OGH 12Os88/18k

OGH12Os88/18k6.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sischka als Schriftführer in der Rechtshilfesache gegen František S***** und andere, AZ 6 HSt 2/16y der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA), über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Juni 2016, GZ 332 HR 156/16b‑23, und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 21. November 2016, AZ 20 Bs 225/16h, 240/16i (ON 42), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über den Antrag der A***** Ltd auf Erneuerung des Verfahrens nach § 363a StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, sowie der Vertreter der genannten Gesellschaft Mag. Benedikt und Mag. Peuschl, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00088.18K.1206.000

 

Spruch:

 

Im Verfahren AZ 6 HSt 2/16y der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption verletzen die Beschlüsse

1./ des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Juni 2016, GZ 332 HR 156/16b-23, und

2./ des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 21. November 2016, AZ 20 Bs 225/16h, 240/16i,

§ 115 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 109 Z 1 lit b, Z 2 lit a StPO und Art XI Abs 2 zweiter Satz des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung (BGBl 1995/744).

Diese Beschlüsse werden aufgehoben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien sind die neuerliche Entscheidung über den Antrag der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption vom 3. Juni 2016 auf Beschlagnahme des Bankguthabens aufgetragen.

Mit ihrem

Antrag auf Erneuerung wird die A***** Ltd auf diese Entscheidung

verwiesen.

 

Gründe:

In ihrem gegen František S***** ua wegen Verkürzung von Steuern, Gebühren und ähnlicher obligatorischer Zahlungen nach § 240 Abs 1, Abs 2 lit a, Abs 3 des Strafgesetzbuchs der Tschechischen Republik und anderer strafbarer Handlungen geführten Strafverfahren ersuchte die Städtische Staatsanwaltschaft in Prag zunächst mit via Eurojust übermitteltem Schreiben vom 19. Mai 2016 „um die vorläufige Sicherstellung der Geldsumme in der Höhe von 647,827.117 CZK (ca 25 Mio Euro) auf dem Konto ***** bei der L***** AG“ (ON 5).

Am selben Tag ordnete die Staatsanwaltschaft Wien im Journaldienst, der auch die Kompetenz der WKStA umfasst, gemäß den §§ 109 Z 1 lit b, 110 Abs 1 Z 3 StPO die Sicherstellung des auf dem genannten Konto bei der L***** AG erliegenden Kontoguthabens bis zur Höhe von 647.827.117 CZK (entsprach damals 23.974.959,74 Euro) durch vorläufiges Verbot der Herausgabe an Dritte, der Veräußerung oder Verpfändung an (ON 6).

In dem am 2. Juni 2016 bei der WKStA– zunächst via E-Mail von Eurojust – eingelangten Ersuchen vom 30. Mai 2016 (ON 11 S 45 ff, ON 16 S 129 ff) stellte die Städtische Staatsanwaltschaft in Prag den Tatverdacht ausführlich dar und ersuchte neuerlich um die Sicherstellung des auf dem Konto ***** bei der L***** AG erliegenden Guthabens bis zur Höhe von 647.827.117 CZK (ON 11 S 49).

Unter Punkt II./ (ON 11 S 50 ff, ON 16 S 138 ff) enthält das Rechtshilfeersuchen eine Erklärung, wonach die Staatsanwaltschaft in der Tschechischen Republik berechtigt ist, gemäß den – im Volltext angeschlossenen – §§ 79a, 79f der tschechischen Strafprozessordnung einen Ersatzwert, insbesondere auch ein Kontoguthaben sicherzustellen und dass im vorliegenden Fall „sämtliche rechtlichen und faktischen Bedingungen“ dafür erfüllt seien. Ein Hinweis auf die Erlassung einer solchen, gemäß § 79a Abs 5 der tschechischen Strafprozessordnung iVm § 146a Abs 1 lit d leg cit (vgl ON 66 S 12) mit an das Gericht gerichteter Beschwerde bekämpfbaren Entscheidung der Staatsanwaltschaft fehlt jedoch.

