OGH 9Ob88/18h

OGH9Ob88/18h28.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei K*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, und der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei 1. S***** GmbH, *****, vertreten durch Eger/Gründl Rechtsanwälte OG in Graz, 2. DI H*****, vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwaltspartnerschaft OG in Gleisdorf, gegen die beklagte Partei i***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwalt in Graz, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei V***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Weixelbaumer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 723.000 EUR und Feststellung (Revisionsinteresse: 374.000 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 3. Oktober 2018, GZ 4 R 110/18f‑87, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00088.18H.1128.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Das Erstgericht erachtete die mit Klage von 11. 4. 2014 geltend gemachten Schadenersatzansprüche und Mehrkosten künftiger Sanierungskosten der Klägerin für eine Fußgängerbrücke, soweit sich die Ansprüche auf die mangelhafte Statik und Lagerung beziehen, als nicht verjährt, soweit sie sich auf die Korrosion beim Haupttragwerk, die Entwässerung der Brücke, den Belag und die Glasbrüstung beziehen, dagegen als verjährt. Die Klägerin hätte im Hinblick auf die Korrosionsschäden bereits 2008 zumutbare Nachforschungen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens anstellen müssen. Bezüglich der statischen Probleme habe sie vor 2012 dazu aber keine Veranlassung gehabt. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Teil- und Teilzwischenurteil.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Die Verjährungsfrist wird erst dann in Gang gesetzt, wenn die Kenntnis des Geschädigten über den Schadenseintritt, die Person des Schädigers und den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und dem schadensstiftenden Verhalten einen solchen Grad erreicht, dass mit Aussicht auf Erfolg geklagt werden kann. Die bloße Möglichkeit zur Ermittlung maßgebender Tatsachen ersetzt deren Bekannntsein an sich nicht; allerdings genügt die Kenntnis von Umständen, aufgrund derer der Geschädigte die einem bestimmten Ersatzpflichtigen zurechenbare Schadensursache ohne nennenswerte Mühe – und demnach zumutbarerweise – hätte in Erfahrung bringen können. Nur unter dieser Voraussetzung gilt die erörterte Kenntnis in dem Zeitpunkt als erlangt, in dem sie dem Geschädigten bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RIS-Justiz RS0034366 [T19, T20], RS0034686 [T2, T3], RS0034524 [T21] ua). Diese Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten darf nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0034327 ua). Sie setzt deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt im Sinn konkreter Verdachtsmomente, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden, voraus (RIS‑Justiz RS0034327 [T42]). Wann die Erkundigungsobliegenheit entsteht und welche Erkundigungsmaßnahmen dem Geschädigten zumutbar sind (zB die Einholung eines Sachverständigengutachtens), hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0034327 [T20, T45]).

Dass die Vorinstanzen die der Beklagten vorgeworfenen Fehlleistungen hier verjährungsrechtlich getrennt (Statik/Lagerung einerseits und Entwässerung/Korrosion etc andererseits) beurteilten, ist nicht zu beanstanden. Dies steht auch im Einklang mit der insbesondere zu Anlegerschäden entwickelten „Trennungsthese“, wonach die Verjährung für jeden Beratungsfehler in der Anlageberatung dann getrennt zu beurteilen ist, wenn bei mehreren spezifischen Risiken jeweils eine gesonderte Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0050355 [T12]).

Dass Fehler der Statik/Lagerung lediglich einen unselbständigen Teilaspekt neben der mangelhaften Entwässerung und folglich der Korrosionsschäden gebildet hätten (oder umgekehrt), ist hier weder dem festgestellten Sachverhalt noch dem Revisionsvorbringen zu entnehmen. Die Verdachtsmomente bezüglich der Entwässerung/Korrosion indizierten hier auch noch keine möglichen Fehlleistungen bezüglich der Statik/Lagerung. An der getrennten Betrachtungsweise der Erkundigungsobliegenheiten ändert auch der Umstand nichts, dass bei rechtzeitiger Einholung eines Gutachtens betreffend die Entwässerung/Korrosion – gewissermaßen als „Zufallsfund“ – die zuvor nicht erkennbaren statischen Mängel hervorgekommen wären, weil die Erkundigungsobliegenheit der Klägerin zu den Korrosionsschäden hier nicht den Zweck hat, die Beklagte auch vor einer späteren Inanspruchnahme wegen solcher Schäden zu schützen, die nicht in den Korrosionsschäden begründet waren und für die auch sonst keine Verdachtslage bestand.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Beklagten daher zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte