European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00148.18Y.0926.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den zweit- und drittbeklagten Parteien die mit 1.942,52 EUR (darin enthalten 323,75 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung je zur Hälfte binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der am 9. 9. 1962 geborene Kläger war seit 1987 als Beamter bei der Österreichischen Post‑ und Telegrafenverwaltung als Busfahrer beschäftigt. Im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen wurde er gemäß § 17 Abs 1a Poststrukturgesetz (PTSG) der Zweitbeklagten zur Dienstleistung zugewiesen und bei der Drittbeklagten als Busfahrer eingesetzt.
Mit Bescheid vom 24. 6. 2014 wurde er gemäß § 14 Abs 1 BDG 1979 in den Ruhestand versetzt, den er am 1. 12. 2016 antrat.
Mit der auf Amtshaftung und „jeden denkbaren Rechtsgrund, insbesondere auch allgemeines Schadenersatzrecht“ gestützten Klage begehrte er die Zahlung von 20.000 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden weiteren Schaden, der ihm daraus entstehe, dass er krankheitsbedingt ab 1. 5. 2014 eine Bezugskürzung nach § 13c Gehaltsgesetz (GehG) habe hinnehmen müssen und seit 1. 12. 2016 nur mehr einen Ruhebezug erhalte.
Seine Erkrankung und Versetzung in den Ruhestand sei wegen einer von Organen und Mitarbeitern der Beklagten schuldhaft verursachten Wirbelsäulenschädigung erfolgt. Sämtliche Beklagten hätten die Verantwortung für einen rechtskonformen hoheitlichen Vollzug im Rahmen seines öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses übernommen; insoweit hätten die Gesellschaftsorgane und Mitarbeiter der Zweit‑ und Drittbeklagten ihm gegenüber als Organe der Erstbeklagten gehandelt. Der Zweit‑ und Drittbeklagten sei seine Arbeitsleistung zugutegekommen.
Alle drei Beklagten bestritten ihre Passivlegitimation; die Erstbeklagte mit der Behauptung, der dem Kläger vorgesetzte Dienstnehmer habe zu keiner Zeit als ihr Organ im Sinne des § 1 Abs 1 AHG gehandelt, wobei der technische Betrieb sowie die Einteilung der Fahrer in die Zuständigkeit der Drittbeklagten gefallen sei; die Zweit‑ und Drittbeklagten mit der Behauptung, Dienstgeberin des Klägers sei trotz seiner Zuweisung an die Zweitbeklagte zur Dienstleistung die Erstbeklagte geblieben, sodass die Vorgesetzten des Klägers funktionell als deren Vertreter tätig geworden und ihr zuzurechnen seien.
Alle Beklagten wendeten darüber hinaus die Verjährung der vom Kläger behaupteten Ansprüche ein, weil sich bereits aus seinem Vorbringen ergebe, dass ab Jänner 1999 wiederholt Probleme mit den Lenkersitzen der von ihm gefahrenen Autobusse aufgetreten seien und er sich deswegen im Jahr 2009 einer Operation wegen eines Bandscheibenvorfalls unterziehen habe müssen.
Das Erstgericht wies die Klage hinsichtlich aller drei Beklagten wegen Verjährung ab.
Das Berufungsgericht verneinte die vom Erstgericht angenommene Verjährung und sprach mit Zwischenurteil nach § 393a ZPO gegenüber der Erstbeklagten aus, dass die Klageforderung und das „Feststellungsbegehren“ nicht verjährt seien. Mit Bezug auf die Zweit‑ und Drittbeklagte erklärte es das Urteil des Erstgerichts und das Verfahren diesen gegenüber ab Klagszustellung für nichtig und wies die Klage insoweit zurück. Dazu führte es aus:
Die Zuweisung des Klägers zur Dienstleistung an die Zweitbeklagte habe an der Stellung der Erstbeklagten als Dienstgeberin und den aus dem Dienstverhältnis erfließenden Rechten und Pflichten nichts geändert. Der Kläger mache – zusammengefasst – eine Verletzung von Fürsorgepflichten des Dienstgebers ihm gegenüber geltend, deren Wahrnehmung ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur sei, sodass der Beamte gegen den Rechtsträger, der ihn ernannt habe, bei einer Verletzung dieser Pflichten Amtshaftungsansprüche stellen könne. Die Verletzung der Fürsorgepflicht sei auch dann als Amtshaftungsanspruch gegenüber dem Dienstgeber geltend zu machen, wenn die Verletzung durch den privaten Rechtsträger erfolgt sei, der den Beamten aufgrund einer gesetzlichen Zuweisung beschäftige. Demgegenüber sei für Klagen gegen juristische Personen des Privatrechts, die – wie die Zweit‑ und die Drittbeklagte – für hoheitliches Handeln in die Pflicht genommen oder beliehen worden seien, gemäß § 9 Abs 5 AHG der Rechtsweg unzulässig, weswegen die Klage ihnen gegenüber zurückzuweisen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der von der Zweit‑ und der Drittbeklagten beantwortete Rekurs des Klägers, der zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO; E. Kodek in Rechberger 4 § 519 ZPO Rz 8), aber nicht berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Kläger stand als Beamter in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund (Erstbeklagte), an dem sich durch seine Versetzung in den Ruhestand nichts geändert hat. Daneben bestand ein gesondertes „Zuweisungsverhältnis“ zur Zweitbeklagten, der der Kläger zur Dienstleistung zugeteilt war (§ 17 Abs 1a PTSG; 8 ObA 76/07w = SZ 2007/201; 9 ObA 151/14t ua). Die Erstbeklagte als Dienstgeberin der auf dieser gesetzlichen Grundlage zugewiesenen Beamten übt ihre Diensthoheit durch eines der in § 17 Abs 2 PTSG genannten Personalämter aus. Diesen kommt die Funktion einer obersten Dienst‑ und Pensionsbehörde zu (9 ObA 109/05b ua).