Mit Beschluss vom 8. Juni 2016, AZ 332 HR 156/16b (ON 23), ordnete das Landesgericht für Strafsachen Wien über Antrag der WKStA die Beschlagnahme des auf dem Konto ***** bei der L***** AG erliegenden Guthabens bis zu einer Höhe von 647.827.117 CZK (ca 23.974.959,74 Euro) gemäß § 115 Abs 1 Z 1, Z 2 und Z 3 StPO iVm § 109 Z 1 lit b StPO an. Dieser Beschluss enthält keine Feststellung zu einer Erklärung der ersuchenden Staatsanwaltschaft zum Vorliegen der nach dem im ersuchenden Staat geltenden Recht für diese Maßnahme erforderlichen Voraussetzungen.

Mit Beschluss vom 25. Juli 2016 (ON 33) ergänzte das Landesgericht für Strafsachen Wien den Beschlagnahmebeschluss vom 8. Juni 2016 (ON 23) gemäß § 58 zweiter Satz ARHG um die Befristung der Beschlagnahme bis zum 30. Juni 2017.

Den gegen diese Beschlüsse erhobenen Beschwerden der Kontoinhaberin A***** Ltd gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 21. November 2016, AZ 20 Bs 225/16h, 20 Bs 240/16i (ON 42), nicht Folge. Unter Bezugnahme auf das im Rechtshilfeverfahren generell geltende formelle Prüfungsprinzip seien die Angaben der ersuchenden Behörde in den Schreiben vom 19. und 30. Mai 2016 zum Tatverdacht und zur Herkunft des auf dem gegenständlichen Konto erliegenden Geldes durchaus schlüssig und für die gegenständliche Ermittlungsmaßnahme ausreichend. Die Befristung dieser Maßnahme sei angemessen. Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin nicht dargetan, dass es ihr oder den Beschuldigten im ordentlichen Strafverfahren vor den tschechischen Behörden verwehrt wäre, „die Entscheidung über die hier interessierende Beschlagnahme“ vor ein ordentliches Gericht zu bringen.

Mit Beschluss vom 1. Juni 2017 (ON 55) verlängerte das Landesgericht für Strafsachen Wien die Befristung der Beschlagnahme bis zum 31. Dezember 2017, mit jenem vom 5. Dezember 2017 (ON 84) bis zum 31. Dezember 2018.

Der von der A***** Ltd unter Anschluss eines Konvoluts von Unterlagen begehrten Erwirkung der Aufhebung des Beschlagnahmebeschlusses des Landesgerichts für Strafsachen Wien (ON 46) ist die WKStA nicht nachgekommen.

Dem dagegen von der A***** Ltd erhobenen Einspruch wegen Rechtsverletzung (ON 69) gab das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 29. August 2017, AZ 316 HR 214/17s (ON 73), nicht Folge.

Mit Beschluss vom 21. Februar 2018, AZ 20 Bs 193/17d, 20 Bs 282/17t, 20 Bs 11/18s (ON 106), gab das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht den Beschwerden der A***** Ltd gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 31. Mai, 29. August und 5. Dezember 2017 (ON 55, 73 und 84) nicht Folge.

Begründend verwies es einmal mehr auf das formelle Prüfungsprinzip, wonach die Behörden im ersuchten Staat grundsätzlich von dem im Rechtshilfeersuchen dargestellten Sachverhalt auszugehen hätten. Eine eigenständige Prüfungspflicht bestünde im ersuchten Staat nur dann, wenn der von der Rechtshilfe Betroffene durch entsprechend substantiiertes Vorbringen dagegen bestehende erhebliche Bedenken aufzuzeigen vermöge. Die Annahme einer weitergehenden Prüfungspflicht im ersuchten Staat liefe dem Wesen der Rechtshilfe zuwider; dieses bestünde gerade darin, dass sich der Betroffene gegen die dem Ersuchen zugrunde liegenden Entscheidungen im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens im ersuchenden Staat zur Wehr setzen könne. Solche erheblichen Bedenken bestünden im gegenständlichen Fall aber nicht. Die von der Städtischen Staatsanwaltschaft in Prag am 28. April 2017 (ON 48) begehrte Verlängerung der Beschlagnahme sei sachgerecht, weil sie auf die noch nicht erfolgte, derzeit eine Versetzung in den Anklagestand hindernde Auslieferung des Beschuldigten František S***** von Großbritannien an die Tschechische Republik abstelle.

