European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00191.18D.1030.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung ergibt sich aus der Entscheidung 7 Ob 38/08a nicht zwingend, dass bei einer Kindeswohlgefährdung im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung zunächst andere Maßnahmen gesetzt werden müssten, bevor die Obsorge in diesem Bereich entzogen werden könnte. Vielmehr wurden dem Erstgericht weitere Erhebungen aufgetragen, um – auch unter Bedachtnahme auf die Möglichkeit anderer zweckmäßiger (Zwangs‑)Mittel – die Notwendigkeit einer solche Maßnahme beurteilen zu können. Der Wert des betroffenen Vermögens betrug im Übrigen nicht, wie im Revisionsrekurs angeführt, 5 Mio EUR, sondern lediglich 5.482,47 EUR, wobei Gegenstand des Verfahrens ausschließlich das fruchtbringende Anlegen dieses Betrags war.
Im vorliegenden Fall sind die betroffenen Kinder gesetzliche Erben nach ihrem sehr vermögenden Vater. Im Zusammenhang mit der Abwicklung des Nachlasses sind mehrere komplexe Verfahren anhängig; allein der Wert der vom Erblasser kurz vor dem Tod – mit noch nicht abschließend geklärter Wirksamkeit – in eine Privatstiftung eingebrachten Sachen betrug zu diesem Zeitpunkt knapp 50 Mio EUR, im Jahr 2015 schon 73 Mio EUR. Die Vorinstanzen sahen das Kindeswohl als gefährdet an, weil der obsorgeberechtigte Wahlvater die von ihm in Bezug auf diese Verfahren (möglicherweise) verfolgte Strategie nicht offen gelegt, Berichtsaufträge nicht oder unvollständig erfüllt und mehrfach erforderliche Klage- bzw Antragsgenehmigungen nicht eingeholt habe. Diese Beurteilung beruht auf den Umständen des – außergewöhnlichen – Einzelfalls und begründet daher keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung.
Der Revisionsrekurs zeigt zwar grundsätzlich zutreffend auf, dass das Nichteinholen einer Klagegenehmigung das Kindeswohl nicht unmittelbar beeinträchtigt, weil eine Sanierung möglich ist und ohne Sanierung keine Kostenbelastung droht. Im konkreten Fall war diese Vorgangsweise aber nur ein weiteres Indiz dafür, dass sich der Wahlvater so weit wie möglich einer Überwachung durch das Pflegschaftsgericht entziehen wollte, ohne dass eine angesichts der sachlich und rechtlich komplexen Streitigkeiten zwingend erforderliche Strategie zur bestmöglichen Erhaltung und Verwaltung des Vermögens erkennbar gewesen wäre.
Richtig ist, dass die Obsorge (auch) im Bereich der Vermögensverwaltung nur entzogen werden darf, wenn gelindere Mittel nicht ausreichen (7 Ob 38/08a). Ob das zutrifft, ist aber ebenfalls eine Frage des Einzelfalls. Im konkreten Fall wäre zwar möglicherweise auch das Androhen und Verhängen von Beugestrafen in Betracht gekommen. Da aber – auch wegen der drohenden Verjährung von Pflichtteilsansprüchen – ein rasches und wirksames Eingreifen des Pflegschaftsgerichts geboten war, überschreitet die Vorgangsweise der Vorinstanzen noch nicht deren in dieser Frage notwendigerweise bestehenden Beurteilungsspielraum.
Aus diesen Gründen ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Sollte der Wahlvater – nach abschließender Erledigung des im Zentrum der Auseinandersetzungen stehenden Rechtsstreits zwischen dem Nachlass und der Stiftung – eine nachvollziehbare Strategie für die weitere Vorgangsweise darlegen und auch gewährleisten, dass er in Zukunft alle aufgetragenen Berichte erstatten und alle erforderlichen Genehmigungen einholen wird, stünde einem Antrag auf Rückübertragung der Obsorge nichts im Wege.
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