European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00197.18D.1121.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revision ist hinsichtlich des Begehrens von 1.405,98 EUR sA nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
Bilden mehrere Ansprüche den Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts, hat eine Zusammenrechnung nur zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind (§ 55 Abs 4 JN). Dazu bedarf es eines tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhangs, der aber nicht vorliegt, wenn die Ansprüche nicht aus für sie gemeinsamen Tatsachen und Rechtsgründen abgeleitet werden und demgemäß jeder Anspruch unabhängig von den anderen besteht und ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann (s nur 1 Ob 32/15k mwN). Zwischen den auf das Amtshaftungsgesetz gegründeten Ansprüchen der Klägerin auf Ersatz der ihr im Zusammenhang mit dem Abbruch ihres durch einen Brand in Mitleidenschaft gezogenen Hotels entstandenen Schäden und dem Anspruch auf Ersatz für Vertretungskosten, die dem damaligen Geschäftsführer in einem gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahren (wegen Nichtbefolgung der Anordnungen des Bescheids vom 17. 11. 2008) erwachsen sind, besteht kein Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN; sie sind daher nicht zusammenzurechnen. Übersteigt aber der Wert eines eigenen Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht, ist die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
2. Im Übrigen (also im Umfang von 474.144,20 EUR samt Zinsen) gelingt es der Revisionswerberin nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen:
2.1. Nach § 2 Abs 2 AHG besteht kein Ersatzanspruch, wenn der Geschädigte den Schaden durch Rechtsmittel oder durch Beschwerde beim Verwaltungsgericht und Revision beim Verwaltungsgerichtshof hätte abwenden können. In der erwähnten Bestimmung des AHG kommt der Grundsatz zum Ausdruck, dass nur für unkorrigierbares Organverhalten Ersatz zu leisten ist (vgl RIS‑Justitz RS0026901). Der spätere Amtshaftungswerber muss bereits im Anlassverfahren alle prozessualen Rechtsbehelfe – im weiten Sinn (RIS‑Justiz RS0050097) – erheben, die dazu dienen, fehlerhafte Entscheidungen zu beseitigen (RIS‑Justiz RS0050080 [T1]; RS0110188). Das Gesetz überlässt so zunächst dem Betroffenen selbst die Wahrung seiner Interessen und gewährt Amtshaftungsansprüche nur dort, wo er innerhalb des betreffenden Verfahrens alle Anfechtungsmittel vergeblich ausgeschöpft hat (RIS‑Justiz RS0026901).
2.2. In der Annahme der Vorinstanzen, die Klägerin habe gegen ihre Rettungspflicht verstoßen, indem sie den der Vollstreckung zugrunde liegenden (Titel-)Bescheid vom 17. 11. 2008 unbekämpft ließ, liegt kein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung. Auch jeder durch einen hoheitlichen Akt nur potentiell Geschädigte ist nämlich gehalten, zunächst die ihm vom Rechtsstaat zur Verfügung gestellten und eine Abwendung eines Schadens noch ermöglichenden Rechtsbehelfe auszunützen (RIS‑Justiz RS0053077; RS0053128 [T4]), er muss also versuchen, den aus einem rechtswidrigen Organverhalten drohenden Schaden erst gar nicht entstehen zu lassen (vgl 1 Ob 32/94). Darauf, dass der Schaden mit Rechtskraft der Erlassung des Bescheids eintritt, kommt es also nicht an.
