OGH 12Os127/18w

OGH12Os127/18w24.1.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2019 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Shemshi S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Shemshi S*****, Agonis A***** und Thomas H***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten Shemshi S*****, Armend Su*****, Agonis A***** und Thomas H***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 26. Juni 2018, GZ 144 Hv 30/18i‑87, sowie über die Beschwerde des Angeklagten Agonis A***** gegen den unter einem gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00127.18W.0124.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung des Angeklagten Thomas H***** wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe und über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Shemshi S*****, Agonis A***** und Thomas H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Armend Su***** enthält, wurden Shemshi S*****, Agonis A***** und Thomas H***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (Thomas H***** [richtig, vgl US 16:] iVm § 12 dritter Fall StGB) schuldig erkannt.

Danach haben sie gemeinsam mit Armend Su***** am 2. Februar 2018 in W***** unter Verwendung einer Waffe Gewahrsamsträgern des Unternehmens H***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich sechs iPhones im Gesamtwert von ca 3.310 Euro, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie zu viert das Geschäftslokal aufsuchten, Shemshi S***** dem Angestellten Ismail An***** eine Gaspistole vorhielt, Armend Su***** mit einem Hammer die Glasscheiben von zwei Vitrinen einschlug und dieser sowie Agonis A***** die Handys an sich nahmen, während Thomas H***** vor dem Geschäft Aufpasserdienste leistete.

Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der nachgenannten Angeklagten, die von Shemshi S***** auf Z 5, Z 5a, Z 9 lit a und Z 10, von Agonis A***** auf Z 5 und Z 10 sowie von Thomas H***** auf Z 10a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützt werden.

 

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Shemshi S***** :

Mit ihrem Einwand, das Erstgericht habe die auf Verwendung einer Waffe gerichtete subjektive Tatseite mit dem bloßen Hinweis darauf, dass Shemshi S***** diese mehrfach in Händen gehalten habe, offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), orientiert sich die Mängelrüge der Verfahrensordnung zuwider nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370), wonach die Tatrichter ihre Annahme bedingten Vorsatzes (US 9) auch auf die Angaben des Viertangeklagten Thomas H*****, dass er die übrigen am Raub Beteiligten davon in Kenntnis setzte, dass es sich um eine CO 2 -Waffe handelte (US 13 iVm ON 86 S 29), und darauf stützten, dass diese andernfalls eine Plastik- oder Spielzeugpistole in einem Spielwarengeschäft hätten erwerben können (US 11).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als

Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit dem Hinweis auf die – von den Tatrichtern verworfene – Verantwortung des Beschwerdeführers, dass keinesfalls eine Waffe im Sinn des § 143 StGB zur Verwendung kommen sollte, werden Bedenken im oben aufgezeigten Sinn nicht geweckt.

Der im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a, gemeint wohl Z 10) erhobene Einwand substanzlosen Gebrauchs der verba legalia zur Konstatierung des (gemeint offenbar: auf den Gebrauch einer Waffe gerichteten) bedingten Vorsatzes legt nicht dar, welcher weiterer Urteilsannahmen – über die vom Erstgericht ohnedies getroffenen (US 9) hinaus – es bedurft hätte (RIS‑Justiz RS0095939).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) vermisst Feststellungen, „ob es sich um eine Waffe im Sinn des § 143 handelt“, zumal aufgrund der geringen Mündungsenergie nicht mit Verletzungen, geschweige denn schweren Verletzungen gerechnet werden könne, leitet jedoch nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl RIS-Justiz RS0116569), weshalb eine – wie vom Schöffengericht angenommen – dem § 45 Z 3 WaffG unterfallende Gaspistole (vgl US 6 f, 10 f, 15) keine Waffe im technischen Sinn nach § 1 Z 1 WaffG und damit keine solche im Sinn des § 143 Abs 1 StGB darstellen und es auf die Verletzungsgefahr durch verschossene Munition ankommen sollte (vgl demgegenüber RIS-Justiz RS0094112, RS0094012, RS0081888; Eder-Rieder in WK 2 StGB § 143 Rz 18 iVm Rz 16; vgl auch RIS-Justiz RS0115124).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Agonis A***** :

Dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Urteilsgericht den angenommenen auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz (US 9) methodisch einwandfrei (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452)

aus dem objektiven Tatgeschehen

und aus dem zuvor gemeinsam gefassten Tatplan abgeleitet (US 10).

Das Vorbringen, die Eignung der CO 2 -Pistole, schwere Verletzungen zuzufügen, und ein darauf gerichteter Vorsatz der Angeklagten seien unbegründet geblieben, betrifft keine entscheidende Tatsache, weil dies keine Voraussetzung für die angenommene Waffenqualifikation darstellt (vgl neuerlich RIS-Justiz RS0094112, RS0094012, RS0081888).

Der Einwand, das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. Ingo W*****, Msc, sei in der Haupverhandlung – weil nicht einjournalisiert (vgl US 11) – nicht verlesen und daher zu Unrecht im Urteil verwertet worden, vernachlässigt den Inhalt des ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokolls, wonach der Experte sein im Akt aufliegendes schriftliches Gutachten aufrecht hielt (ON 86 S 44), sodass dieses auch vom Vortrag nach § 252 Abs 2a StPO umfasst war (ON 86 S 50). Im Übrigen macht die Rüge nicht deutlich, welche nur im schriftlichen Gutachten, nicht aber mündlich in der Hauptverhandlung erörterten Inhalte der Expertise entgegen § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO (vgl RIS‑Justiz RS0113209) in die Urteilsgründe Eingang gefunden und entscheidende Tatsachen betroffen hätten.

Mit ihrem, in die gleiche Zielrichtung weisenden Vorbringen wird die Subsumtionsrüge (Z 10) auf die Ausführungen zu jener des Angeklagten Shemshi S***** verwiesen.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomas H***** :

Mit dem Hinweis auf sein Geständnis und seine Kooperationsbereitschaft mit den Strafverfolgungsbehörden sowie darauf, er sei – in die Planung nicht involviert – von den Mitangeklagten überredet worden und habe sich unter Druck gesetzt gefühlt, übergeht der Beschwerdeführer in seiner Diversionsrüge (Z 10a) die Urteilsfeststellungen zu seiner aktiven Beteiligung schon durch Auskundschaftung des späteren Tatorts (US 8).

Damit verfehlt er die Anfechtungskriterien des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0124801, RS0119091). Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, weshalb sein als Bemühen, durch die Kontrolle des Geschäfts und des Eingangs den Umfang der Tat und die Gefahr so gering wie möglich zu halten, dargestellter Beitrag durch Leistung von Aufpasserdiensten und der Hinweis, dass eine konkrete schwerwiegende Gefahr für das Opfer nicht gegeben gewesen sei, schuldmindernd ins Gewicht fallen sollte. Dies insbesondere, weil angesichts der herzustellenden Relation der vorliegenden Straftat zu jenen, die insgesamt im Einzugsbereich der Diversion liegen, die Tatbestandsverwirklichung einer mit 15 Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Straftat eines jungen Erwachsenen (§ 19 Abs 1 iVm § 5 Z 4 JGG) bereits eine überaus hohe kriminelle Energie signalisiert ( Schroll in WK² JGG § 7 Rz 14 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung ebenso sofort zurückzuweisen wie die (bloß angemeldete) Berufung des Angeklagten Thomas H***** wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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