OGH 5Ob162/18m

OGH5Ob162/18m3.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin A*, vertreten durch Mag. Linda Lojda, Verein Mieterfreunde Österreich, *, gegen die Antragsgegnerin Mag. H*, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 16 Abs 2 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. Juni 2018, GZ 39 R 150/18z‑22, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123254

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens ist die Überprüfung des Hauptmietzinses für die Wohnung der Antragstellerin im Haus der Antragsgegnerin. Im Revisionsrekursverfahren ist nicht mehr strittig, dass die Wohnung aufgrund der fehlenden Heizung im Bad der Kategorie C zuzuordnen ist, im Übrigen aber weitgehend über die in § 15a Abs 1 Z 1 MRG genannten Ausstattungsmerkmale einer Wohnung der Kategorie A verfügt.

Das Erstgericht berücksichtigte die Einstufung in Kategorie C mit einem Abstrich von 50 % des Richtwerts, dazu weitere Abschläge von 8 % für die Lage im dritten Stock ohne Lift und 5 % für Lärmbeeinträchtigung. An Zuschlägen erachtete es nur insgesamt 8 % für Stockwerkslage, Anschlüsse und Grundriss als gerechtfertigt. Zuschläge für überschießende Kategoriemerkmale berücksichtigte das Erstgericht nicht.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin teilweise Folge und erachtete unter Einschluss der bereits vom Erstgericht vorgenommenen Zuschläge von insgesamt 8 % für die Kategorie C übersteigenden Merkmale der Wohnung einen Zuschlag von insgesamt 30 % für angemessen.

Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1 Die Frage, ob und in welcher Höhe Abschläge bzw Zuschläge vom bzw zum Richtwertmietzins gerechtfertigt sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0117881 [T1]; RS0116132 [T2]). Die Auflistung und Bewertung einzelner Fakten kann dabei nur ein Kontrollinstrument sein, während die Justierung im Einzelfall nach richterlichem Ermessen zu erfolgen hat, weil es mit der in § 16 Abs 2 MRG geforderten Orientierung an der allgemeinen Verkehrsauffassung und Erfahrung des täglichen Lebens unvereinbar ist, alle (auch die winzigsten) Ausstattungsdetails gesondert zu bewerten und die so gewonnenen Zuschläge einfach zusammenzuzählen. Geboten ist daher immer eine Gesamtschau (RIS‑Justiz RS0117881).

1.2 Die entsprechende Ermessensübung durch das Rekursgericht ist für den Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit nur dann überprüfbar, wenn es zu einer krassen Verkennung der Rechtslage gekommen wäre (5 Ob 77/17k). Dies ist hier nicht der Fall:

2.1 Das Rekursgericht legte seiner Beurteilung als unstrittig zugrunde, dass bei Anmietung eine Gasetagenheizung mit Heizkörpern in sämtlichen Zimmern (ausgenommen Bad und Toilette) installiert war, berücksichtigte auch das Vorhandensein der Küche(nanschlüsse), des Vorraums und der Warmwasseraufbereitung und erachtete für diese überschießenden Kategoriemerkmale insgesamt im Ergebnis einen Zuschlag von 22 % für angemessen.

2.2 Dass der Sachverständige für diese überschießenden Kategoriemerkmale einen Zuschlag von insgesamt 42,5 % ermittelte, spricht nicht gegen die vom Rekursgericht vorgenommene Justierung, ist doch die Ermittlung des zulässigen Richtwertmietzinses und demgemäß die Berechtigung eines Zuschlags Rechtsfrage, für die das Sachverständigengutachten nur eine Grundlage in tatsächlicher Hinsicht bieten soll (vgl RIS-Justiz RS0111105). Überdies ergibt sich aus dem Gutachten, dass auch der Sachverständige selbst hinsichtlich der überschießenden Kategoriemerkmale von einer Bandbreite (Etagenheizung 0 bis 17,5 %, Badezimmer 0 bis 10 %, Warmwasseraufbereitung 0 bis 2,5 % und Küche/Kochnische 0 bis 5 %) ausging, allerdings – abgesehen vom Badezimmer, wo er 7,5 statt 10 % als gerechtfertigt erachtete – jeweils den Höchstwert der Bandbreite als Zuschlag vorschlug ohne dies näher zu begründen. Wenn das Rekursgericht im Hinblick darauf, dass die Gasetagenheizung zwar die Haupträume, nicht aber das– im Übrigen sehr kleine und nicht ins Freie entlüftbare – Bad und das WC beheizt, für die überschießenden Kategoriemerkmale insgesamt nur 22 %, (damit mehr als die Hälfte des vom Sachverständigen vorgeschlagenen Zuschlags) als berechtigt ansah, so ist darin jedenfalls keine unvertretbare Ermessensübung zu erkennen. Dass ein nicht beheizbares Bad und WC den insgesamt zu betrachtenden Wert einer Wohnung nach der Verkehrsauffassung in einem solchen Ausmaß verringert, dass dies durch das Vorhandensein weiterer – durch Zentralheizung beheizter – Zimmer wie Vorraum und Küche nicht vollständig auszugleichen ist, bildet keine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung und entspricht der in ständiger Rechtsprechung verlangten Gesamtschau. Die im Revisionsrekurs geforderte Summierung der im Sachverständigengutachten genannten prozentuellen Ab‑ und Zuschläge ließe hingegen für die in ständiger Rechtsprechung verlangte Justierung anhand des nur insgesamt und im Ganzen erlebbaren Werts der Wohnung keinen Raum mehr.

2.3 Dass eine konkrete Berechenbarkeit des Richtwertmietzinses für die beteiligten Verkehrskreise wünschenswert wäre, mag sein; es liegt aber am Gesetzgeber, das in der Literatur (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch,Österreichisches Wohnrecht4 § 16 MRG Rz 57 mwN) nicht unzutreffend als kompliziert und intransparent bezeichnete Richtwertmietzinssystem praxistauglicher zu gestalten.

3. Der außerordentliche Revisionrekurs war daher zurückzuweisen, einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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