend, wonach Art 6 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags gegen § 15 GmbHG verstoße, sodass keine wirksame Stimmbindung vorgelegen sei.

Mit ihrer Revision streben die Kläger die Stattgebung des Hauptklagebegehrens, hilfsweise der Eventualbegehren, an. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Sie bringen zusammengefasst vor, selbst die Übertragung der Befugnis zur Bestellung der Geschäftsführer sei nach neuerer Lehre zulässig; dies gelte umso mehr für das hier zu beurteilende Nominierungsrecht des Aufsichtsrats in Verbindung mit der Stimmbindung der Gesellschafter. Selbst wenn man der Stimmpflicht gemäß Punkt 6 Abs 3 der Satzung keine auf die Gesellschaft durchgreifende Wirkung zuerkenne, berechtige der Verstoß gegen eine omnilaterale Stimmbindung zur Beschlussanfechtung.

Die Beklagte beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.

Die Nebenintervenienten beantragen, die Revision der Kläger zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Zum Feststellungsbegehren

Das GmbHG sieht keine Regelung zur formellen Beschlussfeststellung vor. Mangelt es an der Feststellung eines bestimmten Beschlussergebnisses durch einen kraft Gesellschafterbeschlusses eindeutig legitimierten Vorsitzenden oder gingen die Gesellschafter bei Schluss der Generalversammlung nicht übereinstimmend von einem bestimmten Beschlussergebnis aus, so ist die Feststellungsklage ein geeignetes Mittel zur Klärung der Frage, was eigentlich beschlossen wurde (RIS-Justiz RS0108892). Der Beschluss gilt diesfalls als angenommen oder abgelehnt, wie es der materiellen Rechtslage entspricht (Reich-Rohrwig/Ginthör/Gratzl, Generalversammlung der GmbH [2014] Rz 627).

Ein solcher Fall liegt hier – wie bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannten – vor, wurde doch in der Generalversammlung der Beklagten am 25. 4. 2017 weder ein Vorsitzender gewählt, noch bestand zwischen den Gesellschaftern Einigkeit über das Beschlussergebnis. Es ist daher zu prüfen, ob die von den Nebenintervenienten abgegebenen Stimmen gegen den Beschlussantrag bei Ermittlung des Abstimmungsergebnisses mitzuzählen sind.

2. Zur Kompetenz zur Geschäftsführerbestellung

2.1. Gemäß § 15 Abs 1 Satz 3 GmbHG erfolgt die Bestellung zum Geschäftsführer durch Beschluss der Gesellschafter.

2.2. Die in Österreich herrschende Lehre legt diese Bestimmung dahin aus, dass die Übertragung dieser Kompetenz von der Generalversammlung auf ein anderes Gesellschaftsorgan durch den Gesellschaftsvertrag unzulässig sei (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I² Rz 2/68;Zib in U. Torggler, GmbHG § 15 Rz 12; Umfahrer, GmbH6 Rz 175; Gellis, GmbHG7 § 15 Rz 4; Straube/Ratka/Stöger/Völkl in Straube, WK GmbHG § 15 Rz 25;Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht² Rz 4/149; Eckert, Die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers [2003] 28 f; Harrer in Gruber/Harrer, GmbHG² § 49, 50 Rz 28;Kalss/Eckert, Zentrale Fragen des GmbH-Rechts [2005] 99; Wünsch, Zur gesellschaftsinternen Bestellung des GmbH‑Geschäftsführers, GesRZ 1990, 57, 61 f; Geppert, GmbHG-Novelle BGBl 1980/320, Zweifelsfragen um Aufsichtsrat, GesRZ 1984, 76, 85, 88; H. Torggler, Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers, GesRZ 1974, 4, 5).

2.3. Ausgangspunkt der Ableitung des zwingenden Charakters der in § 15 Abs 1 Satz 3 GmbHG vorgesehenen Bestellungskompetenz der Generalversammlung ist § 35 GmbHG. § 35 Abs 2 GmbHG zählt die Zuständigkeit zur Bestellung der Geschäftsführer zwar nicht als eine der zwingend den Gesellschaftern vorbehaltenen Kompetenzen auf, sodass dem Gesetzeswortlaut keine ausdrückliche Anordnung der Unabdingbarkeit entnommen werden kann.

