OGH 13Os151/18g

OGH13Os151/18g13.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. März 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Benjamin F***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. August 2018, GZ 95 Hv 35/18i‑52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00151.18G.0313.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch und in der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung gegen Sanktionsaussprüche wird der Angeklagte auf die Aufhebung verwiesen.

Vor der

Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche durch das Oberlandesgericht Wien werden die Akten dem Landesgericht für Strafsachen Wien zugeleitet.

 

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Benjamin F***** Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I) und des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er in W***** Yvonne S*****

I) Mitte Dezember 2016 mit Gewalt, nämlich durch die Verabreichung von Substanzen, durch die die Willensbildung der Genannten ausgeschaltet wurde, zur Duldung des Beischlafs genötigt und

II) im Februar 2017 im Tiefschlaf, somit als sie wehrlos war, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr den Beischlaf vornahm.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des Antrags auf Einholung einer Auskunft bei der „Medikamente – rezeptfrei“ in Prag zum Beweis dafür, dass die Rohypnol‑Bestellungen vom 11. Mai 2016 und vom 12. Mai 2016 nicht vom Angeklagten getätigt wurden, sondern von einer anderen Person, die Zugriff auf seinen PC hatte (ON 51 S 26), und des Antrags auf Vernehmung des Daniel O***** als Zeugen zum Beweis dafür, dass sich der Angeklagte von „Frau S*****“ gestalkt gefühlt habe, diese ihn mit ihrer Schwangerschaft konfrontiert und in einem Lokal gemeinsam mit „Frau W*****“ grundlos attackiert habe, sowie dafür, dass ihn „Frau W*****“ durch Werfen eines Glases verletzt habe und ihn die Genannten außerhalb des Lokals verfolgt haben (ON 51 S 27).

Entgegen der Verfahrensrüge unterblieben diese Beweisaufnahmen zu Recht (ON 51 S 27 f), weil die Beweisthemen für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung sind (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO).

Der Verfahrensrüge zuwider verfiel (ON 51 S 47) auch der Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen, weil das vom Gericht eingeholte Gutachten selbst nach Ergänzung „unbestimmt und widersprüchlich“ geblieben sei, zumal der Sachverständige „auf der einen Seite“ von der Tatbegehung ausgehe, „auf der anderen Seite“ wieder nicht, selbiges aber dem Privatgutachter vorwerfe und der „Widerspruch“ nicht ausgeräumt werden konnte, weshalb „man dieser einen Untersuchung mehr glaubt und der anderen weniger und letztlich diese Gefährlichkeitswahrscheinlichkeit von 3 % unter den Tisch fällt und man doch lieber die höhere nimmt und damit auch zu einem anderen Ergebnis kommt“ (ON 51 S 46 f), zu Recht der Abweisung.

Um aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO erheblich zu sein, muss ein Beweisantrag jedenfalls darlegen, welche Tatsache er durch die Beweisaufnahme beweisen will (§ 55 Abs 1 StPO). Dieser Anforderung wurde der Antrag großteils nicht gerecht. Soweit er ersichtlich die Gutachtenserstattung zur Gefährlichkeitsprognose angreift, genügt der Hinweis, dass die Prognoseentscheidung einer Anfechtung aus Z 4 von vornherein nicht zugänglich ist (dazu eingehend mwN Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 715 ff).

In der Beschwerdeschrift nachgereichte Ausführungen zur Antragsfundierung sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).

Dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zuwider können die Feststellungen zu Halluzinationen der Yvonne S***** und jene zum objektiven Tatgeschehen (US 3) nach den Denkgesetzen sehr wohl nebeneinander bestehen.

Mit dem Einwand, das Erstgericht begründe nicht, weshalb die Vergewaltigung keine Halluzination gewesen sei, wendet sich die Rüge bloß mit eigenen Beweiswerterwägungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Im Weiteren richtet sich die Mängelrüge (Z 5) gegen die Feststellungen zur Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Angeklagten (US 5). Dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider ist deren Ableitung aus dem vom Erstgericht für nachvollziehbar erachteten Gutachten des Sachverständigen Univ.‑Doz. Dr. D***** (US 11) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Soweit sich das Vorbringen (auch) gegen die Gefährlichkeitsprognose als solche richtet, wird ein Berufungsvorbringen erstattet (RIS-Justiz RS0113980).

Im bisher behandelten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Hingegen zeigt die Sanktionsrüge (Z 11) zutreffend auf, dass die Wertung der fehlenden

Schuldeinsicht des Angeklagten als eine für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsache (US 13 f) eine im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO unrichtige Gesetzesanwendung darstellt, weil dem Angeklagten aus seiner Verteidigung kein Nachteil erwachsen darf (RIS-Justiz RS0090897).

Dies führte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des Strafausspruchs. Zudem sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Anordnung nach § 21 Abs 2 StGB aufzuheben, um dem Landesgericht im zweiten Rechtsgang die neuerliche Beurteilung der gesamten Sanktionsfrage zu ermöglichen (§ 289 StPO).

Mit seiner Berufung gegen die Sanktionsaussprüche war der Angeklagte auf die Aufhebung zu verweisen.

Zur

Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten in der Folge dem Oberlandesgericht Wien zuzuleiten sein (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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