Dem Einwand, wonach über „den Fall“ in der Tschechischen Republik kein unabhängiges Gericht im Sinn des Art 6 MRK entschieden habe, hielt das Beschwerdegericht die eingeschränkte Anwendbarkeit von Art 6 MRK im Rechtshilfeverfahren entgegen; die danach gebotene Fairness sei vielmehr an der Gesamtheit des damit zusammenhängenden und sich mit der der Beschlagnahme zugrunde liegenden Verdachtslage auseinandersetzenden tschechischen Strafverfahrens zu messen.

Der Reklamierung eines Verstoßes gegen § 45 Abs 4 EU-JZG hielt es den sich aus § 124 Abs 5 (jetzt § 140 Abs 5) EU-JZG ergebenden fakultativen Charakter dieser Bestimmung entgegen; die Vorschriften der §§ 45 bis 51 EU‑JZG würden die bis zu dessen Inkrafttreten geltenden völkerrechtlichen Übereinkommen nicht verdrängen. Diese wären vielmehr nach wie vor parallel anwendbar. Es könne also auch auf der Grundlage der bis dahin bestehenden Instrumente um Sicherstellung und Beschlagnahme von Vermögenswerten oder Beweismitteln ersucht werden (Einführungserlass vom 5. Jänner 2006, JMZ‑751001L/1/II 2/06; Wirth/Hinterhofer in WK² EU-JZG Vor §§ 45–51 Rz 6). Die tschechischen Behörden hätten sich nicht „auf das EU‑JZG“, sondern auf das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und 29. Mai 2000 gestützt, weshalb fallbezogen das ARHG anzuwenden sei. Von einer unverhältnismäßigen Ausdehnung der Befristung (§ 58 ARHG) könne angesichts des Umfangs und des Gewichts der gegenständlichen (mutmaßlichen) Straftaten keine Rede sein.

Dagegen richtet sich der am 18. Juli 2018 beim Obersten Gerichtshof eingebrachte Erneuerungsantrag (§ 363a StPO per analogiam) der A***** Ltd.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, stehen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Juni 2016, GZ 332 HR 156/16b-23, und des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 21. November 2016, AZ 20 Bs 225/16h, 240/16i (ON 42), mit dem Gesetz nicht im Einklang.

§ 109 Z 1 lit a und lit b StPO definiert den Begriff der „Sicherstellung“, Z 2 lit a und lit b leg cit jenen der „Beschlagnahme“.

§ 115 Abs 1 StPO normiert die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme und macht in Abs 2 leg cit die unverzügliche gerichtliche Entscheidung darüber von einem Antrag der Staatsanwaltschaft oder einer von der Sicherstellung betroffenen Person abhängig. Die Entscheidung über die Aufhebung der Beschlagnahme fällt gemäß § 115 Abs 6 StPO im Ermittlungsverfahren in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft, nach dem Einbringen der Anklage in jene des Gerichts. Diese Bestimmungen gelten auch dann, wenn die Vornahme dieser Ermittlungsmaßnahme aufgrund eines an sie gerichteten Rechtshilfeersuchens von der Staatsanwaltschaft beantragt wird (§ 58 ARHG iVm § 9 Abs 1 ARHG; Martetschläger in WK² ARHG § 58 Rz 1).

Gemäß dem den Vorrang zwischenstaatlicher Vereinbarungen normierenden § 1 ARHG finden die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nur insoweit Anwendung, als in zwischenstaatlichen Vereinbarungen nichts anderes bestimmt ist.