Der zwingende Charakter der Bestellungskompetenz der Gesellschafter wird jedoch im Weg der historischen und teleologischen Interpretation hergeleitet.

Historisch wurde die Zuständigkeit der Gesellschafter zur Bestellung der Geschäftsführer in den GmbHG-Entwürfen der Jahre 1900, 1901 und 1903 in der (§ 35 GmbHG entsprechenden) Aufzählung der unabdingbaren Kompetenzen der Gesellschafter jeweils angeführt. Vor Einbringung des Gesetzes in den Reichsrat wurde (ua) die Kompetenz zur Bestellung der Geschäftsführer aus dem Katalog der unabdingbaren Zuständigkeiten entfernt, weil der Gesetzgeber ausweislich der Materialien davon ausging, dass sich die zwingende Kompetenzzuweisung bereits aus § 15 Abs 1 GmbHG ergebe (vgl die Darstellung bei Eckert, Abberufung 23 ff, insb 25, mwN; Kalss/Eckert, Zentrale Fragen 99 Fn 543; so auch Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht [2009] 389, und U. Torggler, Gestaltungsfreiheit bei der GmbH, GesRZ 2010, 185, 190 wiewohl beide im Ergebnis die Übertragbarkeit der Bestellungskompetenz auf den Aufsichtsrat bejahen, dazu unten).

Teleologisch wird die Annahme einer vom Gesellschaftsvertrag nicht abdingbaren Zuständigkeit der Gesellschafter zur Bestellung der Geschäftsführer auf die Stellung der Generalversammlung als höchstes Gesellschaftsorgan gestützt (vgl 6 Ob 92/07h; Harrer in Gruber/Harrer, GmbHG § 49, 50 Rz 28; Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 399).

Die Rechtsansicht, die Kompetenz der Generalversammlung zur Geschäftsführerbestellung als zwingend anzusehen, hat zur Folge, dass widersprechende Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag gemäß § 4 Abs 2 GmbHG ohne rechtliche Wirkung sind (Eckert, Abberufung 29).

2.4. Vertreten wird jedoch auch die Gegenansicht.

Für die Zulässigkeit der Übertragung der Kompetenz zur Geschäftsführerbestellung auf ein anderes Gesellschaftsorgan werden im Wesentlichen drei Argumente ins Treffen geführt:

Dem Wortlaut des § 15 Abs 1 GmbHG sei nicht zu entnehmen, dass die Bestellung zwingend durch Gesellschafterbeschluss zu erfolgen habe, § 35 Abs 2 GmbHG deute eher auf das Gegenteil hin; die Annahme der Unabdingbarkeit sei mit der Zulässigkeit von Entsendungsrechten schwer vereinbar; schließlich verbleibe die Kompetenz, den Gesellschaftsvertrag zu ändern, ohnehin bei der Generalversammlung (Arnold/Pampel in Gruber/Harrer, GmbHG² § 15 Rz 60 f; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 15 Rz 14, § 16 Rz 5, § 35 Rz 51; Artmann/Rüffler, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts [2017] Rz 910; Kraus, Kompetenzverteilung bei der GmbH, ecolex 1998, 631; abwägend Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 397 ff, für die Übertragbarkeit an den Aufsichtsrat 728).

U. Torggler leitet aus der Zulässigkeit einer von den Beteiligungsverhältnissen abweichenden Stimmgewichtung ab, ausschlaggebend für die historisch intendierte Unabdingbarkeit der Kompetenz der Generalversammlung zur Bestellung der Geschäftsführer sei in Wahrheit das Bestreben gewesen, (nur) deren Teilnahme-, Rede- und Anfechtungsrecht sicherzustellen. Ausgehend davon sei die Übertragbarkeit der Bestellungskompetenz der Generalversammlung zu bejahen, wenn eine vorhergehende Konsultation der Generalversammlung vorgesehen sei (GesRZ 2010, 190).

