OGH 15Os141/18a

OGH15Os141/18a12.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Kontr. Gsellmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christopher K***** wegen Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 9. Juli 2018, GZ 614 Hv 2/18b‑70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00141.18A.1212.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Christopher K***** der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er am 3. Jänner 2018 in W***** Mag. Alexander T***** und Christian D***** vorsätzlich getötet, indem er mit einem Blutalkoholgehalt von 2,32 Promille und einer Geschwindigkeit von 102 km/h seinen PKW der Marke Mercedes A 180 in einer 30 km/h‑Zone auf die Gegenfahrbahn und gegen das Leichtmotorrad der Marke Vespa, auf dem sich Mag. Alexander T***** als Fahrer und Christian D***** als Aufsaße befanden, lenkte, wodurch diese vom Leichtmotorrad geschleudert wurden, wobei Mag. Alexander T***** einen Abriss des verlängerten Markes nach Zerreißen der Bandverbindung zwischen der Halswirbelsäule und dem Hinterhauptknochen und Christian D***** eine umfängliche Zertrümmerung des Schädels mit hochgradiger Beschädigung des Gehirns erlitt, wodurch beide in Folge einer Hirnlähmung verstarben.

Die Geschworenen haben die jeweils in Richtung des Verbrechens des Mordes (§ 75 StGB) gestellten Hauptfragen bejaht, die entsprechende Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) hingegen verneint.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 6, 10a und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie verfehlt ihr Ziel.

Die in Ansehung der Hauptfragen 1./ und 2./ ausgeführte Fragenrüge (Z 6) releviert eine Verletzung des § 312 Abs 1 StPO, weil die „Auflösung von wertausfüllenden Begriffen wie vorsätzlich“ in der Frage unterblieben sei. Sie übersieht dabei, dass der Tatbestand des Mordes (§ 75 StGB) auf der subjektiven Tatseite keine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB abweichenden Vorsatzformen oder zusätzliche Vorsatzerfordernisse verlangt. Der in der genannten Bestimmung umschriebene bedingte Vorsatz muss daher – mit Blick auf § 7 Abs 1 StGB – gar nicht in die Hauptfrage aufgenommen werden; eine entsprechende Erläuterung in der Rechtsbelehrung (Beilage ./C S 6 ff) genügt (RIS‑Justiz RS0113270; Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 10).

Weshalb der verwendete Begriff „vorsätzlich“ nach der zutreffend erteilten Rechtsbelehrung zum (bedingten) Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB), die auch die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit berücksichtigt (Beilage ./C, unjournalisierte S 6 ff), nicht auch von juristischen Laien rechtsrichtig angewendet werden könne (Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 21), sondern weiter auflösungsbedürftig wäre, legt das Rechtsmittel nicht dar.

Auch ist nicht zu erkennen, weshalb die beiden kritisierten Hauptfragen, ob der Angeklagte am 3. Jänner 2018 Mag. Alexander T***** (1./) und Christian D***** (2./) vorsätzlich getötet hat, indem er mit einem Blutalkoholgehalt von ca 2,32 Promille und einer Geschwindigkeit von ca 102 km/h seinen Pkw in einer 30 km/h‑Zone auf die Gegenfahrbahn und gegen das Leichtmotorrad der Marke Vespa, auf dem sich Mag. Alexander T***** und Christian D***** befanden, lenkte, wodurch diese vom Leichtmotorrad geschleudert wurden (US 3 f), den Begriff „getötet“ unzureichend umschreiben und den Anklagesachverhalt nicht unter Anführung der konkreten Tatumstände und damit mit hinreichendem Sachverhaltsbezug definieren sollten (Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 19). Einer Aufzählung der zum Tod führenden Verletzungen bedurfte es – der Kritik der Rüge zuwider – im Übrigen nicht.

Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 10a StPO ist dann gegeben, wenn die Laienrichter das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt. Der Nichtigkeitsgrund greift seinem Wesen nach erst, wenn sich aus den Akten nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten Tatsachen ergeben (RIS‑Justiz RS0118780 [T13 und 16]).

Mit dem Verweis auf die Angaben des Angeklagten, er hätte sich in einer Kurzschlussreaktion durch Lenken seines Fahrzeugs gegen eine Mauer ohne Gefährdung sonstiger Personen umbringen und das Motorrad bloß links überholen, jedoch nicht mit diesem kollidieren wollen, und auf dessen eingeleitetes Brems- und/oder Ausweichmanöver (vgl ON 69 S 36 f), sowie mit der Wiederholung des bereits zur Fragenrüge (Z 6) erstatteten Vorbringens (vgl aber RIS‑Justiz RS0115902), gelingt es der Beschwerde nicht, beim Obersten Gerichtshof sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Wahrspruch zu Grunde liegenden Feststellungen zu wecken.

Die Sanktionsrüge (Z 13) vermisst „konkrete Urteilsannahmen für das Vorliegen einer den Kriterien des § 21 Abs 1 StGB entsprechenden Prognosetat“ und „eines hohen Maßes an Wahrscheinlichkeit“, legt aber nicht dar, weshalb die – unter Berücksichtigung der Person, des Zustands des Angeklagten sowie der Art der Tat (vgl US 10 f iVm ON 69 S 29 ff) – getroffenen Konstatierungen, wonach „Delikte wie das gegenständliche, also Tötungsdelikte, aber auch schwere Körperverletzungen in Zukunft naheliegend und wahrscheinlich“ und „weitere Taten, bei denen andere schwere Verletzungen erleiden oder zu Tode kommen, [...] jedenfalls zu befürchten“ sind (US 10 f), dies nicht ausreichend zum Ausdruck bringen sollten (zu den Kriterien einer Anfechtung der Gefährlichkeitsprognose vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0118581, RS0113980).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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