2.3. Die Klägerin wiederholt ihre Behauptung, weil der Bescheid eine „von ihr gewünschte und für sie günstige Variante“ enthalten habe, die erst über ihre Veranlassung in den [Abbruch-]Bescheid aufgenommen worden sei, könne ihr an der unterlassenen Bekämpfung kein Sorgfaltsverstoß angelastet werden, und behauptet wiederum unter Berufung auf den zu 1 Ob 362/98m entschiedenen, aber – wie schon das Berufungsgericht erkannt hat – nicht vergleichbaren Fall, dass die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dem Betroffenen keine Rechtsmittel gegen Entscheidungen, mit denen eigene Anträge bewilligt worden seien, abverlange; dabei werde nicht darauf abgestellt, ob es sich um eine Bewilligung oder einen Auftrag handle, sondern es komme darauf an, ob ein Antrag/eine Initiative der betroffenen Partei vorgelegen sei. Der Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Schäden und der Verursachung durch einen selbst gestellten – und in der Folge bewilligten – Antrag, war aber in jenem Fall ein anderer. Damals war der Schaden (behauptetermaßen) durch die Umsetzung gerade jener Maßnahme, für die dem späteren Ersatzwerber – über seinen Antrag – die (Bau-)Bewilligung erteilt worden war, entstanden (nach dem Aushub der Baugrube war es zu Hangrutschungen mit Schäden beim Nachbarn gekommen). Im vorliegenden Fall wurde der Schaden in Form des Abbruchs des Gebäudes dadurch herbeigeführt, dass diese – von der Klägerin von Anbeginn an nicht gewollte, auch nicht beantragte, ihr aber mit dem Bescheid gegen ihren Willen auferlegte – Maßnahme vollzogen wurde, weil sie die von ihr gewünschte Alternative der Sanierung nicht erfüllt hatte. Sie lässt den Umstand außer Acht, dass ihr überhaupt erst mit dem Titelbescheid eine bis dahin nicht bestehende Verpflichtung auferlegt worden war, die sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (30. 6. 2009) – in zwei alternativen Formen – erfüllen hätte müssen: Entweder durch die (von ihr grundsätzlich gewünschte) Sanierung oder den (nicht gewollten) Abbruch ihres Gebäudes. Schon bei Erhalt des Bescheids musste ihr also klar sein, dass ihr dann, wenn ihr eine Sanierung – für die schließlich faktisch mehr als 4 ½ Jahre zur Verfügung standen – nicht zeitgerecht gelingt, als Konsequenz die Vollstreckung des im Bescheid ebenso angeordneten Abbruchs droht; dass die (erst lange nach Ablauf der eingeräumten Frist) erteilte Baubewilligung zu keiner Veränderung des unter Fristsetzung erteilten Sanierungs- und Abbruchauftrags führen kann, hat schon das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsausführungen des Verwaltungsgerichtshofs dargelegt. Dass die Klägerin, die schon im Verfahren erster Instanz die Auffassung vertreten hatte, das baubehördliche Verfahren sei mangelhaft gewesen und ein Abbruch hätte angesichts des Gebäudezustands (gar) nicht angeordnet werden dürfen, nicht wissen hätte können, dass nach Fristablauf der (von ihr nicht „beantragte“) Abbruch im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt werden kann und ihr damit ein Schaden entstehen wird, ist nicht zu sehen (vgl RIS‑Justiz RS0087633). Dass sie bei Bekämpfung des Bescheids ihre Rechtsstellung maßgeblich verschlechtert hätte, weil ihr dann nur der Abbruch aufgetragen worden wäre, bleibt gerade in Anbetracht des genannten Vorbringens reine Spekulation; vielmehr hätte sie dies veranlassen müssen, die behauptete Unrichtigkeit eines solchen Abbruchauftrags im Verwaltungsrechtsweg zu bekämpfen.
2.4. Mit ihrer Behauptung, die Vollstreckung dieses Bescheids sei rechtswidrig gewesen, weil damit ein Bescheid vollstreckt worden sei, dessen „Sachverhaltssubstanz sich gravierend verändert bzw ins Gegenteil verkehrt habe“, geht die Revisionswerberin nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und führt damit die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus (RIS‑Justiz RS0043312 [T14] ua). Das Berufungsgericht ist – insoweit auch für den Obersten Gerichtshof bindend – auf der Sachverhaltsebene davon ausgegangen, dass sich am faktischen Zustand des Gebäudes samt Baugebrechen nichts geändert hatte. Im Übrigen konkretisiert die Revisionswerberin im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Unterlassung von Feststellungen in keiner Weise, welche Sachverhaltsänderung „durch Gebäudesanierungsmaßnahmen, etc.“ eingetreten sein sollte; sie kann auch ein entsprechendes Tatsachenvorbringen im Verfahren erster Instanz nicht aufzeigen.
2.5. Der Revisionswerberin gelingt es mit diesen Argumenten nicht, eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufzuwerfen, weswegen ihre Revision auch im Übrigen (gemäß § 508 Abs 2 ZPO) zurückzuweisen ist.
Dies bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
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