European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122902
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Eltern lebten vor ihrer Trennung mit dem Minderjährigen in Russland. Derzeit befindet sich der Minderjährige in Pflege und Erziehung der Mutter in Österreich, der Vater hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Slowakei. Das Bezirksgericht Moskau hatte den Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung für den Minderjährigen in Höhe von 1.900 EUR verpflichtet.
Der Vater beantragte beim Erstgericht, den monatlichen Unterhalt wegen geänderter Verhältnisse auf 524 EUR herabzusetzen.
Das Erstgericht wies diesen Antrag zurück, weil der russische Unterhaltstitel in Österreich nicht anzuerkennen sei. Die Anerkennung eines bestehenden Titels sei jedoch Voraussetzung für die Entscheidung über einen Antrag auf dessen Änderung bzw Herabsetzung.
Das Rekursgericht wies den dagegen vom Minderjährigen eingebrachten Rekurs wegen fehlender Beschwer zurück und ließ den Revisionsrekurs nachträglich – „zur Klärung der stets zu wahrenden Rechtssicherheit“ – zu.
Der Minderjährige beantragt in seinem Revisionsrekurs die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, der Vater beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts – in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Weist das Gericht zweiter Instanz – wie hier – den Rekurs mangels Beschwer zurück, ist auch dieser Beschluss unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG anfechtbar (RIS‑Justiz RS0120565 [T9]; RS0120974; 5 Ob 24/18t).
2.1. Auch im Außerstreitverfahren ist nur derjenige rechtsmittellegitimiert, der durch die bekämpfte Entscheidung (formell oder materiell) beschwert ist (vgl RIS‑Justiz RS0006598).
2.2. Durch die Beurteilung einer Vorfrage wird eine Person, selbst wenn eine spruchmäßige Entscheidung im Sinne der gefundenen Lösung ihre rechtlichen geschützten Interessen unmittelbar berührte, noch nicht gemäß § 9 Abs 1 (nunmehr § 47 Abs 3) AußStrG beschwert (RIS‑Justiz RS0006762). Ebenso wenig kann allein aus den Gründen einer Entscheidung – außer bei Aufhebungsbeschlüssen und bei Zwischenurteilen und im Falle einer Bindungswirkung für einen Folgeprozess – eine Beschwer abgeleitet werden (10 Ob 27/18w mwN). Dieser Grundsatz gilt auch im außerstreitigen Verfahren (RIS‑Justiz RS0006550).
2.3. Die oberstgerichtliche Rechtsprechung nimmt eine Bindungswirkung nur an die im Vorprozess entschiedene Hauptfrage, nicht aber an eine dort beurteilte Vorfrage an. Ist dagegen ein im Vorverfahren als Hauptfrage entschiedener Anspruch für den in einem weiteren Verfahren zwischen denselben Parteien geltend gemachten Anspruch eine Vorfrage (ein bedingendes Rechtsverhältnis), so entfaltet die Vorentscheidung insoweit aufgrund ihrer materiellen Rechtskraft Bindungswirkung (9 ObA 23/11i mwN).
3.1. Im vorliegenden Fall hat der Minderjährige in erster Instanz beantragt, den Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters „zurück- oder abzuweisen“. Somit gebricht es ihm schon an einer formellen Beschwer für einen Rekurs gegen die Zurückweisung des Antrags.
3.2. Auch materiell ist der Minderjährige durch den Beschluss des Erstgerichts nicht beschwert, da seine Rechtsstellung durch die Entscheidung nicht beeinträchtigt wird. Die Anerkennung des russischen Unterhaltstitels in Österreich wurde vom Erstgericht lediglich als Vorfrage des Herabsetzungsbegehrens beurteilt. Diese Beurteilung entfaltet daher – gemäß der oben dargestellten Rechtsprechung – keine Bindungswirkung für allfällige Folgeverfahren und steht somit einer neuerlichen Beurteilung betreffend die Anerkennung des Unterhaltstitels in Österreich in einem weiteren Verfahren nicht entgegen.
3.3. Die Zurückweisung des Rekurses des Minderjährigen durch das Rekursgericht mangels Beschwer entspricht daher der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Der Revisionsrekurs zeigt keine validen Argumente auf, die eine gegenteilige Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof begründen könnten.
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