OGH 13Os119/18a

OGH13Os119/18a13.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. März 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Verbandsverantwortlichkeitssache der H***** GmbH und der B***** Privatstiftung wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der belangten Verbände gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 24. Mai 2018, GZ 17 Hv 2/17f‑78, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Jenichl, des Vertreters der Finanzstrafbehörde, Krell BA, und des Verteidigers der belangten Verbände, MMag. Dr. Konezny, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00119.18A.0313.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Die Berufungen werden zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

 

Der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 22. Juni 2017 (ON 46) auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße über die H***** GmbH und über die B***** Privatstiftung wird abgewiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die H***** GmbH (im Folgenden H***** GmbH) und die B***** Privatstiftung (im Folgenden BPS) jeweils gemäß § 3 Abs 1 Z 2 und Abs 2 VbVG iVm § 28a Abs 1 FinStrG für je ein Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach (richtig) §§ 13, 33 Abs 1 FinStrG verantwortlich erkannt, das ihr jeweiliger Entscheidungsträger, nämlich Alfred H***** als Geschäftsführer der H***** GmbH und Mag. Werner G***** als Vorsitzender des Stiftungsvorstands der BPS, rechtswidrig sowie schuldhaft begangen und dadurch den jeweiligen Verband treffende Pflichten verletzt hätte.

Dabei ging das Erstgericht (zusammengefasst) davon aus, es haben im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Waldviertel H***** als Geschäftsführer der H***** GmbH und Mag. G***** als „Vorstandsvorsitzender der BPS“ vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht zu bewirken versucht, dass eine bescheidmäßig festzusetzende Abgabe, nämlich Körperschaftsteuer, um 263.405,68 Euro zu niedrig festgesetzt wird, indem

(A) H***** „für die H***** GmbH als Käuferin“ und Mag. G***** „für die BPS als Verkäuferin am 29. 10. 2009 in S***** einen auf den 15. 02. 2008 rückdatierten und unter Mitwirkung von Mag. G***** erstellten Kaufvertrag“ über Wertpapierdepots (die „im Zuge der sogenannten Finanzkrise 2008 einen Wertverlust in Millionenhöhe erlitten“ hatten) „unterfertigten“ und „einvernehmlich veranlassten“, dass in der am 20. Jänner 2010 eingereichten Jahreserklärung der H***** GmbH zur Körperschaftsteuer für das Jahr 2008 wahrheitswidrig (aus dem vorgeblichen Wertpapierkauf bereits am 15. Februar jenes Jahres resultierende) Verluste in der Höhe von 1.053.622,72 Euro als gewinnmindernd geltend gemacht wurden,

(B) H***** „am 30. 10. 2010 in S***** in einem E‑Mail an das Finanzamt Waldviertel wahrheitswidrig behauptete, der unter Punkt A genannte Kaufvertrag sei am 15. 2. 2008 abgeschlossen worden“, und

(C) Mag. G***** „am 13. 9. 2010 in Ga***** in einem E-Mail [...] Barbara Hu***** aufforderte, dem Finanzamt den rückdatierten Kaufvertrag als Grundlage für die Überprüfung der KöSt-Erklärung der H***** GmbH aus dem Jahr 2008 zu übermitteln, sowie in der Besprechung mit Beamten des Finanzamtes Waldviertel am 6. 9. 2011 in Ho***** wahrheitswidrig behauptete, der Kaufvertrag sei am 15. 2. 2008 abgeschlossen worden und die Wertpapiere seien mit 1. 1. 2008 übertragen worden“,

wobei es aufgrund nachfolgender bescheidmäßiger Abgabenfestsetzung in der richtigen Höhe beim Versuch blieb (US 8).

 

Rechtliche Beurteilung

Vorangestellt sei, dass H***** und Mag. G***** der ihnen zur Last gelegten strafbaren Handlungen mit Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 24. Mai 2018 (ON 77) schuldig erkannt wurden. Diese Schuldsprüche (vgl dazu 13 Os 118/18d) sind – zwar nicht infolge Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde durch einen der am (gemeinsam geführten) Verfahren beteiligten belangten Verbände gegen jenes Urteil (vgl § 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG), aber – zufolge Anmeldung (und Ausführung) von Nichtigkeitsbeschwerden durch die Angeklagten H***** und Mag. G***** nicht materiell rechtskräftig (vgl RIS‑Justiz RS0112232; Lewisch, WK‑StPO Vor §§ 352–363 Rz 50 ff).

Demnach ist die (für die Haftung der belangten Verbände präjudizielle) rechtswidrige und schuldhafte Begehung von Straftaten durch Entscheidungsträger (§§ 2 Abs 1, 3 Abs 2 VbVG) nicht mit die Verbände bindender Wirkung festgestellt. Aus diesem Grund ist auch sie (zulässiger) Gegenstand der Anfechtung des Verbandsurteils und der diesbezüglichen (auch amtswegigen) Prüfung (RIS‑Justiz RS0131120 [insbesondere T1]).

 

1. Zu den Rechtsmitteln:

In der gemeinsam mit jener gegen die natürlichen Personen geführten (§ 22 Abs 1 VbVG) Hauptverhandlung am 24. Mai 2018 wurde in Gegenwart des Verteidigers beider belangter Verbände zunächst das Urteil über die natürlichen Personen (ON 77) und sodann – gemäß § 22 Abs 2 VbVG davon getrennt – das Urteil über die belangten Verbände (ON 78) verkündet (ON 76 S 16 ff).

