OGH 1Ob161/18k

OGH1Ob161/18k17.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. F* S*, vertreten durch Dr. Christian Prader und andere, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei R* K*, vertreten durch Dr. Karl Heppberger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 2.299,60 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. Juli 2018, GZ 4 R 109/18k‑23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 27. April 2018, GZ 17 C 409/17h‑19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E123358

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das Berufungsgericht bestätigte die dem beklagten Mieter vom Erstgericht aufgetragene Zahlung von rückständigem Mietzins und Räumung des Bestandobjekts.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten, die mangels Erörterung einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen ist. Dies bedarf nur einer kurzen Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

1. Im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof kann eine vom Berufungsgericht verworfene (angebliche) Nichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043405 ua).

2. Formal bekämpft der Beklagte zwar das Urteil des Berufungsgerichts auch hinsichtlich der Bestätigung seiner Zahlungspflicht wegen eines Mietzinsrückstands, führt aber in seiner Revision gar nicht aus, warum das (Erst‑ oder) Berufungsurteil insoweit fehlerhaft sein sollte.

3. Bei der von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Beurteilung der Frage, ob den Mieter an der Entstehung des Zinsrückstands grobes Verschulden trifft, ist dem Rechtsanwender ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt (RIS-Justiz RS0042773). Die Lösung dieser Frage begründet die Zulässigkeit der Revision demnach nur dann, wenn das Berufungsgericht diesen Beurteilungsspielraum überschritten hat (RIS-Justiz RS0042773 [T2, T3]). Eine solche auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung kann der Beklagte aber nicht aufzeigen:

Er geht in seiner Revision nicht von den Feststellungen aus, wenn er unterstellt, ihm sei während des gesamten Verfahrens nicht klar gewesen, ob er überhaupt irgendeinen Rückstand zu berichtigen habe. Auch seine Ausführungen zu einem vom Kläger bei ihm veranlassten Irrtum entfernen sich von dem – auch für den Obersten Gerichtshof, der ausschließlich Rechtsinstanz ist (vgl nur RIS-Justiz RS0123663) bindend – festgestellten Sachverhalt, womit die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RIS‑Justiz RS0043312 [T14] ua). Danach waren ihm die Bestimmungen des von ihm im Jahr 2007 abgeschlossenen Mietvertrags bekannt. Diesem ließen sich der darin ziffernmäßig angegebene monatliche Hauptmietzins ausschließlich Betriebskosten, öffentlicher Abgaben und Steuern sowie Heizkosten, die konkrete Höhe der monatlichen (etwas mehr als 190 EUR betragenden) „Betriebskosten-Acontozahlungen“ und die vereinbarte Wertsicherungsklausel eindeutig entnehmen. Nachdem das Bestandobjekt (eine Eigentumswohnung) im Jahr 2017 verkauft worden war, irrte sich der neue Vermieter bei der Bekanntgabe der Höhe des sich nun bei Anwendung der Wertsicherungsklausel ergebenden (neuen) Gesamtmietzinses. Er schlüsselte in seinem E-Mail den Mietzins unter Angabe von (jeweils) den Beträgen für den (reinen Netto-)Mietzins (in der im Vertrag genannten Höhe), die errechnete Indexanpassung und die (10%-ige) Umsatzsteuer auf, bezeichnete aber die (mathematisch richtig berechnete) Summe dieser Beträge als Mietzins inklusive der momentanen Betriebskosten. Diesen Irrtum klärte er umgehend in seinem ca 18 Minuten später versandten (zweiten) E‑Mail auf und erläuterte, ihm sei ein Fehler unterlaufen; es verstehe sich der (zahlenmäßig erneut mit der Summe bekanntgegebene) „Mietzinsbetrag“ ohne Betriebskosten und „nicht wie im Schreiben zuvorinklusive“. Beide E-Mail-Nachrichten erhielt der Beklagte und nahm sie auch zur Kenntnis, überwies in der Folge jedoch nur den Mietzins ohne jegliche Betriebskosten und zwar trotz dieser Aufklärung und der weiteren Erklärungen im Prozess.

