OGH 4Ob183/18t

OGH4Ob183/18t23.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „I*****ges.m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Markus Freilinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei L***** E*****, vertreten durch Dr. Karl Claus & Mag. Dieter Berthold Rechtsanwaltspartnerschaft KEG in Mistelbach, wegen zuletzt 6.011,80 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 8. Mai 2018, GZ 21 R 79/18t‑26, womit das Urteil des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 29. Jänner 2018, GZ 12 C 1964/16p‑21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00183.18T.1023.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die klagende Autohändlerin verkaufte dem Beklagten ein Neufahrzeug Hyundai i40 Premium 1,6 GDI um den Preis von 26.940 EUR. Das von der Klägerin bestellte Fahrzeug konnte nicht rechtzeitig geliefert werden, weil es beim Transport zu einem massiven Hagelschaden mit jeweils ca 150 bis 200 Dellen an Motorhaube und Dach kam. Die Klägerin ließ den Hagelschaden (durch Herausdrücken der Dellen und Austausch der Dachzierleisten) ordnungsgemäß um 1.080 EUR reparieren. Von den Dellen war nichts mehr zu sehen, zumindest eine beschädigte Zierleiste bei einer Tür wurde jedoch nicht getauscht. Mit dem Hinweis auf die noch sichtbaren Schäden und den Umstand, dass er einen Neuwagen und kein Fahrzeug mit Hagelschaden bestellt habe, verweigerte der Beklagte die Annahme. Er lehnte auch die angebotene Kompensation (vier Winterreifen gratis) ab und trat schließlich vom Kaufvertrag zurück.

Die Klägerin begehrte den Klagsbetrag als Ersatz des ihr durch den Rücktritt entstandenen Schadens. Das Fahrzeug habe nur einen Bagatellschaden aufgewiesen, der zu keiner Wertminderung geführt habe. Der Beklagte habe daher zu vertreten, dass das Fahrzeug nur mehr um einen viel geringeren Preis von 22.000 EUR verkauft habe werden können, weil es sich um eine äußerst seltene Ausführungsvariante gehandelt habe.

Der Beklagte wandte ein, dass ihm von der Klägerin kein Neuwagen, sondern ein Fahrzeug mit Hagelschaden angeboten worden sei, das einen merkantilen Minderwert aufweise. Aufgrund der beträchtlichen Reparaturaufwendung liege kein Bagatellschaden vor. Die Klägerin sei nicht bereit gewesen, eine ordnungsgemäße Leistung zu erbringen.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der Beklagte sei vom Vertrag berechtigt zurückgetreten, weil die angebotene Leistung nicht dem Vertragsgegenstand (Neuwagen) entsprochen habe.

Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich (§ 508 Abs 3 ZPO) zur Frage zu, ob ein (Neu‑)Wagen mit ordnungsgemäß reparierten Hagelschäden noch als Neufahrzeug zu qualifizieren sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist ungeachtet des– den Obersten Gerichtshof nicht bindenden –Zulassungsausspruchs mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne von § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. § 918 ABGB ermöglicht dem vertragstreuen Teil den Rücktritt, wenn ein Vertrag nicht auf die bedungene Weise erfüllt wird (RIS‑Justiz RS0018330; 10 Ob 68/09m uva).

2.1 Die mit der Beurteilung des Gegenstands eines Kaufvertrags verbundene Frage, ob ein Verkäufer auf die bedungene Weise erfüllt hat, ist stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0044358) und bildet daher im Regelfall keine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der von der Klägerin angebotene reparierte Wagen aufgrund des massiven Hagelschadens mit mindestens 300 Dellen auf mehreren Karosserieteilen und der nicht ausgetauschten Zierleiste dem geschuldeten Kaufgegenstand „Neufahrzeug“ nicht entspricht, ist jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

2.2 Der Standpunkt der Vorinstanzen deckt sich dabei auch mit der ÖNORM V 5051, die in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Konkretisierung von Vertragspflichten herangezogen wird (8 Ob 126/15k; vgl allgemein zu ÖNORMEN auch 1 Ob 144/04i; RIS‑Justiz RS0022153) und die den Begriff „fabriksneu“ (synonym mit „Neuwagen“, vgl 1 Ob 76/09x; 4 Ob 181/10m, 8 Ob 126/15k) dahin definiert, dass eine Vorschadens- und Mängelfreiheit vorliegen müsse. Demnach sei eine solche bei einer „Korrektur vielfacher geringfügiger Eindrückungen auf mehreren Karosserieteilen … keinesfalls“ gegeben.

3. Nach der Judikatur kann die Setzung einer Nachfrist unterbleiben, wenn ein Vertragspartner die Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht endgültig verweigert, weil sie sinnlos wäre (RIS‑Justiz RS0018371, RS0018428). Es ist unstrittig, dass die Klägerin zur Lieferung eines Neuwagens (ohne repariertem Schaden) nicht bereit gewesen war, sodass die Bejahung des Rücktrittsrechts durch die Vorinstanzen die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen kann.

4. Die Klägerin wirft dem Berufungsgericht ein Abgehen von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vor. Die von ihr dazu zitierten Entscheidungen sind jedoch nicht einschlägig.

4.1 Zum einen betrafen die erwähnten Entscheidungen die gewährleistungsrechtliche Abgrenzung des nicht zur Wandlung berechtigenden geringfügigen Mangels im Sinne des § 932 Abs 4 ABGB. Bei der Einrede der nicht gehörigen Erfüllung bzw der Ausübung des Rücktrittsrechts kommt es nach gesicherter Rechtsprechung nicht darauf an, ob die nicht gehörige Erfüllung auf dem Mangel einer Eigenschaft beruht, die nach Gewährleistungsgrundsätzen einen wesentlichen bzw geringfügigen Mangel bilden würde (RIS‑Justiz RS0018460, RS0018248; 6 Ob 181/17m).

4.2 Die Entscheidung 3 Ob 503/89 betraf wiederum die Frage der Wesentlichkeit eines Irrtums beim Gebrauchtwagenkauf, der jedoch bei einem Gattungskauf nicht in Frage kommt (RIS‑Justiz RS0117666).

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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