2.5. Nach deutscher Rechtslage (§ 46 Nr 5 dGmbHG) kommt die Kompetenz zur Bestellung und zur Abberufung von Geschäftsführern sowie zur Entlastung derselben den Gesellschaftern zu.

Die Lehre erachtet eine Übertragung der Bestellungskompetenz der Gesellschafterversammlung der GmbH auf den Aufsichtsrat durchwegs als unbedenklich (U. Schneider/S. Schneider in Scholz, GmbHG12 § 6 Rz 77; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG19 Vor § 35 Rz 3, § 46 Rz 23; Wisskirchen/Kuhn in Ziemons/Jaeger, GmbHG36 § 6 Rz 47 f; Tebben in Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt, GmbHG³ § 6 Rz 44; Hüffer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG § 46 Rz 76 f).

Diese Ansicht kann aber nicht ohne Weiteres auf die österreichische Rechtslage übertragen werden. § 45 Abs 2 dGmbHG ordnet nämlich ausdrücklich an, dass die Vorschriften der §§ 46 bis 51 dGmbHG (nur) in Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags Anwendung finden. Damit besteht – im Gegensatz zur österreichischen Rechtslage – eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage, aus der sich der dispositive Charakter der Bestellungskompetenz der Gesellschafterversammlung ergibt (vgl nur Hüffer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG [2006] § 46 Rz 76; s auch Eckert, Abberufung 23).

2.6. In der Rechtsprechung liegt eine Stellungnahme zur Übertragung der Kompetenz der Generalversammlung der GmbH zur Geschäftsführerbestellung auf den Aufsichtsrat lediglich im Zusammenhang mit der Beurteilung der Satzung einer Genossenschaft vor.

Zu 6 Ob 92/07h erachtete der Oberste Gerichtshof die Zuständigkeit der Generalversammlung der Genossenschaft zur Wahl des Vorstands als unabdingbar und beurteilte die in der Satzung der Genossenschaft vorgesehene Übertragung der Bestellungskompetenz auf den Aufsichtsrat der Genossenschaft deshalb als unzulässig. Die Entscheidung verweist auf die Parallele zum GmbHG und auf die herrschende Ablehnung einer Übertragung der Kompetenz zur Bestellung der GmbH-Geschäftsführer von den Gesellschaftern auf ein anderes Gesellschaftsorgan (kritisch Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 399). Während infolge dieser Entscheidung § 15 GenG dahin abgeändert wurde, dass die Möglichkeit der Bestellung durch den Aufsichtsrat ausdrücklich vorgesehen wurde (URÄG 2008, BGBl I 70/2008; vgl ErlRV 467 Blg 23. GP 39), erfolgte keine im Zusammenhang stehende Änderung des GmbHG.

2.7. Die Übertragung der Bestellungskompetenz auf ein anderes Gesellschaftsorgan ist aber nur eine, wenn auch die weitestgehende Möglichkeit, einem anderen Gesellschaftsorgan als der Generalversammlung Einfluss auf die Bestellung der Geschäftsführer einzuräumen.

In Betracht kommen darüber hinaus andere vertragliche Gestaltungen, wie die Einräumung eines bloß unverbindlichen Vorschlagsrechts, die Einräumung eines Benennungs- oder Präsentationsrechts, das die Gesellschafter zur konformen Beschlussfassung verpflichtet, sofern nicht sachliche oder wichtige Gründe gegen eine Bestellung der benannten Person sprechen, die Einräumung eines bloßen Zustimmungsvorbehalts oder die Gewährung eines Entsendungsrechts (vgl etwa Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 392; Straube/Ratka/Stöger/Völkl in Straube, WK GmbHG § 15 Rz 26).

