OGH 9ObA97/18g

OGH9ObA97/18g30.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Angela Taschek als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden (und beklagten) Partei W***** M*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte (und klagende) Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, wegen 53.815,41 EUR sA (76 Cga 59/14v) und 94.272,47 EUR sA (45 Cga 43/14p), über die außerordentliche Revision der klagenden (und beklagten) Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Jänner 2018, GZ 15 Ra 75/17t‑62, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00097.18G.1030.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden (und beklagten) Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. 1. Bei der Beurteilung, ob die vereinbarte Konventionalstrafe übermäßig, also überhöht ist, sind vor allem die Verhältnismäßigkeit dieser Strafe, die wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse des Arbeitnehmers, insbesondere seine Einkommensverhältnisse beziehungsweise Vermögensverhältnisse, ferner Art und Ausmaß seines Verschuldens an der Vertragsverletzung sowie die Höhe des durch die Vertragsverletzung dem Arbeitgeber entstandenen Schadens entsprechend zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0029967 ua). Die Höhe des tatsächlichen Schadens stellt zwar das primäre Mäßigungskriterium dar (9 ObA 105/15d Pkt 2.1.; RIS-Justiz RS0029848 [T2]), die Bezahlung der Konventionalstrafe ist aber vom Eintritt oder dem Nachweis eines Schadens nicht abhängig (RIS-Justiz RS0032103), soll doch die Konventionalstrafe ua auch ideelle Nachteile abdecken und auf den Verpflichteten einen zusätzlichen Erfüllungsdruck ausüben (8 ObA 72/13s Pkt 3.1. mwN).

1.2.  Durch die Vereinbarung einer Konventionalstrafe tritt grundsätzlich eine Verlagerung der Beweislast zu Ungunsten des Schuldners ein. Ihn trifft die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen von Mäßigungskriterien, wozu auch die unbillige Höhe der Konventionalstrafe gehört (vgl RIS-Justiz RS0032195). Diese Beweislast schließt auch den Beweis der Unverhältnismäßigkeit zwischen tatsächlichem Schaden und Vergütungsbetrag mit ein (9 ObA 68/16i Pkt 3; 8 ObA 49/18s Pkt 2.3.; RIS-Justiz RS0032195 [T1]).

1.3.  Die Ausübung des Mäßigungsrechtes kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls erfolgen und stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0119673; RS0029967 [T4]). Eine vom Obersten Gerichtshof im Sinne der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt nicht vor.

1.4.  Die in der außerordentlichen Revision vom Kläger (und Beklagten) (im Folgenden kurz Kläger) angesprochene – und als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete – Frage der Mäßigung der Konventionalstrafe für den Fall, dass einerseits bewiesen sei, dass die vom Arbeitnehmer erfolgte Konkurrenztätigkeit zu keinem Schaden des Arbeitgebers geführt hat, andererseits aber dem Arbeitnehmer – wie hier – wiederholte vorsätzliche, gegen das Konkurrenzverbot verstoßende Handlungen vorzuwerfen sind, stellt sich nach Lage des Falls nicht. Festgestellt ist gerade nicht, dass kein Schaden eingetreten ist, sondern vielmehr, dass (nur) die Höhe des Gewinns, der der beklagten Arbeitgeberin durch die konkurrenzierenden Handlungen des Klägers entgangen ist, nicht feststellbar ist. Dies hat nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (nur) zur Folge, dass der wirkliche Schaden als Mäßigungskriterium unberücksichtigt zu bleiben hat (9 ObA 68/16i Pkt 3; RIS-Justiz RS0029825).

1.5.  Davon ausgehend bleiben als vom Kläger ins Treffen geführte Mäßigungskriterien aber nur seine (geringen) Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Die vom Berufungsgericht darauf auch gestützte Mäßigung der Konventionalstrafe um ein Sechstel ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls noch vertretbar.

1.6.  Der in der außerordentlichen Revision zur Begründung einer höheren Mäßigung herangezogenen Entscheidung 9 ObA 105/15d liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort hat weder die Arbeitgeberin den Eintritt eines konkreten Schadens behauptet noch wurde ein Schaden festgestellt (9 ObA 105/15d Pkt 1). Auf die weiters in der Revision unter Bezugnahme auf Reissner (in ZellKomm³ Rz 24) angesprochene Frage, ob infolge kumulativer Anwendung von § 1336 Abs 2 ABGB und des DHG sogar eine zweifache Mäßigung vorzunehmen sei, muss hier ebenfalls nicht näher eingegangen werden, weil selbst diese Lehrmeinung zugesteht, dass das DHG bei Verstoß gegen eine Konkurrenzklausel mangels Bezugs zur Arbeitsleistung nie ins Spiel kommen kann.

2.  Die weitere vom Revisionswerber als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO relevierte Rechtsfrage, ob Forderung und Gegenforderung, wenn deren zugrunde liegender Rechtsgrund – hier der Vertrag – eine klare Reihenfolge von Entstehung und/oder Vernichtung von Forderung und Gegenforderung festlegt, vermischt werden dürfen oder streng auseinander gehalten werden müssen, stellt sich hier ebenfalls nicht. Das Berufungsgericht hat die – in der zwischen den Parteien abgeschlossenen „Aufhebungsvereinbarung“ (betreffend die einvernehmliche Rücknahme der von der Beklagten zunächst ausgesprochenen Entlassung des Klägers) enthaltene – Konventionalstrafenvereinbarung ausgehend von deren Wortlaut dahin ausgelegt, dass sich der Kläger verpflichtete, bei Verstoß gegen die Konkurrenzklausel eine (Gesamt‑)Vertragsstrafe zu bezahlen, die aus zwei Teilen besteht. Zum einen aus einem bestimmten Bruttoentgelt und zum anderen aus dem Verlust des restlichen, dem Kläger noch zustehenden Teils der gesetzlichen Abfertigung. Mit seiner gegenteiligen Ansicht, der „Abfertigungsverfall“ trete angesichts des Vertragswortlauts erst nachrangig ein, vermag der Revisionswerber keine im Einzelfall (vgl RIS-Justiz RS0042936 ua) korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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