OGH 9ObA88/18h

OGH9ObA88/18h27.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. DI Dr. P***** C*****, 2. Betriebsrat *****, 3. E***** B***** und 4. Betriebsrat *****, alle vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Universität *****, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung von Mitwirkungsrechten nach dem UG, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 6. Juni 2018, GZ 9 Ra 130/17d‑18, womit dem Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 21. November 2017, GZ 20 Cga 65/17z‑7, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00088.18H.0927.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.713,54 EUR (darin 452,26 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die 2. und 4. Kläger als Betriebsräte der beklagten Universität sowie die 1. und 3. Kläger als deren Betriebsratsvorsitzende begehren die Feststellung von Mitwirkungsrechten im Universitätsrat gemäß § 21 Abs 15 Universitätsgesetz 2002 (Recht auf rechtzeitige Information zu Tagesordnungspunkten im Vorhinein; Recht auf unmittelbare Zusendung des Sitzungsprotokolls nach Unterfertigung durch den Vorsitzenden; Recht auf Teilnahme der Betriebsratsvorsitzenden auch an Sitzungen des Universitätsrats im Zusammenhang mit der Wahl des Rektors). Der ordentliche Rechtsweg sei zulässig, weil nicht hoheitliche, das Universitätsgeschehen inhaltlich gestaltende Akte Grundlage der Klagebegehren seien, sondern Rechte der Kläger als Dienstnehmervertreter.

Die Beklagte wandte die Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs ein, weil sie als öffentliche Universität eine juristische Person des öffentlichen Rechts sei und gegen ihre Entscheidungen eine Beschwerde an das BVwG zu erheben sei. Der Universitätsrat habe eine behördengleiche Stellung, das Teilhaberecht in Organe der Selbstverwaltung könne nur öffentlich-rechtlicher Natur sein.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück und erklärte das bisherige Verfahren für nichtig. Der Universitätsrat werde bei der Abwicklung und Organisation seiner Sitzungen, hinsichtlich derer die Kläger Teilnahmerechte geltend machen, als Organ der Universität im Sinne des § 21 Abs 1 UG 2002 im Rahmen der Selbstverwaltung der Universität tätig. Da dieser Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Charakter zukomme, sei die Rechtssache den ordentlichen Gerichten entzogen. Gemäß § 42 Abs 1 JN sei die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und die Nichtigkeit des Verfahrens auszusprechen.

Das Rekursgericht gab dem dagegen von den Klägern erhobenen Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluss zur Gänze auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Den Betriebsräten der Universitäten werde durch § 21 Abs 15 UG 2002 ein zusätzliches Instrument zur Wahrnehmung der wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Belegschaft im Sinne des § 38 ArbVG eingeräumt. Streitigkeiten aus der Betriebsverfassung seien nach § 50 Abs 2 ASGG Arbeitsrechtssachen, die von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden seien. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Geltendmachung von Mitwirkungsrechten der Betriebsräte gemäß § 21 Abs 15 UG 2002 fehle.

In ihrem dagegen gerichteten Revisionsrekurs beantragt die Beklagte die Entscheidung des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass der erstgerichtliche Beschluss wiederhergestellt werde, sowie die Klage hinsichtlich der zweit- und viertklagenden Parteien, in eventu hinsichtlich der erst- und drittklagenden Parteien zurückzuweisen.

Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung , den Revisionsrekurs der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. 1. Ob die Zivilgerichte zur Entscheidung berufen sind, also der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zulässig ist, hängt davon ab, ob ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch im Sinne des § 1 JN erhoben wird (RIS‑Justiz RS0045584 [T32]; 9 Ob 19/18m).

1.2.  Bürgerlich-rechtliche (Privatrechtliche) Ansprüche sind dadurch gekennzeichnet, dass sich gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüberstehen, während im öffentlichen Recht ein übergeordnetes Rechtssubjekt einseitige Gestaltungsakte setzen kann, denen das untergeordnete Rechtssubjekt unterworfen ist; zum öffentlichen Recht gehören aber auch Ansprüche, denen zwar das Charakteristikum der einseitigen Rechtsunterworfenheit fehlt, die aber mit typisch öffentlich-rechtlichen Ansprüchen in so untrennbarem Zusammenhang stehen, dass auch sie dem öffentlichen Recht zugewiesen werden müssen (RIS‑Justiz RS0045438).