In Bezug auf die Sicherstellung und Beschlagnahme eines Bankguthabens zur Sicherung des Verfalls kommen im Rechtshilfeverkehr zwischen Österreich und der Tschechischen Republik das Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (BGBl 1969/41), das gemäß Art 34 des Vertrags über die Europäische Union vom Rat erstellte Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen (BGBl III 2005/65) und der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung (BGBl 1995/744) zum Tragen (Wirth/Hinterhofer in WK² EU‑JZG Vor §§ 45–51 Rz 6).

Gemäß Art XI Abs 2 des genannten, zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik geschlossenen Zusatzvertrags ist einem Ersuchen um Durchsuchung oder Sicherstellung von Beweisstücken oder Schriftstücken eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der richterlichen Anordnung beizufügen (erster Satz). Kann einem Ersuchen um Sicherstellung von Gegenständen oder Durchsuchung keine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der richterlichen Anordnung beigefügt werden, so genügt die Erklärung der zuständigen Justizbehörde, dass die für diese Maßnahme erforderlichen Voraussetzungen nach dem im ersuchenden Staat geltenden Recht vorliegen (zweiter Satz leg cit).

Das Vorliegen einer richterlichen Anordnung oder einer zuvor bezeichneten Erklärung ist solcherart gesetzliche Voraussetzung für die Anordnung einer solchen Maßnahme in Entsprechung eines Rechtshilfeersuchens (vgl zu § 56 Abs 2 ARHG 11 Os 121/16b, 122/16z).

Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Juni 2016, GZ 332 HR 156/16b-23, enthält jedoch keine Feststellung, wonach dem Rechtshilfeersuchen der Städtischen Staatsanwaltschaft in Prag eine richterliche Anordnung (über die Sicherstellung des betreffenden Bankguthabens) angeschlossen wäre oder eine der vorgenannten Vertragsbestimmung entsprechende Erklärung der zuständigen Justizbehörde vorläge. Insofern mangelt es aber an einer entscheidenden Voraussetzung für die in Entsprechung des Rechtshilfeersuchens dieser Behörde gemäß § 115 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 109 Z 1 lit b, Z 2 lit a StPO vorgenommene Beschlagnahme.

Das trifft auch auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 21. November 2016, AZ 20 Bs 225/16h, 240/16i (ON 42), zu. Auch dieser enthält die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen der in Rede stehenden Rechtshilfe im Verkehr mit der Tschechischen Republik nicht.

Bleibt anzumerken, dass die von der Städtischen Staatsanwaltschaft in Prag in ihrem Ersuchen um Rechtshilfe vom 30. Mai 2016 (ON 11, 16) abgegebene, eingangs referierte Erklärung, wonach „sämtliche rechtlichen und faktischen Bedingungen“ für eine nach innerstaatlichem Recht in die Kompetenz der Staatsanwaltschaft fallende Sicherstellung des gegenständlichen Bankguthabens erfüllt wären, als nicht ausreichend zu beurteilen wäre. Denn Bezugspunkt und Gegenstand der in Rede stehenden, in Art XI Abs 2 des genannten Vertrags bezeichneten Erklärung ist das Vorliegen sowohl der materiellen als auch der formellen Voraussetzungen für die begehrte Maßnahme nach dem Recht des ersuchenden Staats (vgl zu § 56 Abs 2 ARHG, auch rechtsschutzbezogen unter dem Gesichtspunkt des bloß formellen Prüfungsprinzips im ersuchten Staat, Martetschläger in WK² ARHG § 56 Rz 3). Den – wie eingangs erwähnt – schon dem Rechtshilfeersuchen angeschlossenen Bestimmungen der tschechischen Verfahrensordnung ist indes zu entnehmen, dass die Sicherstellung im Vorverfahren eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft darüber erfordert. Dass eine solche, nach § 146a der tschechischen Strafprozessordnung beim Gericht anfechtbare Entscheidung der Staatsanwaltschaft (vgl ON 66 S 12) im gegenständlichen Fall vorläge, hat die Städtische Staatsanwaltschaft in Prag in ihrem Rechtshilfeersuchen aber nicht erklärt. Vielmehr hat sie eine solche in ihrer (späteren) Stellungnahme (ON 49) ausdrücklich abgelehnt und vermeint, die bloße Stellung eines Rechtshilfeersuchens an die österreichischen Behörden sei ausreichend; Rechtsschutz werde der von der Sicherstellung betroffenen Kontoinhaberin innerstaatlich in Bezug auf das Rechtshilfeersuchen im Wege einer Aufsichtsbeschwerde an die Oberstaatsanwaltschaft und danach durch das Verfassungsgericht, betreffend die Sicherstellung (Beschlagnahme) aber im ersuchten Staat im dortigen Instanzenzug gewährt (vgl auch ON 66).

