OGH 9ObA8/19w

OGH9ObA8/19w27.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar und ADir. Gabriele Svirak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** L*****, vertreten durch Mag. Michael Medwed und Mag. Johann Sparowitz, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, und die auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten 1. V***** AG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Grassl, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Dr. H***** S*****, vertreten durch Dr. Stephan Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 302.891,01 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 78.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. November 2018, GZ 15 Ra 35/18m‑134, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00008.19W.0227.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.  Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Arbeitgeber gegenüber seinen ehemaligen Arbeitnehmern im Zusammenhang mit Vorschlägen, die auf eine Befreiung des Arbeitgebers von direkten Leistungsverpflichtungen aus seiner Pensionsvereinbarung hinauslaufen, zur umfassenden Aufklärung verpflichtet (RIS‑Justiz RS0017049 [T35, T44]). Allgemein gültige Kriterien, welche Informationen ein Arbeitgeber konkret bieten muss, um seiner Aufklärungspflicht zu entsprechen, können nicht aufgestellt werden (RIS‑Justiz RS0017049 [T41, T53]). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber zu einer ausgewogenen Information verpflichtet ist, durch die nicht nur die zu erwartenden Vorteile, sondern insbesondere auch die den Arbeitnehmern allenfalls drohenden Risiken, insbesondere über das zu tragende Kapitalmarktrisiko und die daraus möglichen Pensionsverluste, im Rahmen des Zumutbaren und im Sinne einer ex‑ante-Betrachtung aufzuzeigen sind (RIS‑Justiz RS0017049 [T54]). Der zur Aufklärung Verpflichtete darf insbesondere dann keine Umstände verschweigen, wenn ihm der Arbeitnehmer eine bestimmte Erwartungshaltung kommuniziert hat, er aber erkennt, dass dessen Erwartungshaltung unrichtig ist (RIS-Justiz RS0017049 [T55]). Insofern hängt der Umfang der Aufklärungspflicht wesentlich auch von dem für den Arbeitgeber erkennbaren Informations- und Wissensstand des betreffenden Arbeitnehmers, also von den konkreten Kenntnissen, über die der jeweilige Arbeitnehmer verfügt, ab (RIS-Justiz RS0017049 [T41]). Letztlich ist entscheidend, welches Gesamtbild sämtliche Informationen dem betroffenen Arbeitnehmer unter Berücksichtigung seiner Ausbildung von den Chancen und Risiken einer Übertragung seiner Betriebspension auf eine Pensionskasse vermittelten (9 ObA 60/16p mwN).

Ob der Arbeitgeber seine Verpflichtung zur umfassenden Aufklärung erfüllt hat, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher – vom Fall einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung abgesehen – im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage (8 ObA 3/13v Pkt 1; RIS-Justiz RS0017049 [T40]). Ein solcher Korrekturbedarf ist hier nicht gegeben, weil sich die angefochtene Entscheidung im Rahmen der dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht des Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Wechsel von einer einzelvertraglichen Pensionszusage zu einer Pensionskasse, die den Arbeitgeber von seiner Leistungspflicht befreit, bewegt.

Der Kläger war zuletzt seit 1979 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2005 Prokurist und Filialleiter der beklagten Bank und gehörte als Inhaber eines Sondervertrags der zweiten Führungsebene an. Als Leiter der Filiale in Wien war er bestrebt, dort das Veranlagungs- und Kreditgeschäft aufzubauen. Der Kläger, der privat selbst Wertpapiergeschäfte tätigte, besaß besondere Kenntnisse über den Kapitalmarkt, hatte Erfahrungen und Kenntnisse in Bezug auf Anleihen, Investmentfonds und Optionsscheine und kannte die damit im Zusammenhang stehenden Veranlagungsrisiken. Bereits in den 1990er Jahren nahm der Kläger an zumindest zwei Informationsveranstaltungen teil, in denen ihm das Pensionskassensystem erläutert wurde, weil er von der Beklagten selbst mit der Vermittlung von Pensionskassenverträgen betraut war.

Bevor sich der Kläger zu einer Vereinbarung mit der Erstbeklagten über die Auslagerung seiner auf einem Sondervertrag beruhenden Betriebspensionsansprüche an die Erstnebenintervenientin entschloss, führte der Zweitnebenintervenient – zum damaligen Zeitpunkt Chef der Personalabteilung und Projektleiter der Beklagten für den Umstieg in ein beitragsorientiertes Pensionskassensystem – mit dem Kläger ein Vieraugengespräch, in dem er ihm das System der Zielübertragung, die verschiedenen Zinssätze, die Schwankungsrückstellung und die Arbeitgeberreserve erklärte. Das Risiko von Pensionskürzungen im neuen System verneinte er im Hinblick auf das dem Kläger im Mai 1998 ausgestellte Pensionszertifikat, die von ihm verhandelte 15%ige unverfallbare Arbeitgeberreserve sowie die in den Vorjahren erwirtschafteten hohen Renditen. Der Zweitnebenintervenient hat dem Kläger weder ihm bekannte Informationen bewusst vorenthalten, noch verschwiegen.