1.3.  Falls ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, ist zu prüfen, ob dieser nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wird (§ 1 JN; RIS‑Justiz RS0045584 [T32]; RS0005896 [T28]). Soll von der Zuständigkeit der Gerichte eine Ausnahme geschaffen werden, muss sie in dem dafür erforderlichen „besonderen Gesetz“ klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden (RIS‑Justiz RS0045474). Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen gemäß § 1 JN mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden (RIS‑Justiz RS0045456).

1.4.  Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an (RIS‑Justiz RS0045584 [T71]; RS0045718 [T1, T30]; 9 ObA 151/14t; 9 Ob 19/18m mwN). Nicht entscheidend ist, ob das Begehren auch berechtigt ist und was der Beklagte dagegen inhaltlich einwendet; darüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen (RIS‑Justiz RS0045718 [T9]; RS0045644 [T13]; RS0045491).

2. 1. Universitäten sind juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 4 UG 2002). Die obersten Organe der Universität sind der Universitätsrat, das Rektorat, die Rektorin oder der Rektor sowie der Senat (§ 20 Abs 1 UG 2002). Die Zuständigkeit des Universitätsrats ist in § 21 Abs 1 und 2 UG normiert. Die nähere Ausgestaltung seiner Tätigkeit ist in einer Geschäftsordnung festgehalten.

2.2.  Nach § 21 Abs 15 zweiter bis vierter Satz UG 2002 sind die Vorsitzenden der beiden nach § 135 Abs 3 UG 2002 eingerichteten Betriebsräte zu den Sitzungen des Universitätsrats einzuladen und sie haben jeweils das Recht, an den Sitzungen teilzunehmen, Anträge zu allen Tagesordnungspunkten zu stellen sowie zusätzliche Punkte auf die Tagesordnung setzen zu lassen, die mit der Ausübung ihrer Funktion als Betriebsrat im Rahmen ihrer innerbetrieblichen Interessenwahrnehmungskompetenz nach dem Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) unmittelbar in Zusammenhang stehen und in die Zuständigkeit des Universitätsrats fallen. Sie sind bei diesen Punkten stimmberechtigt, wobei diesbezügliche Beschlüsse der Zweidrittelmehrheit der Anwesenden bedürfen. Den Vorsitzenden der beiden Betriebsräte ist unverzüglich jeweils eine Abschrift der Protokolle der Sitzungen des Universitätsrats zu übermitteln.

2.3.  Mit Einführung des Universitäts-gesetzes 2002 (UG 2002), BGBl I 2002/120, wurde die Organisation der österreichischen Universitäten grundlegend geändert. Sie wurden aus der österreichischen Bildungsverwaltung ausgegliedert und als vollrechtsfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts eingerichtet (9 Ob 63/08t). Das „neue“ Personalrecht der Universitäten orientiert sich im Wesentlichen am Modell des Angestelltendienstrechts nach dem österreichischen Angestelltengesetz. Die weitgehende – wenn auch an die Besonderheiten des Universitätsbetriebs angepasste – Übernahme vertragsrechtlicher Regelungen aus dem Bereich des „allgemeinen“ Arbeitsrechts in das Personalrecht der Universitäten veranlasste den Gesetzgeber offenbar dazu, auch das primär für Unternehmungen der Privatwirtschaft zugeschnittene Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmodell nach dem ArbVG auf den Universitätsbetrieb zu übertragen. Die Arbeitnehmervertretung an den Universitäten weicht nur in wenigen – hier nicht relevanten – Punkten von den allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen ab (Eichinger, Mitwirkung und Mitbestimmung der Betriebsräte an den Universitäten, in Reissner/Tinhofer, Das neue Universitätsarbeitsrecht 117 [121, 125]).

