OGH 7Ob19/19y

OGH7Ob19/19y27.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** B*****, vertreten durch Dr. Hubert Maier, Rechtsanwalt in Mauthausen, gegen die beklagte Partei DI K***** H*****, vertreten durch Mag. Günther Eybl, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen 12.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Dezember 2018, GZ 1 R 176/18k‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00019.19Y.0227.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Allein das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu einer bestimmten Fallgestaltung – hier Haftung des Hundehalters im Zusammenhang mit einem Unfall des Hundetrainers bei einem von diesem geführten Hundetraining – begründet für sich noch nicht eine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS‑Justiz RS0102181). Lassen sich – wie im vorliegenden Fall – die vom Revisionswerber für erheblich erachteten Rechtsfragen durch Anwendung der bestehenden Rechtsprechung in Verbindung mit den Gesetzen der Logik klären, dann liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RIS‑Justiz RS0118640).

1.2 So entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass das Maß der Sorgfaltspflichten bei Verwahrung und Beaufsichtigung durch den Tierhalter immer von den Umständen des Einzelfalls abhängt und daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (vgl RIS‑Justiz RS0030567 [T1]; RS0030157 [T10]). Welche Maßnahmen im Einzelfall notwendig sind, richtet sich nach den dem Tierhalter bekannten oder erkennbaren Eigenschaften des Tieres und den jeweiligen Umständen (RIS‑Justiz RS0030058).

2. Die Haftung des Tierhalters tritt nicht schon dann ein, wenn nicht jede Möglichkeit einer Beschädigung durch das Tier ausgeschlossen ist, sondern erst dann, wenn die nach den Umständen gebotenen Vorkehrungen unterlassen wurden (RIS‑Justiz RS0030024). Konkret vorhersehbare Gefahren sind zu vermeiden (RIS‑Justiz RS0027339 [T7]). Sind dem Tierhalter Eigenschaften eines Tieres bekannt oder hätten sie ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt sein müssen, die zu einer Gefahrenquelle werden können, wie etwa nervöse Reaktionen, unberechenbares Verhalten, Unfolgsamkeit und dergleichen, wird er auch für die Unterlassung der in Anbetracht dieser besonderen Eigenschaften erforderlichen und nach der Verkehrsauffassung vernünftigerweise zu erwartenden Vorkehrungen einzustehen haben (RIS‑Justiz RS0030472). Die Beweislast für die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt trifft den Tierhalter (vgl RIS‑Justiz RS0105089), die Anforderungen dürfen dabei nicht überspannt werden (RIS‑Justiz RS0030365, RS0030326). Diese Grundsätze hat der Oberste Gerichtshof auch auf das Verhalten auf einem Hundeabrichteplatz angewendet, jedenfalls soweit kein fassbarer kausaler Zusammenhang mit einer bestimmten Ausbildungsmaßnahme oder mit einer Besonderheit des Gebäudes besteht (vgl 8 Ob 6/15p). Es wurde ebenfalls schon ausgesprochen, dass die gebotene Verwahrung verschiedenen Personen gegenüber unterschiedlich ausgestaltet sein kann (vgl 1 Ob 57/02t).

3.1 Nach den Feststellungen weist der Hund des Beklagten keine besondere Aggressivität oder Auffälligkeiten auf. Der Kläger war der das Fährtentraining durchführende Hundetrainer. Der Hund war ihm bekannt. Nachdem der Beklagte die (lange) Fährtenleine anstelle der (kurzen) Führerleine angelegt hatte, griff der Kläger nach einem am Boden liegenden verwickelten Teil der Fährtenleine, um diesen zu entwirren. Der Hund des Beklagten drehte sich um und biss den Kläger.

3.2 Die Vorinstanzen sind von den oben dargestellten – schon bestehenden – Grundsätzen ausgegangen und haben sie auf den konkreten Einzelfall angewendet. Ihre Auffassung, den Beklagten treffe in der vorliegenden Fallkonstellation kein haftungsbegründendes Verhalten, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Erfolgte der Biss doch im Zusammenhang damit, dass der Kläger, der als Hundetrainer über Wissen und Erfahrung im Umgang mit Hunden verfügte und auch in Kenntnis darüber war, dass sich der Hund nicht mehr an der Führerleine befand, so in der Nähe des Hundes auf den Boden griff, dass dieser sich umdrehen und ihn beißen konnte. Der Hund, der an die Arbeit mit Hundetrainern gewöhnt ist, hatte zuvor Menschen in einer vergleichbaren Situation auch noch nie gebissen. Der Angriff kam für den Beklagten überraschend und war von ihm nicht verhinderbar.

3.3 Ob es rechtspolitisch zweckmäßig wäre, anstelle der Verschuldenshaftung (vgl RIS‑Justiz RS0030291) eine Erfolgshaftung für Hunde zu schaffen, ist für die Entscheidung irrelevant (vgl RIS‑Justiz RS0008880). Entgegen der Ansicht des Klägers kann auch aus dem Umstand, dass der Hund den Beklagten einmal gebissen hat, als dieser ihm auf die Pfote oder Rute gestiegen war, auf keine besondere Gefährlichkeit geschlossen werden, da reflexive Abwehrhandlungen eines Tieres grundsätzlich kein Indiz für eine solche sind (vgl RIS‑Justiz RS0030096 [zu Pferden], RS0030014).

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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