2.8. Die Zulässigkeit der Einräumung eines Nominierungsrechts zugunsten von Gesellschaftern oder Gesellschaftergruppen, verbunden mit der Verpflichtung der übrigen Gesellschafter, für die Bestellung der nominierten Person zu stimmen, sofern nicht wichtige Gründe dem entgegenstehen, ist allgemein anerkannt (Straube/Ratka/Stöger/Völkl in Straube, WK GmbHG § 15 Rz 26; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I² Rz 2/68; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 15 Rz 12; Umfahrer, GmbH6 Rz 175; Gellis, GmbHG7 § 15 Rz 4; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht² Rz 4/148; Eckert, Abberufung 29; Umlauft, Gesellschaftsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten bei Bestellung und Abberufung von GmbH-Geschäftsführern unter besonderer Berücksichtigung des Nominierungsrechts, NZ 1992, 89, 94).

Ein derartiges Nominierungsrecht ist nach einer Lehrmeinung ausdrücklich auf Gesellschafter beschränkt und kann anderen Gesellschaftsorganen nicht eingeräumt werden (Umlauft, NZ 1992, 94).

Nach anderer Ansicht ist die Einräumung von Nominierungsrechten auch zugunsten anderer Gesellschaftsorgane zulässig (Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 400). Auch ohne ausdrückliche Stellungnahme ist davon auszugehen, dass jene Lehrmeinungen, die sogar die Übertragung der Bestellungskompetenz von der Generalversammlung auf ein anderes Gesellschaftsorgan akzeptieren, die Einräumung von Nominierungsrechten – etwa zugunsten des Aufsichtsrats – als zulässig erachten.

Für die Zulässigkeit einer solchen Gestaltung wird ins Treffen geführt, dass damit die Kompetenz der Generalversammlung formell erhalten bleibe (Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 400).

3. Ergebnis

3.1. Im vorliegenden Fall ist eine Satzungsregelung zu beurteilen, die die Bestellung der Geschäftsführer nicht schlechthin dem Aufsichtsrat überträgt, sondern diesem ein Recht zur Namhaftmachung einer Person einräumt. Korrespondierend dazu ist eine Verpflichtung der Gesellschafter vorgesehen, diese Person als Geschäftsführer zu bestellen, also für die Bestellung der solcherart vorgeschlagenen Person zum Geschäftsführer zu stimmen. Dabei wird von den Klägern nicht in Zweifel gezogen, dass das Vorliegen wichtiger Gründe der Annahme einer Verpflichtung zur Zustimmung entgegenstehe.

Die Vorinstanzen haben die Zulässigkeit eines derartigen Nominierungsrechts gleichlaufend mit der Frage der Zulässigkeit einer Übertragung der Bestellungskompetenz an den Aufsichtsrat übereinstimmend verneint.

3.2. Diese Rechtsansicht ist zutreffend.

Dabei ist zunächst der zur Übertragung der Bestellungskompetenz auf den Aufsichtsrat dargestellte Meinungsstand zu behandeln.

Hier ist davon auszugehen, dass der Wille des historischen Gesetzgebers nach einhelliger Auffassung darauf gerichtet war, die Zuständigkeit zur Bestellung der Geschäftsführer zwingend den Gesellschaftern zuzuweisen. Vor diesem Hintergrund lässt der Wortlaut des § 35 GmbHG, der die Bestellung der Geschäftsführer nicht als unabdingbare Gesellschafterkompetenz anführt, keinen Gegenschluss auf die Möglichkeit einer Zuständigkeitsübertragung auf den Aufsichtsrat zu. Vielmehr ergibt sich daraus der nicht abschließende Charakter dieser Norm (vgl Eckert, Abberufung 23).

Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 6 Ob 92/07h klargestellt, dass die Funktion der Gesellschafterversammlung als oberstes Organ dafür spricht, ihre Kompetenz zur Bestellung des Leitungsorgans (im Zweifel) als unabdingbar anzusehen. Dieser Wertung kommt nach wie vor entscheidendes Gewicht zu, zumal der Gesetzgeber auf die Entscheidung 6 Ob 92/07h lediglich mit einer auf Praktikabilitätserwägungen gestützten Novelle des Genossenschaftsrechts (ErläutRV 467 BlgNR 23. GP  39), nicht aber mit einer Änderung des GmbHG reagierte.