Der Zweitnebenintervenient verfügte damals im Zusammenhang mit der Pensionsauslagerung auf die Pensionskasse bei der Beklagten über den höchsten Wissensstand und ging selbst davon aus, dass die auf den Berechnungen basierenden Parameter des Veranlagungs- und Pensionskassenmodells realistisch seien und das Risiko bezüglich einer Pensionskürzung nur ein rein theoretisches sei. Aus diesem Grund wechselten auch er sowie sämtliche Sondervertragsinhaber in das neue System.

Der Kläger wusste vor Unterfertigung seines Auslagerungs-Sondervertrags, dass der Auslagerung ein technischer Zinssatz von 5,5 % sowie ein kalkulatorischer Zinssatz von 7,5 % zugrunde gelegt wird, dass künftige Erträgnisse aus dem Kapital vom Veranlagungserfolg der Pensionskasse abhängig sein werden, und dass derartige Veranlagungen ein gewisses Risiko in sich bergen und zur Erreichung einer Verzinsung von 7,5 % riskantere Veranlagungsinstrumente wie Aktien herangezogen werden. Er sah darin jedoch kein Risiko für sich. In einem von der Beklagten für den Kläger erstellten persönlichen Berechnungsblatt wurde auch besonders darauf hingewiesen, dass es sich bei den darin dargestellten Leistungen um Hochrechnungsergebnisse handelt.

Der Kläger verlangte auch keine weiteren Informationen vom Zweitnebenintervenienten und nahm auch die Möglichkeit, an einer Veranstaltung über die „Auslagerung der BTV-Pension in die Pensionskasse“ teilzunehmen, nicht mehr wahr.

Weder der Zweitnebenintervenient noch sonst jemand von der Beklagten garantierte dem Kläger, dass seine Pension nach der Auslagerung in gleicher Höhe sichergestellt sei.

Ausgehend davon hält sich die übereinstimmende rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, die eine Verletzung von Aufklärungspflichten durch die Beklagte verneint haben, im Rahmen der in Lehre und ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze.

Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass eine allgemeine Aufklärungspflicht über alle Umstände, die den Vertragspartner vom Vertragsabschluss abhalten könnten, nicht besteht (RIS-Justiz RS0014820 [T4]). Wenn daher das Berufungsgericht ausgehend von der besonderen Komplexität des Pensionskassensystems und seiner rechtlichen Verästelungen davon ausging, dass die Beklagte im konkreten Fall ihre Aufklärungspflicht nicht verletzt hat, obwohl dem Kläger keine (näheren) Informationen über die Wirkungsweise der Sterbetafeln im Pensionskassenrecht, des dort geltenden Stichtagsprinzips sowie des pensionskassenrechtlichen Begriffs der sogenannten „negativen Schwankungsrückstellung“ gegeben wurden, so begegnet dies beim Senat keinen Bedenken. Entscheidend ist nämlich, dass dem Kläger ein Gesamtbild der wesentlichen Informationen über die Auslagerung seiner Betriebspensionsansprüche vermittelt wurde, das es ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Fachkenntnisse erlaubte, die Chancen und Risiken einer Übertragung seiner Betriebspension auf eine Pensionskasse einzuschätzen. Dem Kläger musste aufgrund dieses Gesamtbildes klar sein, dass es sich bei den Prognosen über die Höhe der Pension um bloße Hochrechnungen handelt und die erwarteten Leistungen daher auch unter die Höhe der ursprünglich direkten Pensionszusage fallen konnten. Er durfte nicht davon ausgehen, dass die ursprüngliche Pensionshöhe nach den bisherigen Regelungen jedenfalls erhalten bleiben wird.

Soweit sich der Kläger auf das ihm 1998 anlässlich des Vertragsabschlusses zwischen der Beklagten und der Erstnebenintervenientin von Letzterer übermittelte „Pensionszertifikat“ bezieht, übergeht er den bereits vom Berufungsgericht hervorgehoben Umstand, dass dieses Schreiben Jahre vor dem Pensionskassenübertritt der Arbeitnehmer ausgestellt wurde, zu einem Zeitpunkt, als der Kläger selbst noch über eine Direktpensionszusage seines Dienstgebers verfügte, sodass es sich auch nur auf diese Situation beziehen konnte (vgl 8 ObA 3/13v Pkt 1).

2.  Die Rechtsauffassung des Klägers, der Zweitnebenintervenient habe ihm gegenüber im Vieraugengespräch eine Garantieerklärung der Beklagten dahin abgegeben, dass es bei Übertritt in das Pensionskassensystem zu keiner Schlechterstellung kommen wird, muss schon am gegenteilig festgestellten Sachverhalt scheitern.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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