OGH 1Ob186/18m

OGH1Ob186/18m17.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** G*****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei R***** S*****, vertreten durch Dr. Josef Dengg und andere Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, wegen Feststellung (Streitwert 5.800 EUR), Beseitigung (Streitwert 4.000 EUR) und Unterlassung (Streitwert 4.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 8. Mai 2018, GZ 53 R 145/17f‑54, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Saalfelden vom 20. April 2017, GZ 2 C 631/14k‑41, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00186.18M.1017.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Verfahren befindet sich nach der Entscheidung 1 Ob 96/16y des Obersten Gerichtshofs im zweiten Rechtsgang.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren neuerlich statt.

Der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht – nach Durchführung einer Verhandlung samt Beweiswiederholung – teilweise dahin Folge, dass es das Feststellungs‑, Beseitigungs‑ und Unterlassungsbegehren des Klägers gegenüber der Beklagten hinsichtlich eines Teils einer Garage und einer Mauer abwies. Es traf teilweise vom Erstgericht abweichende Feststellungen und führte rechtlich aus, dass ausgehend von seinen Feststellungen die Beklagte durch Bauführung Eigentum im Sinn des § 418 letzter Satz ABGB an dieser Teilfläche erworben habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands (insgesamt) 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO für zulässig, weil die Frage, „ob und unter welchen Voraussetzungen eine Beweiswiederholung/‑ergänzung vom Berufungsgericht durchgeführt werden kann, wenn ein Zeuge im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens gestorben ist und die Verlesung dessen Aussage nach § 281a Z 1 lit b ZPO möglich ist, die Qualität einer Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO“ erfülle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656). Lassen sich die relevanten Rechtsfragen somit unmittelbar aufgrund des Gesetzes und seiner Materialien zweifelsfrei lösen, stellt sich keine solche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0042656 [T54]).

1. Die behauptete Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO wäre nur dann zu bejahen, wenn die Fassung des angefochtenen Urteils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht vorgenommen werden kann oder das Urteil mit sich selbst im Widerspruch steht (was nur den Spruch selbst betrifft; ein Widerspruch in den Gründen reicht nicht aus) oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind (RIS‑Justiz RS0042133 [T6, T7, T14]). Keiner dieser Tatbestände trifft auf das angefochtene Berufungsurteil zu. Die Ausführungen des Klägers zu diesem Rechtsmittelgrund erschöpfen sich in der Behauptung von Begründungsmängeln und wenden sich gegen die in dritter Instanz nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Dies reicht aber zur Darlegung des Nichtigkeitsgrundes nicht aus (vgl RIS‑Justiz RS0042206; RS0106079).

2. Die gerügte Aktenwidrigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RIS‑Justiz RS0117019).

3. Der Revisionswerber rügt als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, dass das Berufungsgericht trotz seines ausdrücklichen Antrags, die Beweise unmittelbar aufzunehmen, das Protokoll über die Aussage eines verstorbenen Zeugen verlesen und dessen Aussage verwertet habe. Dadurch habe es „eklatant gegen die Bestimmung des § 388 Abs 4 ZPO [gemeint: § 488 Abs 4 ZPO] verstoßen“ und sei auch „von der [nicht genannten] Judikatur des Obersten Gerichtshofs abgewichen“.

Nach dem gemäß § 463 Abs 1 und § 488 Abs 2 ZPO auch für das Berufungsverfahren maßgeblichen § 281a ZPO kann von einer neuerlichen Einvernahme des Zeugen nur dann Abstand genommen und das Protokoll über seine bisherige Einvernahme verlesen werden, wenn die an diesem Verfahren beteiligten Parteien nicht ausdrücklich das Gegenteil beantragen (Z 1 lit a) oder das Beweismittel nicht mehr zur Verfügung steht (Z 1 lit b).

Der Zeuge, dessen Aussage vom Berufungsgericht im Rahmen der Beweiswiederholung durch Verlesung des Protokolls verwertet wurde, wurde vom Erstgericht vernommen und ist 2016 gestorben. § 281a Z 1 lit b ZPO sieht auch für das Berufungsverfahren für den Fall, dass der Zeuge zwischenzeitig verstorben ist, die mittelbare Beweisaufnahme durch Verwendung des erstinstanzlichen Protokolls – auch ohne Einverständnis der Parteien – vor. Wenn das Beweismittel nicht mehr zur Verfügung steht, ist die mittelbare Beweisaufnahme die einzig (noch) denkbare und daher im Interesse der Wahrheitsfindung unproblematisch; diese Bestimmung bestätigt daher nur eine Selbstverständlichkeit ( Rechberger in Rechberger 4 § 281a ZPO Rz 3). Das Gesetz geht erkennbar vom Grundgedanken aus, dass eine mittelbare Beweisaufnahme immer noch ergiebiger ist als gar kein Beweisergebnis, sofern die Parteien an der ursprünglichen Beweisaufnahme beteiligt waren (idS etwa Albiez/Pablik/Parzmayr , Handbuch Zivilprozess² [2016], 172). Aufgrund des (klaren Wortlauts des) § 281a Z 1 lit b ZPO war das Berufungsgericht daher berechtigt, das erstinstanzliche Protokoll über die Aussage des mittlerweile verstorbenen Zeugen als Beweismittel zu verwenden und bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, wobei ganz unverständlich bleibt, wie das Berufungsgericht dem Antrag auf „unmittelbare Beweisaufnahme“ nachkommen hätte sollen. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor.

4. Eine Rechtsrüge wird nicht ausgeführt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979 [T16]). Das Revisionsinteresse – die Klagsabweisung hinsichtlich eines Teils des Feststellungs‑, Beseitigungs‑ und Unterlassungsbegehrens – betrifft ungefähr die Hälfte des Gesamtstreitwerts von 13.800 EUR. Der Beklagten steht daher Kostenersatz auf Basis des „halben Streitwerts“ von 6.900 EUR zu.

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