Die Möglichkeit der Änderung des Gesellschaftsvertrags – also der Rückübertragbarkeit der Bestellungskompetenz auf die Gesellschafter – ist angesichts der damit verbundenen rechtlichen (§ 50 GmbHG) und zeitlichen Erfordernisse kein praktisch geeignetes Mittel zur Sicherstellung des Einflusses der Gesellschafter auf die Bestellung der Geschäftsführer (dies anerkennend Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 399).

Schließlich ist auszuführen, dass die – hier nicht gegenständliche – Beurteilung von Entsendungsrechten zugunsten von Gesellschaftern keine verlässlichen Schlüsse auf die Zulässigkeit der Übertragung der Bestellungskompetenz an den Aufsichtsrat zulässt, ist der einzelne Gesellschafter doch zumindest Teil der „Gesellschaftergesamtheit“ (Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 399). Auch die in der Revision der Kläger angesprochenen Bestimmungen des § 99 Abs 1 GmbHG und § 10 Abs 1 SpaltG stellen auf Rechte ab, die einzelnen Gesellschaftern, nicht aber etwa dem Aufsichtsrat, eingeräumt sind.

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass § 15 Abs 1 Satz 3 GmbHG eine Übertragung der Zuständigkeit zur Bestellung der Geschäftsführer auf den Aufsichtsrat nicht zulässt.

3.3. Dies gilt auch für ein die Gesellschafter bindendes Nominierungsrecht des Aufsichtsrats.

Die – im Unterschied zu einer gänzlichen Kompetenzübertragung – solcherart gewahrten Teilnahme- und Rederechte der Gesellschafter in der Generalversammlung (vgl U. Torggler, GesRZ 2010, 190) sind mit der Bestellungskompetenz nicht gleichzusetzen; deren Einhaltung ist daher nicht ausreichend.

Die bloß formelle Beibehaltung der Kompetenz der Generalversammlung (vgl Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 400), aber auch eine für den (Ausnahme-)Fall des wichtigen Grundes anzunehmende Ausnahme von der Stimmbindung, sind ebenfalls nicht geeignet, eine abweichende Beurteilung zu tragen. Entscheidend ist vielmehr auch hier die der gesetzlichen Wertung des § 15 Abs 1 Satz 3 GmbHG widersprechende Ausgestaltung der Verbandsverfassung, die die zwingend den Gesellschaftern zugewiesene Entscheidungsbefugnis im Kern dem Aufsichtsrat überträgt.

3.4. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Nebenintervenienten als Gesellschafter keiner Verpflichtung zur Bestellung der vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Person zum Geschäftsführer unterlagen.

Damit besteht keine Grundlage, die Gültigkeit der von den Nebenintervenienten in der Generalversammlung gegen den Antrag auf Bestellung des Zweitklägers zum selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer abgegebenen Stimmen in Zweifel zu ziehen.

Nach der materiellen Rechtslage liegt vielmehr eine wirksame Stimmabgabe vor. Der Beschlussantrag auf Bestellung des Zweitklägers als Geschäftsführer erreichte damit in der Generalversammlung am 25. 4. 2017 nicht die erforderliche einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Die Vorinstanzen haben daher das Hauptbegehren auf Feststellung, in der Generalversammlung der Beklagten am 25. 4. 2017 sei die neuerliche Bestellung des Zweitklägers zum selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer der Beklagten beschlossen worden, zutreffend abgewiesen.

Aus der Unzulässigkeit der in der Satzung vorgesehenen Bindung des Stimmverhaltens der Gesellschafter an die vom Aufsichtsrat als Geschäftsführer vorgeschlagene Person folgt auch die mangelnde Berechtigung der von den Klägern hilfsweise erhobenen Begehren auf Feststellung, Beschlussanfechtung und positive Beschlussfeststellung.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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