Beide Vorinstanzen vertraten die Auffassung, den Beklagten treffe am (über zehn Monate aufgelaufenen) Zahlungsverzug mit den (wenn auch vom Vermieter in der Folge höher als im Mietvertrag vorgeschriebenen) Betriebskosten(‑akonti) in jenem Umfang, wie sie schon im Mietvertrag (mit einem konkreten Betrag) genannt waren, nämlich in Höhe von ca 190 EUR pro Monat, grobes Verschulden. Sein Verhalten, diesen Teil über Anraten seines Rechtsvertreters nicht zu zahlen, wiewohl ihm bei drei Vorsprachen bei der Arbeiterkammer mitgeteilt worden war, dass er die Betriebskosten „schon zahlen müsste“, und obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass er auch zuvor monatlich nicht nur den Hauptmietzins, sondern auch Betriebskostenakontierungen zu zahlen hatte, sei insoweit nicht mehr als leicht fahrlässig zu beurteilen, als er sich allein und beharrlich auf den ursprünglichen – ja unverzüglich aufgeklärten – Irrtum des Klägers bezogen habe.

Diese Ansicht ist nicht als Überschreitung des eingeräumten Ermessensspielraums zu beanstanden, verweigerte der Mieter doch – was die Vorinstanzen hervorheben – auch nach der Vorlage der Begleitschreiben im Verfahren und obwohl es „allseits unzweifelhaft war“, dass er auch Betriebskosten(‑akonti) zu zahlen hatte, „trotzdem jegliche über den eigentlichen Hauptmietzinsbetrag (ohne Betriebskosten) hinausreichende Zahlungen“ und „setzte dieses Verhalten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung“ (knapp drei Monate später) „unverändert fort“, „obwohl er nach eigenen Angaben finanziell zur Leistung derselben in der Lage gewesen wäre“. Gerade beim Auflösungstatbestand des Bestandzinsrückstands kann zudem auch die weitere Entwicklung bis zum Schluss der Verhandlung der Erstinstanz beachtlich sein (Höllwerth in GeKo Wohnrecht I § 1118 ABGB Rz 23 mwN). Grobes Verschulden des Mieters liegt nicht nur vor, wenn er die Interessen des Vermieters aus „Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht“ verletzt (RIS‑Justiz RS0069304), sondern auch dann, wenn die Nichtzahlung auf „reiner Gleichgültigkeit“ beruht (10 Ob 41/16a; RIS-Justiz RS0069304 [T7]), sich also darin ein besonderes Maß an Sorglosigkeit widerspiegelt. Damit bedarf die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, nur bei einer über die ursprünglichen Akontierungen hinausgehenden Weigerung wäre sein Verhalten verständlich gewesen, keiner Korrektur.

4. Die in der Revision aufgestellte Behauptung, der Kläger habe nicht nur einmal, sondern mehrfach im Zuge der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 7. 12. 2017 erklärt, dass er den Beklagten gar nicht aus der Wohnung haben wolle, sondern es ihm nur darum gehe, dass er ordnungsgemäß seine Mietzinszahlungen tätige, woraus er ableitet, der Vermieter habe damit „vor Zeugen erklärt, dass ihm am Räumungsbegehren eigentlich gar nichts“ liege, das Räumungsbegehren sei somit „nur ein Behelfsmittel bzw Druckmittel“ um den Beklagten zu veranlassen, seinen Betriebskostenzahlungen nachzukommen, im Räumungsbegehren liege damit „eindeutig ein Rechtsmissbrauch“, weswegen diesem niemals hätte stattgegeben werden dürfen, ist eine unzulässige Neuerung und hat keinerlei Deckung im Akteninhalt.

5. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weitergehenden Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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