Verlangt aber das Verfahrensrecht des ersuchenden Staats, hier also der Tschechischen Republik, eine Entscheidung der dafür im Vorverfahren zuständigen Staatsanwaltschaft über die Sicherstellung eines Bankguthabens (§ 79a der tschechischen Strafprozessordnung), gegen die eine Beschwerde an das Gericht offensteht (§ 146a Abs 1 der tschechischen Strafprozessordnung), so bedarf es nach den obigen Ausführungen zu Art XI Abs 2 des zuvor genannten Vertrags einer solchen Entscheidung auch dann, wenn diesbezüglich ein Rechtshilfeersuchen an eine österreichische Staatsanwaltschaft gestellt wird. Nur unter dieser Voraussetzung wird nämlich Gewähr dafür geboten, dass eine entsprechende Überprüfung des diese Maßnahme begründenden Tatverdachts unter den gleichen Bedingungen, wie sie im ersuchenden Staat für eine inländische Anordnung gelten, stattfindet. Dies ist unbedingt erforderlich, weil – wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat (ON 106) – die anders kaum zu leistende Rechtshilfe im ersuchten Staat generell vom sogenannten formellen Prüfungsprinzip beherrscht ist, also die Überprüfung des Tatverdachts nur auf Basis der (schlüssigen) Angaben des ersuchenden Staats stattfindet (RIS-Justiz RS0125233; Göth-Flemmich in WK² ARHG § 33 Rz 3 f; vgl auch die, inhaltlich im Wesentlichen die gleichen Anforderungen wie der gegenständliche Zusatzvertrag stellenden Bestimmungen des nur subsidiär geltenden, bereits zuvor erwähnten § 56 Abs 2 ARHG und des mangels zwingenden Charakters vom Beschwerdegericht in der Folge zu Recht ausgeschlossenen § 45 Abs 3 und Abs 4 EU‑JZG).

Die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Juni 2016, GZ 332 HR 156/16b-23, und des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 21. November 2016, AZ 20 Bs 225/16h, 240/16i (ON 42), verletzen § 115 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 109 Z 1 lit b, Z 2 lit a StPO und Art XI Abs 2 des zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik geschlossenen Zusatzvertrags (BGBl 1995/744) also insoweit, als sie die Beschlagnahme des auf dem gegenständlichen Konto erliegenden Guthabens ohne dem Vorliegen der erforderlichen Erklärung der Städtischen Staatsanwaltschaft in Prag festgestellt zu haben.

Diese Beschlüsse gereichen der betroffenen Kontoinhaberin A***** Ltd, der als Haftungsbeteiligter gemäß § 64 Abs 1 StPO die Rechte des Beschuldigten zukommen, zum Nachteil. Die aufgezeigte Gesetzesverletzung war festzustellen. Überdies sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, diese Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit einer konkreten Maßnahme, nämlich der Aufhebung dieser Beschlüsse zu verbinden. Die (weiteren) rechtslogisch davon abhängenden Entscheidungen gelten damit ebenfalls als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).

Da davon auch die vom Antrag auf Erneuerung betroffene Entscheidung umfasst ist, war die A***** Ltd mit diesem auf die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu verweisen.

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