Den belangten Verbänden stand es frei, das Urteil über die natürlichen Personen (ON 77) oder das über sie selbst ergangene Urteil (ON 78) oder beide Urteile zu bekämpfen (§ 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG; § 24 VbVG).

Innerhalb der in § 284 Abs 1 StPO bezeichneten Frist erklärten sie jeweils (bloß), Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen „das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 24. 05. 2018 zu Gz 17 Hv 2/17f“ anzumelden (ON 79).

Dieser Erklärungsinhalt ließ offen, gegen welches von beiden Urteilen sich ihre Rechtsmittel richten sollten. Ein Rechtsmittel wurde damit gegen keines von beiden Urteilen deutlich und bestimmt angemeldet (zu dieser Obliegenheit RIS‑Justiz RS0100007; vgl Ratz, WK‑StPO § 284 Rz 1 ff und § 294 Rz 2 ff).

Die – binnen vier Wochen nach Zustellung von Ausfertigungen beider Urteile an den (gemeinsamen) Verteidiger sowohl des Angeklagten H***** als auch beider belangter Verbände – von den belangten Verbänden gemeinsam (nur) gegen das Verbandsurteil (ON 78) ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen wurden demnach von Personen eingebracht, denen diese Rechtsmittel nicht (mehr) zukommen (§ 285a Z 1 StPO; § 294 Abs 4 erster Satz StPO).

Es waren daher die Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen (§ 288 Abs 1 StPO) und die Berufungen zurückzuweisen (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).

 

2. Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass das angefochtene Urteil mit materieller Nichtigkeit (nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) behaftet ist, die zum Nachteil der belangten Verbände wirkt und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Gemäß § 28a Abs 1 letzter Satz FinStrG gilt für vom Gericht zu ahndende Finanzvergehen von Verbänden (§ 1 Abs 2 FinStrG) – unter anderem – § 31 FinStrG (Verjährung der Strafbarkeit), soweit er nicht ausschließlich auf natürliche Personen anwendbar ist (Marek in WK2 StGB Vor §§ 57–60 Rz 5).

Auf Basis der Feststellungen im angefochtenen Urteil – die mit jenen des Urteils über die natürlichen Personen (ON 77) übereinstimmen – kommt H***** und Mag. G***** in Bezug auf jene Taten, die sie als Entscheidungsträger des jeweiligen Verbands begangen und wodurch sie jeweils diesen treffende Pflichten verletzt haben sollen, der angesprochene Strafaufhebungsgrund (jedenfalls) zustatten: Danach ist – aus den im Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 13. März 2019, AZ 13 Os 118/18d, im Einzelnen dargelegten Gründen – die Strafbarkeit ihrer Finanzvergehen verjährt (§ 31 FinStrG).

Dies allein freilich schlösse – entgegen Teilen des Schrifttums (Hilf/Zeder in WK2 VbVG § 3 Rz 25; E. Steininger, Lehrbuch VbVG2 57) – Verbandsverantwortlichkeit nach Maßgabe des § 3 Abs 2 VbVG noch nicht eo ipso aus: Sie verjährt zwar nach den gleichen Regeln wie die Strafbarkeit des Finanzvergehens des Entscheidungsträgers (§ 28a Abs 1 letzter Satz FinStrG iVm § 31 FinStrG). Allerdings ist gesonderter Ab‑ oder Fortlauf der Verjährungsfristen möglich, wenn ein die Verjährung hemmender Umstand (§ 31 Abs 3, Abs 4 FinStrG) nur aufseiten des belangten Verbands, nicht aber aufseiten der natürlichen Person besteht oder umgekehrt (in diesem Sinne Hilf in Hotter et al, Unternehmensstrafrecht – eine Praxisanleitung [2010] 217 [218 ff], und folgend Hilf/Zeder in WK2 VbVG § 12 Rz 7).

Dass innerhalb der jeweiligen Verjährungsfrist den Voraussetzungen des § 31 Abs 4 lit b FinStrG entsprechende Verfolgungsschritte gegen den jeweiligen belangten Verband gesetzt worden (oder sonst die Verjährung der strafrechtlichen Verbandsverantwortlichkeit hemmende Umstände eingetreten) wären, hat das Schöffengericht jedoch nicht festgestellt. Nach der Aktenlage könnten solche Feststellungen (zum Nichtvorliegen des in Rede stehenden materiellen Strafaufhebungsgrundes aufseiten der belangten Verbände) in einem zweiten Rechtsgang auch nicht getroffen werden (RIS‑Justiz RS0118545).

Schon aus diesem Grund war das angefochtene Urteil aufzuheben, sogleich in der Sache selbst zu erkennen und der Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße abzuweisen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz, § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass – unter Zugrundelegung der Konstatierungen im Ersturteil – durch das Verhalten des Mag. G*****, der als Entscheidungsträger (nicht der Abgabenschuldnerin H***** GmbH, sondern) der BPS gehandelt habe (US 4 ff), gar keine diesen Verband treffenden (hier: Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheits‑)Pflichten verletzt (§ 3 Abs 1 Z 2 VbVG) worden wären.

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