2. Streitigkeiten aus dem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis von Beamten sind nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich im Verwaltungsweg auszutragen (RIS‑Justiz RS0086019). Soweit einem Beamten die Durchsetzung seiner Ansprüche nach den dienstrechtlichen Vorschriften nicht möglich ist, kann er gegen den Rechtsträger, der ihn ernannt hat, Amtshaftungsansprüche geltend machen. Das gilt insbesondere für den Fall der Verletzung von Fürsorgepflichten aus dem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis durch den Dienstgeber (1 Ob 131/08h), weil die Wahrnehmung dieser Verpflichtung in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist (9 ObA 84/12m).
3. Die Zweitbeklagte, der der Kläger zur Erbringung der Dienstleistung zugewiesen war, ist eine juristische Person des Privatrechts, die durch Ausgliederung aus dem Vermögen der Erstbeklagten entstanden ist. Auf Basis eines gesetzlichen „Zuweisungsverhältnisses“ war er bei der Drittbeklagten als Busfahrer eingesetzt.
4.1 Der Kläger führt seine Ansprüche der Sache nach auf eine Fürsorgepflichtverletzung des Dienstgebers zurück.
4.2 In vergleichbaren Fällen hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass sich durch die Zuweisung zur Dienstleistung aufgrund eines Gesetzes an den Rechten und Pflichten aus dem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis nichts ändert, sodass die Wahrnehmung von Fürsorgepflichten unverändert Bestandteil der dienstrechtlichen Stellung des Beamten bleibt. Die Fürsorgepflichten des privatrechtlichen „Beschäftigers“ in Bezug auf den ihr zugewiesenen öffentlich‑rechtlichen Bediensteten sind daher ihrem Wesen nach keine anderen als jene des öffentlich‑rechtlichen Dienstgebers. Aus diesem Grund ist bei einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis eine Verletzung der Fürsorgepflicht auch dann als Amtshaftungsanspruch gegenüber dem Dienstgeber geltend zu machen, wenn die Verletzung durch den den Beamten aufgrund einer gesetzlichen Zuweisung beschäftigenden privaten Rechtsträger erfolgt ist (8 ObA 65/15i mwN). Ansprüche wegen behaupteter Fürsorgepflichtverletzungen sind daher nicht nur dann im Wege der Amtshaftung geltend zu machen, wenn die schädigende Handlung vom Dienstgeber gesetzt wird, sondern auch dann, wenn sie aus dem Zuweisungsverhältnis durch den „Beschäftiger“ oder eine diesem zurechenbare Person erfolgt (9 ObA 151/14t; 8 ObA 65/15i). Behauptete Pflichtverletzungen durch Mitarbeiter oder Organe der Zweit‑ und Drittbeklagten sind der Erstbeklagten als öffentlich‑rechtlicher Dienstgeberin zuzurechnen (vgl 9 ObA 16/11k).
5.1 Für Klagen gegen juristische Personen des Privatrechts, die für hoheitliches Handeln in die Pflicht genommen werden, ist nach gefestigter Rechtsprechung gemäß § 9 Abs 5 AHG der Rechtsweg unzulässig (RIS‑Justiz RS0124590). Auch eine subsidiäre Geltendmachung von Ansprüchen nach allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts kommt nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0022989; vgl auch RS0050139).
5.2 Dieses Privileg wirkt im vorliegenden Kontext auch für die Zweit‑ und die Drittbeklagte (vgl 8 ObA 65/15i), denen die Wahrnehmung der durch das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis begründeten Fürsorgepflichten der Erstbeklagten übertragen wurde, und kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass der Kläger erklärt, er stütze seine Schadenersatzansprüche nicht auf das AHG, sondern leite sie aus dem bürgerlichen Recht ab (RIS‑Justiz RS0049976). Damit ist es aber unerheblich, ob, wie der Kläger zur Begründung der unmittelbaren Inanspruchnahme der Zweit‑ und Drittbeklagten meint, die schädigenden Unterlassungen ihm gegenüber aus Sparsamkeitsgründen im Sinn der Unternehmensinteressen erfolgt sind.
7. Dem Rekurs ist damit ein Erfolg zu versagen.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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