OGH 7Ob197/18y

OGH7Ob197/18y31.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.

 Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** A*****, vertreten durch Mag. Max Frankhauser, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger und andere, Rechtsanwälte in Linz, wegen 21.679,12 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. Juli 2018, GZ 4 R 98/18m‑48, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 25. Mai 2018, GZ 26 Cg 114/16t‑44, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00197.18Y.1031.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Zwischen den Streitteilen besteht ein Unfallversicherungsvertrag mit folgender „Klausel zum Vertrag“.

Kletterunfälle

Kletterunfälle – in der Halle und im Freien – gelten als vom Versicherungsschutz umfasst, sofern der Verunfallte die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen beachtet hat und

‑ [...]

‑ ein Klettersteig die Schwierigkeitsskala D nicht übersteigt.

[...]“

Die dem Versicherungsvertrag ebenfalls zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung 2010 (AUVB 2010, Fassung 09/2014) lauten auszugsweise:

Art 20

Ausschlüsse

Soweit nichts anderes vereinbart ist, umfasst der Versicherungsschutz nicht:

[…]

10. Unfälle, die bei der Ausübung von folgenden besonders gefährlichen Sportarten eintreten: […] Klettersteig über Schwierigkeitsgrad D, [...].“

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.1. Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken und ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert. Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen (RIS‑Justiz RS0107031).

1.2. Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn das Berufungsgericht höchstgerichtliche Rechtsprechung missachtet hat oder für die Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RIS‑Justiz RS0121516). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

2. Nachdem der Kläger den Klettersteig der Schwierigkeitsstufe E, über den er aufgestiegen war, beim Ausstieg am Gipfel verlassen und eine Pause gemacht hatte, begann er den Abstieg über einen anderen (in beiden Richtungen begehbaren) – gut ausgetretenen zu einem Wanderweg führenden – (Kletter‑)Steig der Schwierigkeitsstufe A/B, wo sich dann der Unfall ereignete.

Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer versteht die vorliegende Bedingungslage klar dahin, dass bei einer Begehung mehrerer (Kletter‑)Steige im Zuge einer Wanderung, der sich nach dem Ausstieg aus einem Klettersteig über der Schwierigkeitsstufe D auf einem Klettersteig bis zu dieser Schwierigkeitsstufe ereignende Unfall jedenfalls vom Versicherungsschutz umfasst ist, noch dazu wenn er auch ohne Verwendung des Klettersteigs der Schwierigkeitsstufe E erreicht werden kann.

Die Auslegung der Beklagten dagegen, erst das Erreichen des Wanderwegs hätte die mit dem Durchsteigen der Klettersteige verbundenen Gefahren beendet und zum zeitlichen Ende des Risikoausschlusses geführt, weshalb auch der sich auf dem Verbindungssteig mit dem Schwierigkeitsgrad A/B ereignete Unfall vom Risikoausschluss umfasst sei, findet mangels entsprechender Konkretisierung im insoweit nicht interpretationsbedürftigen Wortlaut der Bedingungslage keine Deckung. Der von der Beklagten herangezogene Fall, dass sich der Unfall direkt am – insgesamt mit Schwierigkeitskategorie E ausgewiesenen – Klettersteig in einer Passage mit Schwierigkeitsgrad B ereignete, liegt hier nicht zur Beurteilung vor.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte