OGH 1Ob183/18w

OGH1Ob183/18w17.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ronald Rast und Dr. Thomas Rast, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 1. August 2018, GZ 14 R 79/18t‑15, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. März 2018, GZ 30 Cg 20/17g‑11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00183.18W.1017.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Auch für den Bereich der Amtshaftung gilt der allgemeine Grundsatz, dass die übertretene Vorschrift gerade auch den Zweck haben muss, den Geschädigten vor den schließlich eingetretenen (Vermögens‑)Nachteilen zu schützen (RIS‑Justiz RS0050038 [T1, T6]). Es muss daher geprüft werden, ob Pflichten der Rechtsträger noch im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse einzelner Betroffener normiert sind. Bei der maßgebenden teleologischen Betrachtungsweise ist bei jeder einzelnen Norm der Normzweck zu erfragen, der sich aus der Beurteilung des Sinns der Vorschrift ergibt. Wie weit der Normzweck (Rechtswidrigkeitszusammenhang) reicht, ist das Ergebnis der Auslegung im Einzelfall (RIS‑Justiz RS0027553 [T9, T11]; RS0050038 [T14, T27]; RS0082346). Trifft das Gesetz eine eindeutige Regelung oder lässt sich im Wege einfacher Auslegung ein eindeutiges Ergebnis erzielen, begründet der Umstand, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einer konkreten Fallgestaltung (hier zum InvFG 1993) fehlt, für sich allein genommen nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (1 Ob 232/11s; vgl RIS‑Justiz RS0042656 [T32]).

1.2. Die Klägerin erwarb im März 2005 Anteile am Primeo Executive Euro Fonds (kurz: Primeo Executive), einem ausländischen Dachfonds, der erstmals im November 2003 aufgelegt worden war und ausschließlich in Fondsanteile an Subfonds (anderen Investmentfonds) veranlagte. Zum 31. 12. 2003 hielt er 40 % seines Fondsvermögens in Fondsanteilen am (ausländischen) Primeo Select Fonds (kurz: Primeo Select). Der Dachfonds Primeo Executive verfügte über eine Depotbank mit Sitz in Luxemburg, die auch tatsächlich – ihrer Aufgabe entsprechend – das ausschließlich aus den erworbenen Fondsanteilen an den Subfonds bestehende Fondsvermögen verwahrte. Der Dachfonds veranlagte selbst nicht in „Managed Accounts“. Die Klägerin kaufte keine Fondsanteile des Primeo Select.

1.3. Angesichts des Umstands, dass insbesondere § 25 InvFG 1993 primär dem Anlegerschutz diente, besteht kein Zweifel daran, dass das gesetzlich vorgesehene Untersagungsverfahren (§ 31 InvFG 1993) auch den Schutz der Anleger im Auge hatte, womit auch diese durch pflichtwidriges Unterlassen verursachte Schäden aus dem Titel der Amtshaftung ersetzt verlangen können (1 Ob 117/14h = SZ 2014/133 = RIS‑Justiz RS0130668). Im genannten Fall war der Kläger ein geschädigter Anleger, der der Finanzmarktaufsicht (FMA) vorwarf, sie hätte den Vertrieb des von ihm gezeichneten Fonds wegen der Verletzung des investmentrechtlichen Trennungsprinzips untersagen müssen, vom Schutzzweck dieser Bestimmungen erfasst.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, Normzweck des § 25 und § 31 InvFG 1993 sei es gewesen, den jeweiligen Anleger in einen Fonds vor der missbräuchlichen Verwendung des Fondsvermögens jenes Fonds zu schützen, dessen Anteile er – „unmittelbar“ – gekauft hatte, und der von der Klägerin erlittene Schaden, den sie aus ihrem Kauf von Dachfondsanteilen des Primeo Executive erlitten habe, könne schon grundsätzlich nicht unter den Schutzzweck eines (ihrer Ansicht nach gebotenen) Untersagungsverfahrens betreffend den Subfonds Primeo Select fallen, weil sie selbst als Anlegerin nicht Anteile dieses Subfonds gekauft habe, ist nicht zu beanstanden.

2. Die Klägerin bestreitet nicht, dass der ausländische Dachfonds, dessen Fondsanteile sie erwarb, selbst das Depotbankerfordernis (der Verwahrung der Anteilscheine an den Subfonds) und den Trennungsgrundsatz wahrte (vgl § 25 Z 2 InvFG 1993). Wenn sie argumentiert, dass die FMA den öffentlichen Vertrieb des Dachfonds Primeo Executive untersagen hätte müssen, vermag sie keine Bestimmung zu nennen, wonach die Behörde im Zusammenhang mit der Zulassung dieses Dachfonds zum öffentlichen Vertrieb prüfen hätte müssen, ob die Subfonds, in die investiert wird, selbst auch das „Trennungsprinzip“ einhalten. Für inländische Dachfonds (vgl § 20a InvFG 1993) war nicht vorgesehen, dass die Subfonds, deren Anteile der Dachfonds hält, zum öffentlichen Vertrieb zugelassen sein mussten. Vielmehr begründete der Erwerb von Anteilen an einem ausländischen Kapitalanlagefonds durch einen inländischen Dachfonds für sich allein kein „öffentliches Angebot“ im Inland (§ 20a Abs 6 InvFG 1993 idF BGBl I 1998/41; § 20a Abs 8 InvFG 1993 idF BGBl I 2003/80). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wenn ein ausländischer Subfonds nicht einmal bei einem inländischen Dachfonds zum öffentlichen Vertrieb in Österreich zugelassen sein musste, sei es jedenfalls bei pflichtgemäßer Überlegung der Behörde vertretbar gewesen, dies genauso (im Wege eines Größenschlusses) anzunehmen, wenn der Dachfonds ein ausländischer Fonds war, ist nicht korrekturbedürftig. Das Fondsvermögen des Primeo Executive, das aus Anteilen an Subfonds bestand, war unstrittig entsprechend § 25 Z 2 InvFG 1993 von einer Depotbank verwahrt worden. Wenn das Berufungsgericht davon ausging, dass die Behörde nicht zu prüfen hatte, ob jene Subfonds, in die der Dachfonds investiert hatte, selbst zum öffentlichen Vertrieb in Österreich zugelassen waren oder nicht, und in der unterbliebenen Untersagung des ausländischen Dachfonds zum öffentlichen Vertrieb in Österreich keine unvertretbare Rechtsansicht erkannte, ist dies nicht zu beanstanden. Mit den rechtlichen Argumenten des Berufungsgerichts setzt sich die Klägerin nicht näher auseinander.

3. Die Klägerin vermag nicht aufzuzeigen, dass der Dachfonds eine „Konstruktion“ bloß zur Umgehung der Verwahrungsvorschrift des § 25 Z 2 InvFG 1993 gewesen sein soll. Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor.

Die gerügten sekundären Feststellungsmängel sind für die rechtliche Beurteilung nicht von Relevanz.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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