2.4.  Bei den durch § 21 Abs 15 UG 2002 den Betriebsratsvorsitzenden eingeräumten Mitwirkungsrechten handelt es sich somit um Rechte von Belegschaftsvertretern, die mit der Interessenwahrnehmungskompetenz nach dem Arbeitsverfassungsgesetz unmittelbar in Zusammenhang stehen (vgl RV 225 BlgNR 24. GP  11), damit die Vorsitzenden der beiden bestehenden Betriebsräte ihren Aufgaben nachkommen können (AB 308 BlgNR 24. GP  3). Ungeachtet ihrer Einbettung in die organisationsrechtlichen Vorschriften bestehen diese Befugnisse nicht gegenüber bestimmten Organen, sondern im Wesentlichen gegenüber dem Betriebsinhaber. Inhaltlich wurden die Betriebsratsvorsitzenden durch § 21 Abs 15 UG 2002 auch nicht zu Mitgliedern des Universitätsrats, sodass diese Mitwirkungsrechte inhaltlich nicht zur inneren Organisation des Universitätsrats zählen, sondern echte Mitwirkungsrechte von Belegschaftsvertretern gegenüber den Arbeitgeber sind (vgl Kucsko-Stadlmayer, Die Mitwirkungsbefugnisse der Betriebsratsvorsitzenden im Universitätsrat, zfhr 2011, 217 [219]).

2.5.  Bei den Mitwirkungsrechten des Betriebsratsvorsitzenden nach § 21 Abs 15 UG 2002 handelt es sich somit um Befugnisse, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausübung der Funktion des Betriebsrats im Rahmen seiner innerbetrieblichen Interessenwahrnehmungskompetenz nach dem ArbVG stehen. Derartige Befugnisse sind grundsätzlich ihrem Wesen nach privatrechtlicher Art, weil hier ein Belegschaftsorgan dem Betriebsinhaber bzw dem Arbeitgeber – entsprechend dem arbeitsverfassungsrechtlichen Konzept des ArbVG – gleichberechtigt gegenübersteht. Dem stünde eine mittels Bescheid des beklagten Dienstgebers getroffene Entscheidung über die jeweiligen Mitwirkungsrechte des Betriebsratsvorsitzenden nach § 21 Abs 15 UG 2002 entgegen.

2.6.  Die mit der Klage geltend gemachten Mitwirkungsrechte nach § 21 Abs 15 UG 2002 stehen mit typisch öffentlich-rechtlichen Ansprüchen auch nicht in so untrennbarem Zusammenhang, dass sie dem öffentlichen Recht zugewiesen werden müssten. Dass der Universitätsrat ein Organ der Beklagten ist und als solches öffentlich‑rechtliche und damit hoheitliche Aufgaben besorgt, steht der Entscheidung des Gesetzgebers dem Betriebsrat bzw dessen Vorsitzenden privatrechtliche Mitwirkungsbefugnisse gegenüber dem Betriebsinhaber einzuräumen, nicht entgegen. Die klagsgegenständlichen Ansprüche sind daher bürgerlich‑rechtliche Ansprüche, für die mangels anderer ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung der ordentliche Rechtsweg nach § 1 JN zulässig ist.

2.7.  Auf die im Revisionsrekurs relevierte Frage, ob nur die Betriebsratsvorsitzenden oder auch die Betriebsräte zur Geltendmachung der Rechte nach § 21 Abs 15 UG 2002 aktiv legitimiert sind, kommt es bei der im jetzigen Verfahrensstadium ausschließlich vorzunehmenden Prüfung der Rechtswegzulässigkeit nicht an (vgl Punkt 4.1; RIS‑Justiz RS0122730).

2.8.  Zusammenfassend handelt es sich bei den Mitwirkungsrechten des Betriebsratsvorsitzenden nach § 21 Abs 15 UG 2002 um bürgerlich-rechtliche Ansprüche von Belegschaftsvertretern, die vor den ordentlichen Gerichten (§ 1 JN) geltend zu machen sind.

Dem Revisionsrekurs der Beklagten war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 4150 ZPO.

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